Die Betrachtung des Buches Hesekiel führt uns in einen der schlimmsten Zeitabschnitte der Geschichte Israels hinein, in eine Zeit schwerer Gerichte Gottes über sein alttestamentliches Volk. Mit diesem Kommentar möchten wir einige gedankliche Linien aufzeigen, mit deren Hilfe es dem Leser der Bibel hoffentlich gelingen wird, das Buch Hesekiel in seiner Grundstruktur besser zu erfassen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Prinzipien zur Auslegung alttestamentlicher Prophetie
Die Person Hesekiels und der historische Hintergrund seines Buches
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37-39
A) Die Deutung nach rabbinisch-zionistischer und dispensationalistischer Sichtweise
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kurze Stellungnahme
B) Eine andere mögliche Deutung der Prophetie Hesekiels
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40-48
Die wichtigsten Zahlen in der Bibel mit kurzen Beispielen
Der Tempel in Hesekiel 40-48 und seine Beziehung zum Neuen Testament
Beschreibungen in Hesekiel, die auf einen nicht gebäudehaften Tempel hindeuten
Der Opferdienst
Weitere Überlegungen über das Wesen von Hesekiels Tempelvision
Die Tempelvision aus Off 21: Die Erfüllung von Hesekiels Vision
Ergänzung: Der Strom in Hesekiel 47
Literaturverzeichnis
Einleitung
Das Buch des Propheten Hesekiel („Gott ist stark“ oder „Gott stärkt“) gehört zusammen mit den Büchern Jesaja, Jeremia und Daniel zu den sogenannten großen Prophetenbüchern des Alten Testamentes. Insbesondere bei den Büchern Jesaja mit seinen 66 Kapiteln, Jeremia mit seinen 52 Kapiteln und Hesekiel mit seinen 48 Kapiteln stellt bereits der reine Umfang des Textes für den normalen Leser der Bibel eine große Herausforderung dar. Hinzu kommen die ungeheure Fülle von Einzelinformationen sowie die Tatsache, dass diese Bücher, ganz besonders natürlich das Buch Jesaja, zu großen Teilen in Form von hebräischer Poesie verfasst sind. Selbst herausragende Kenner der alten Sprachen hatten in der Vergangenheit Schwierigkeiten, den Text richtig zu übersetzen und somit die geistliche Botschaft der Propheten für den einfachen Leser der Bibel zugänglich zu machen. Jedes prophetische Buch muss ja auch im Kontext der gesamten Heiligen Schrift eingeordnet und betrachtet werden, denn es handelt sich bei jedem Buch um einen unverzichtbaren Teilaspekt innerhalb der Gesamtheit der Heilsoffenbarung Gottes an die Menschen.
Sogar die Propheten selbst wussten oftmals nicht genau, was die ihnen geoffenbarten Worte in letzter Konsequenz beinhalteten. Wir sind beim Lesen ihrer Bücher mit der Tatsache konfrontiert, dass Gott dem Propheten selbst die Bedeutung der Botschaften und Visionen erklären musste, wobei er jedoch nicht alle seine Gedanken vollständig enthüllte. Im Neuen Testament wird diese geistliche Tatsache bestätigt:
Apg 3,18-24: „Gott aber hat das, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigte, dass nämlich der Christus leiden müsse, auf diese Weise erfüllt. So tut nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung vom Angesicht des Herrn kommen und er den sende, der euch zuvor verkündigt wurde, Jesus Christus, den der Himmel aufnehmen muss bis zu den Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, wovon Gott durch den Mund aller seiner heiligen Propheten von alters her geredet hat. Denn Mose hat zu den Vätern gesagt: »Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, euer Gott, erwecken aus euren Brüdern; auf ihn sollt ihr hören in allem, was er zu euch reden wird«. Und es wird geschehen: Jede Seele, die nicht auf diesen Propheten hören wird, soll vertilgt werden aus dem Volk. Und alle Propheten, von Samuel an und den folgenden, so viele geredet haben, sie haben auch diese Tage im Voraus angekündigt.“
1Pe 1,10-12: „Wegen dieser Errettung haben die Propheten gesucht und nachgeforscht, die von der euch zuteilgewordenen Gnade geweissagt haben. Sie haben nachgeforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist des Christus in ihnen hindeutete, der die für Christus bestimmten Leiden und die darauf folgenden Herrlichkeiten zuvor bezeugte. Ihnen wurde geoffenbart, dass sie nicht sich selbst, sondern uns dienten mit dem, was euch jetzt bekannt gemacht worden ist durch diejenigen, welche euch das Evangelium verkündigt haben im Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt wurde – Dinge, in welche auch die Engel hineinzuschauen begehren.“
2Pe 1,20-21: „Dabei sollt ihr vor allem das erkennen, dass keine Weissagung der Schrift von eigenmächtiger Deutung ist. Denn niemals wurde eine Weissagung durch menschlichen Willen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben die heiligen Menschen Gottes geredet.“
Erst in der Rückschau vom Standpunkt des Neuen Testamentes aus betrachtet können zahlreiche Aussagen der Propheten besser eingeordnet werden, wobei auch wir heute noch immer sagen müssen, dass bis zur Wiederkunft des Herrn Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit weiterhin viele prophetische Aussagen der Heiligen Schrift rätselhaft bleiben werden. Kein einziger Ausleger der Bibel könnte jemals behaupten, dass er das gesamte prophetische Wort ergründet und verstanden habe. Leider gab es in der Geschichte der Christenheit bis in unsere Gegenwart hinein einige menschengemachte Denksysteme, welche genau diesen unerfüllbaren Anspruch stellten. Insbesondere bei der Auslegung biblischer Prophetie müssen wir eine demütige Stellung vor dem Herrn einnehmen und uns stets der Tatsache bewusst bleiben, dass die Heilige Schrift in ihrer Gesamtheit wie ein weites Meer ist, dessen Tiefen wir als Menschen nur begrenzt ausloten können. Nur Gott der Vater, der Sohn Jesus Christus und der Geist Gottes wissen alles. Nur ihnen gehört unser Vertrauen, nur ihnen gebührt alles Lob, alle Ehre und alle Herrlichkeit von nun an bis in Ewigkeit.
Der Schreiber des vorliegenden Textes betont daher nochmals ausdrücklich, dass er nicht den Stein der Weisen gepachtet hat. Er sieht sich selbst in der Position eines demütigen Jüngers des allwissenden und vollkommenen Herrn Jesus Christus, als einen aus Gnade in der Wiedergeburt zum ewigen Leben und im Heiligen Geist erretteten und angenommenen Sohn des allmächtigen und liebenden Vaters im Himmel. Das Ziel des folgenden Textes besteht somit auch nicht darin, den perfekten, endgültigen und allumfassenden Kurzkommentar zum Buch Hesekiel zu präsentieren. Es soll vielmehr darum gehen, einige gedankliche Linien aufzuzeigen, mit deren Hilfe es dem normalen Leser der Bibel hoffentlich gelingen wird, das Buch Hesekiel in seiner Grundstruktur besser zu erfassen und zu bewahren. Es soll für den Leser des Textes vorrangig darum gehen, einen Überblick über den großen geistlichen Bogen dieses Buches zu gewinnen, damit er davor bewahrt bleibt, sich im Dickicht der Details zu verfangen und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu erkennen.
Auf den weiteren Seiten unseres Textes werden wir grundsätzlich in drei Schritten vorgehen: Zunächst werden einige grundlegende Prinzipien zur Auslegung alttestamentlicher Prophetie genannt, welche uns in der Bibel immer wieder begegnen. (Die diesbezüglichen Erläuterungen wird der Leser / die Leserin in ähnlicher Form in unserem Text über das Buch Sacharja auf unserer Website www.DieLetzteStunde.de wiederfinden, denn sie sind dort ebenso gültig wie hier.) Im Anschluss an diese Prinzipien werden wir kurz auf die Lebenssituation des Propheten Hesekiel im damaligen historischen Kontext eingehen. Die Aussagen seines Buches waren ja zunächst einmal in seinem persönlichen Leben verankert. Danach werden wir im letzten gedanklichen Schritt das gesamte Buch kapitelweise durchlaufen. Zu jedem Kapitel sollen grundlegende Gedanken angeführt werden, welche – teils durch andere Bibelstellen, teils auch durch außerbiblische Zusatzinformationen – an solchen Stellen ergänzt sind, an denen es geboten oder interessant erscheint.
Prinzipien zur Auslegung alttestamentlicher Prophetie
Die folgenden Prinzipien werden uns auf jeder Seite des Buches Hesekiel begegnen, denn sie sind universell gültig für die Auslegung nahezu aller alttestamentlichen Prophetenbücher. Bei der Auslegung einzelner Textpassagen werden wir gegebenenfalls darauf zurückkommen, ohne eine erneute Grundsatzerklärung dazu abgeben zu müssen.
Erstens: Ein Prophet ist ein Mensch, der das Wort eines Anderen an dessen Stelle oder in dessen Auftrag verkündet. So wie in der Bibel die falschen Propheten im Namen des Feindes dessen irreführende Worte und falsche Botschaften verkündigten, so verkündigten die echten Propheten Gottes das wirkliche Gotteswort. Oftmals standen sie dabei als kleine Gruppe oder sogar als Einzelpersonen vor einer zahlenmäßigen Übermacht. Nur selten wurden sie respektiert. Meist wurden sie hart angegriffen, ja sogar verfolgt und umgebracht. Es war zur Zeit des Alten Testamentes keine Leichtigkeit, ein Prophet Gottes zu sein, sondern es war ein sehr schwerer Dienst. Dies trifft in vollem Umfang auch auf Hesekiel zu.
Zweitens: Es gab im Alten Testament handelnde, redende und schreibende Propheten, welche entweder im Auftrag Gottes gewisse Symbolhandlungen durchzuführen hatten, gewisse Worte verkündigten, Visionen empfingen und/oder die Bücher der Heiligen Schrift für die Nachwelt verfassten. Die Propheten handelten, redeten oder schrieben ihre Bücher dabei unter der unmittelbaren Einwirkung des Heiligen Geistes, welcher sie antrieb und ihnen ihre Handlungsanweisungen erteilte, sowie ihnen ihre Visionen oder Wortprophetien eingab. Dabei wussten die Propheten Gottes nicht immer genau, was ihre eigenen Worte letztlich beinhalteten, sondern sie fragten sich oftmals, zu welcher Zeit und auf welche Art und Weise die Erfüllung kommen sollte. Teilweise Erfüllungen ihrer Prophetien durften sie zwar erleben, große Teile lagen jedoch in der näheren oder ferneren Zukunft. Ebenso waren sie sich oftmals nicht dessen bewusst, dass ihre Prophetien einmal als Teile der gesamten Heiligen Schrift in engem Zusammenhang stehen würden. Sie waren ja meist in ihrem eigenen Wirken durch Raum und Zeit voneinander getrennt. Außerdem ist es so, dass alle schreibenden Propheten von Samuel an bis Maleachi ausführlich über den Messias Israels und der Welt sowie über die Gemeinde der Gläubigen des neuen Bundes geschrieben haben, ohne sich dessen klar bewusst zu sein. So berichtet es uns das Neue Testament ausdrücklich. Es ist daher keinesfalls so, dass die Gemeinde des Neuen Testamentes im Alten Testament nicht erwähnt wird.
Drittens: Alle damaligen Propheten standen zu ihrer Zeit zunächst einmal fest auf dem Boden der Realität. Gott berief sie aus der konkreten Situation ihres eigenen Lebens heraus zum Dienst. Die Berufung der Propheten war teilweise dramatisch wie etwa bei Jesaja, Jeremia oder Hesekiel, welche zunächst ihren Gott in seiner ganzen Herrlichkeit kennenlernen mussten, bevor sie dazu in die Lage versetzt wurden, ihren Dienst tun zu können. In ihren Prophetien hatten sie dann zunächst die konkreten Umstände im Volk Gottes und in der Welt zu analysieren, um danach das Handeln Gottes in Bezug auf diese Umstände zu verkünden. Diese Verkündigung stieß meist auf Unverständnis und heftigen Widerstand der Zuhörer, denn sie deckte grobe Mängel im Leben des Volkes Gottes auf. Gott selbst legitimierte seine Propheten dadurch, dass er ihnen zunächst Prophetien für die nähere Zukunft gab, welche sich dann auch vor den Augen des Volkes erfüllten. Infolge dieser Erfüllungen hatten die Propheten gottgegebene Autorität und konnten in einem weiteren Schritt Prophetien verkündigen, welche zum Teil weit in die Zukunft des Volkes und weit über ihr eigenes Leben hinausreichten. Diese Prophetien wurden von den gläubigen Menschen im Volk angenommen, und ihre Erfüllung als Wort Gottes wurde über Generationen hinweg treu erwartet.
Viertens: Aus dem bisher Gesagten folgt unmittelbar, dass die Prophetien des Alten Testamentes verschiedene Deutungsebenen aufweisen, welche von der Zeit ihrer Entstehung bis in unsere Zeit hinein anwendbar geblieben sind. Wir können heute auf die Jahrtausende zurückblicken. Wir kennen historische Hintergründe der Prophetien, und wir können auch auf bereits erfüllte Prophetien in der Geschichte zurückschauen. Manches davon wird uns im Buch Hesekiel begegnen. Andererseits waren die Worte Gottes nicht nur in der Zeit des jeweiligen Propheten verankert, sondern sie transzendieren oftmals in ihren Aussagen Zeit und Raum. Manchmal hat genau das gleiche Wort, welches in der Zeit des jeweiligen Propheten konkret gültig war, eine ebenso konkrete Gültigkeit für uns heute. Dies betrifft sowohl Aspekte der christlichen Lehre als auch praktische Aspekte unseres täglichen Wandels im Glauben und unserer täglichen äußeren Umstände. Beachtenswert ist zudem die heilsgeschichtliche Bedeutung zahlreicher alttestamentlicher Prophetien. Dies betrifft natürlich auch den Propheten Hesekiel, welcher über die Situation Jerusalems und Israels im Alten Testament mit Gericht und teilweiser Wiederherstellung bis zur ersten Ankunft des Messias in Israel ebenso geredet hat wie über die Gründung der Gemeinde des Neuen Testamentes, die Ankunft des Herrn in Macht und Herrlichkeit zum Endgericht über die alte Erde und über die Feinde, sowie über den ewigen Zustand.
Fünftens: Wenn wir im Weiteren nun an den Text herangehen, dann werden wir historische Ereignisse, Visionen und Wortprophetien betrachten. Alle diese Dinge sind in gewissen Aspekten unmittelbar in der historischen Realität Hesekiels und des Volkes seiner Zeit eingebettet, sie gehen unmittelbar auf die damals bestehenden Umstände und Probleme ein. Andererseits betreffen dieselben Visionen und Wortprophetien jedoch auch wichtige Aspekte unserer heutigen Glaubenslehre sowie konkrete praktische Anwendungen auf unser heutiges Christenleben.
Die Person Hesekiels und der historische Hintergrund seines Buches
Die Betrachtung des Buches Hesekiel führt uns in einen der schlimmsten Zeitabschnitte der Geschichte Israels hinein, in eine Zeit schwerer Gerichte Gottes über sein alttestamentliches Volk. Es war die Zeit der endgültigen Zerschlagung des alten Königreiches Israels mit der Zerstörung der Stadt Jerusalem und des salomonischen Tempels sowie der Eroberung des ganzen Landes durch die Babylonier. Nachdem das Nordreich Israels durch die Assyrer erobert worden war, welche bereits zur Zeit von Ahas und Hiskia vor Jerusalem gestanden hatten und durch die Hand Gottes zurückgeschlagen worden waren, hatte das Königreich Juda seinen Abfall von Gott fortgesetzt und nicht mehr auf die Propheten gehört. Nun war das Ende auch für Juda gekommen. Die Wegführung der Juden durch die Babylonier und weitere Feinde erfolgte in vier Phasen.
Die erste Wegführung geschah im dritten Jahr des Königs Jojakim, welcher insgesamt elf Jahre König blieb. Bei dieser Wegführung wurde der Prophet Daniel als Jugendlicher von etwa 15-20 Jahren zusammen mit einigen anderen Jünglingen Judas nach Babylon gebracht. Als Hesekiel seinen Dienst begann, lebte Daniel bereits seit knapp zehn Jahren am Hof Nebukadnezars und war etwa 25 bis 30 Jahre alt. Daniel überlebte die gesamte Zeit der babylonischen Gefangenschaft Judas und erreichte mindestens das dritte Jahr des Kyros. Er wurde somit über 90 Jahre alt. Ein weiterer bedeutender Zeitgenosse Hesekiels war der Prophet Jeremia, der Sohn des Priesters Hilkija aus Anatot, welcher über einen Zeitraum von etwas mehr als vierzig Jahren in Jerusalem diente, nämlich vom dreizehnten Jahr des Königs Josia bis kurze Zeit nach dem Untergang der Stadt. Jeremia wurde letztlich nach Ägypten mitgenommen und dort gemäß jüdischer Tradition vermutlich vom ungläubigen Überrest des Volkes gesteinigt, nachdem er noch weitere Prophetien gegeben hatte.
Jer 1,1-3: „Die Worte Jeremias, des Sohnes Hilkias, von den Priestern, die in Anatot im Land Benjamin wohnten, an welchen das Wort des HERRN erging in den Tagen Josias, des Sohnes Amons, des Königs von Juda, im dreizehnten Jahr seiner Regierung, und auch in den Tagen Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, bis zum Ende des elften Jahres Zedekias, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, bis zur Wegführung Jerusalems im fünften Monat.“
Jer 43,5-7: „Und Johanan, der Sohn Kareachs, und alle Heerführer nahmen den ganzen Überrest von Juda, die aus allen Völkern, in die sie vertrieben worden waren, zurückgekehrt waren, um im Land Juda zu wohnen: Männer, Frauen und Kinder, die Königstöchter und alle Seelen, die Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, bei Gedalja, dem Sohn Achikams, des Sohnes Schaphans, gelassen hatte; auch den Propheten Jeremia und Baruch, den Sohn Nerijas, und sie zogen in das Land Ägypten; denn sie waren der Stimme des HERRN nicht gehorsam. Und sie kamen bis Tachpanches.“
Dan 1,1-2+6: „Im dritten Jahr der Regierung Jojakims, des Königs von Juda, kam Nebukadnezar, der König von Babel, nach Jerusalem und belagerte es. Und der Herr gab Jojakim, den König von Juda, in seine Hand, auch einen Teil der Geräte des Hauses Gottes; diese führte er hinweg in das Land Sinear, in das Haus seines Gottes; und er brachte die Geräte in die Schatzkammer seines Gottes. (…) Unter ihnen befanden sich von den Söhnen Judas Daniel, Hananja, Misael und Asarja.“
Dan 10,1: „Im dritten Jahr des Kyrus, des Königs von Persien, wurde dem Daniel, der Beltsazar genannt wird, ein Wort geoffenbart; und dieses Wort ist wahr und handelt von einer großen Drangsal; und er verstand das Wort und bekam Verständnis für das Gesicht.“
2Kö 23,36: „Jojakim war 25 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte 11 Jahre lang in Jerusalem. Und der Name seiner Mutter war Sebudda, die Tochter Pedajas von Ruma.“
2Kö 24,1-3: „In seinen Tagen zog Nebukadnezar, der König von Babel, herauf, und Jojakim wurde ihm drei Jahre lang untertan. Danach fiel er wieder von ihm ab. Da sandte der HERR Truppen gegen ihn aus Chaldäa, aus Aram, aus Moab und von den Ammonitern; die sandte er gegen Juda, um es zugrunde zu richten, nach dem Wort des HERRN, das er durch seine Knechte, die Propheten, geredet hatte. Fürwahr, nach dem Wort des HERRN kam das über Juda, damit er sie von seinem Angesicht hinwegtäte, um der Sünden Manasses willen, für all das, was er getan hatte;“
2Chr 36,5-7: „Jojakim war 25 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte 11 Jahre lang in Jerusalem. Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN, seines Gottes. Da zog Nebukadnezar, der König von Babel, gegen ihn herauf und band ihn mit zwei ehernen Ketten, um ihn nach Babel zu bringen. Auch schleppte Nebukadnezar etliche Geräte des Hauses des HERRN nach Babel und brachte sie in seinen Tempel in Babel.“
Die zweite Wegführung ereignete sich unter dem König Jojakin oder Jekonja, welcher nur drei Monate regiert hatte. Bei dieser Wegführung wurde auch Hesekiel, der Sohn des Priesters Busi mitgenommen, wie wir aus dem inneren Zeugnis seines Buches erkennen können: Im zwölften Jahr seiner Wegführung kam nämlich ein Bote zu ihm und berichtete ihm, dass die Stadt Jerusalem gefallen war. Alle Prophetien bis einschließlich Kapitel 33 des Buches fallen in die Zeit von der zweiten Wegführung bis zum Fall der Stadt Jerusalem und erlauben somit genaue Datierungen. Die Prophetie über die Stadt und den Tempel der Zukunft ist ebenso genau datiert: Sie stammt aus dem fünfundzwanzigsten Jahr der Wegführung Hesekiels und Jekonjas. Hinzu kommen noch die Prophetien über die Nationen in den Kapiteln 25 bis 32, welche bis zum Neujahrstag des siebenundzwanzigsten Jahres reichen (Hes 29,17). Die klare zeitliche Anordnung verleiht uns eine gute Übersicht über das gesamte Handeln Gottes mit Hesekiel sowie über den zeitlichen Fortgang seiner Offenbarungen für den Propheten, für sein Volk und für uns. Die zeitliche Reihenfolge der Prophetien orientiert sich hierbei nicht immer exakt an der Geschichte der alten Nation Israels, folgt aber dennoch einer geistlichen Linie. Über die Lebensdauer und das Ende Hesekiels berichtet uns die Bibel nichts, denn sein Buch endet einfach mit der Darstellung seiner Tempelvision.
2Kö 24,8: „Jojachin war 18 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte drei Monate lang in Jerusalem. Und der Name seiner Mutter war Nehusta, die Tochter Elnathans von Jerusalem.“
2Kö 24,14-16: „Und er führte ganz Jerusalem gefangen hinweg, nämlich alle Obersten und alle kriegstüchtigen Männer, 10 000 Gefangene, auch alle Handwerker und alle Schlosser, und ließ nichts übrig als das geringe Volk des Landes. So führte er Jojachin nach Babel hinweg, auch die Mutter des Königs und die Frauen des Königs und seine Kämmerer. Dazu führte er die Mächtigen des Landes von Jerusalem gefangen nach Babel, auch alle Kriegsleute, 7 000, dazu die Handwerker und die Schlosser, [im ganzen] 1 000, alles kriegstüchtige Männer; und der König von Babel brachte sie gefangen nach Babel.“
2Chr 36,9-10: „Es war nach 8 Jahren, dass Jojachin König wurde, und er regierte drei Monate und zehn Tage lang in Jerusalem. Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN. Aber um die Jahreswende sandte der König Nebukadnezar hin und ließ ihn nach Babel holen samt den kostbaren Geräten des Hauses des HERRN; und er machte Zedekia, seinen Bruder, zum König über Juda und Jerusalem.“
Der Nachfolger Jekonjas war sein Onkel Mattanja, welcher von Nebukadnezar eingesetzt und in Zedekia umbenannt wurde. Die dritte Wegführung geschah kurz nach der Zerstörung der Stadt Jerusalem und des Tempels im elften Jahr dieses Zedekia. Zedekias Söhne wurden getötet und er selbst nach Babel verschleppt, was das endgültige Ende der Dynastie des Hauses Davids bedeutete. Es war zugleich das elfte Jahr der Wegführung Hesekiels, welcher ja zusammen mit Jekonja weggeführt worden war, wie wir bereits gesehen haben. Einige Monate später kam dann der Flüchtling aus Jerusalem zu Hesekiel nach Babel und berichtete ihm im zwölften Jahr seiner Wegführung von dem Untergang der Stadt.
2Kö 24,18: „Zedekia war 21 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte 11 Jahre in Jerusalem. Und der Name seiner Mutter war Hamutal; [sie war] die Tochter Jeremias von Libna.“
2Kö 25,2-12: „Und die Stadt wurde belagert bis ins elfte Jahr des Königs Zedekia. Am neunten Tag des [vierten] Monats aber wurde die Hungersnot in der Stadt so stark, dass das einfache Volk nichts zu essen hatte. Da brach [der Feind] in die Stadt ein, und alle Kriegsleute flohen bei Nacht durch das Tor zwischen den beiden Mauern, beim Garten des Königs; und da die Chaldäer rings um die Stadt her lagen, zog man den Weg zur Arava. Aber das Heer der Chaldäer jagte dem König nach und holte ihn ein auf den Ebenen von Jericho, nachdem sein ganzes Heer sich von ihm zerstreut hatte. Sie aber fingen den König und führten ihn hinauf zum König von Babel nach Ribla, und man sprach das Urteil über ihn. Und sie metzelten die Söhne Zedekias vor dessen Augen nieder; danach stachen sie Zedekia die Augen aus und banden ihn mit zwei ehernen Ketten und führten ihn nach Babel. Und am siebten Tag des fünften Monats – das ist das neunzehnte Jahr Nebukadnezars, des Königs von Babel – kam Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, der Diener des Königs von Babel, nach Jerusalem, und er verbrannte das Haus des HERRN und das Haus des Königs und alle Häuser von Jerusalem, ja, alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer. Und das ganze Heer der Chaldäer, das bei dem Obersten der Leibwache war, riss die Mauern von Jerusalem ringsum nieder. Den Überrest des Volkes aber, der in der Stadt noch übrig geblieben war, und die Überläufer, die zum König von Babel übergegangen waren, und den Überrest der Menge führte Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, hinweg. Doch von den Geringsten im Land ließ der Oberste der Leibwache Weingärtner und Ackerleute zurück.“
Hes 33,21: „Und es geschah im zwölften Jahr, am fünften Tag des zehnten Monats unserer Gefangenschaft, da kam ein Entflohener von Jerusalem zu mir und sprach: Die Stadt ist geschlagen!“
Die vierte Wegführung geschah etwa zwei Monate nach der dritten Wegführung, unmittelbar folgend auf die Ermordung des Statthalters Gedalja. In dieser Wegführung wurde der Prophet Jeremia nach Ägypten mitgenommen, wo er nach jüdischer Tradition durch die Hand seines eigenen Volkes starb. Hesekiel selbst überlebte diese letzte Wegführung um mindestens sechzehn Jahre, denn seine letzte datierte Prophetie stammt aus dem siebenundzwanzigsten Jahr der zweiten Wegführung. Hinzu kommen noch etliche undatierte Prophetien in allen Teilen seines Buches.
2Kö 25, 25-26: „Es geschah aber im siebten Monat, da kam Ismael, der Sohn Netanjas, des Sohnes Elischamas, von königlichem Geschlecht, und zehn Männer mit ihm; und sie schlugen Gedalja tot, dazu die Juden und die Chaldäer, die in Mizpa bei ihm waren. Da machte sich das ganze Volk, Klein und Groß, mit den Heerführern auf, und sie zogen nach Ägypten; denn sie fürchteten sich vor den Chaldäern.“
Jer 43,5-7: „Und Johanan, der Sohn Kareachs, und alle Heerführer nahmen den ganzen Überrest von Juda, die aus allen Völkern, in die sie vertrieben worden waren, zurückgekehrt waren, um im Land Juda zu wohnen: Männer, Frauen und Kinder, die Königstöchter und alle Seelen, die Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, bei Gedalja, dem Sohn Achikams, des Sohnes Schaphans, gelassen hatte; auch den Propheten Jeremia und Baruch, den Sohn Nerijas, und sie zogen in das Land Ägypten; denn sie waren der Stimme des HERRN nicht gehorsam. Und sie kamen bis Tachpanches.“
Hes 29,17: „Und es geschah im siebenundzwanzigsten Jahr, im ersten Monat, am ersten Tag des Monats, da erging das Wort des HERRN an mich folgendermaßen:“
Hiermit sind wir am Ende unserer etwas ausführlicheren Vorbetrachtungen angelangt, mit deren Hilfe es uns gelingen wird, die Kapitelfolge und die Abfolge der Visionen Hesekiels sowohl in historischer als auch in geistlicher Hinsicht richtig einzuordnen. Wir möchten nun die einzelnen Kapitel kurz durchgehen. Dies soll allerdings nicht in Form einer Vers-für-Vers-Betrachtung geschehen, da sonst ein Kommentar vom Volumen eines Handbuches entstehen würde. Für interessierte Leser findet sich im Literaturverzeichnis der Verweis auf einen guten und ausführlichen Kommentar. Andererseits wird es dennoch so sein, dass einzelne Verse zum besseren Verständnis des Gedankenganges hervorgehoben werden, und dass auch kurzgefasste Exkurse in andere Bibelbücher unternommen werden. Der Schreiber hat ernstlich zum Herrn Jesus Christus gebetet um geistliche Leitung bei der Niederschrift und um geistlichen Segen vom Herrn selbst für jeden Leser / jede Leserin. Und nun los.
Kapitel 1
Das Buch beginnt ohne Vorrede mit einem gewaltigen Paukenschlag. Wir befinden uns im fünften Jahr der Wegführung Jekonjas, also etwa sechs Jahre vor dem Fall der Stadt Jerusalem und des Tempels. Hesekiel ist etwa dreißig Jahre alt (Vers 1) und befindet sich am Fluss Kebar, als aus dem Nichts heraus ein gewaltiger Sturm von Norden kommt. Die Feuerwalze Gottes rollt mit voller Macht auf ihn zu. Hesekiel ist komplett erledigt und kraftlos, er fällt voller Furcht und Zittern zu Boden. Er hat es sich nicht selbst ausgesucht. Die allmächtige Hand Gottes ergreift ihn einfach und beruft ihn ohne Widerrede zum Dienst. Es wird ein Dienst sein, welcher ihn durch Finsternisse und Einsamkeit führen wird, ein Dienst, durch welchen er für längere Zeit zum Feind, ja sogar zum Schauspiel und zum Gespött des ganzen Volkes werden wird. Solch einen Dienst kann kein Mensch ohne weiteres tun, denn er würde sich täglich vor den anderen Menschen fürchten und schämen. Hesekiel wird hier von seiner Menschenfurcht befreit, indem er eine noch viel größere Furcht kennenlernt, nämlich den Schrecken des allmächtigen Gottes. Hier erkennen wir ein Prinzip, welches sich durch den Dienst bedeutender Männer Gottes in der ganzen Bibel hindurchzieht.
Jesaja wurde berufen zu einem Dienst von etwa fünfzig Jahren Dauer, welcher nach jüdischer Überlieferung letztlich mit seiner grausamen Hinrichtung durch den König Manasse endete. Schon zu Beginn wurde ihm von Gott gesagt, dass das Volk sich nicht retten lassen würde, und dass die Städte in Trümmer fallen würden. So geschah es auch in der assyrischen Invasion. Um seinen Diener zum Dienst zu befähigen, musste Gott sich dem Propheten in Jesaja 6 zuerst in seiner furchterregenden Herrlichkeit und vollkommenen Heiligkeit zeigen. Der Prophet verlor die Menschenfurcht, indem er die Gottesfurcht in vollem Umfang kennenlernte. Er fiel völlig kraftlos zu Boden und wurde durch die feurige Kohle vom Altar Gottes wiederhergestellt. Danach konnte er nur noch ein Wort zu Gott sagen: „Hier bin ich, sende mich!“ (Jes 6,8).
Jeremia wurde als ein Jugendlicher berufen, indem Gott zu ihm sprach und ihm danach eine furchterregende Gerichtsvision gab: den siedenden Topf aus dem Norden, welcher über das ganze Land ausgeschüttet wurde. Jeremia wollte oft nicht mehr weitergehen, denn sein Dienst war extrem langwierig, schwer und einsam. Gott ließ ihn aber nicht zur Ruhe kommen. Jeremia wurde gleichsam innerlich zerrissen und verbrannt, wenn er zu schweigen versuchte. Er musste reden, er konnte nicht anders. Gott legte sein verzehrendes Feuer und seine ausharrende Liebe zu dem ungehorsamen Volk Jerusalems in das Innere des Herzens dieses jungen Propheten hinein.
Daniel hatte während seines langen Dienstes wiederholte Visionen, welche ihn kraftlos zu Boden fallen ließen. Auch er konnte seine gewaltigen Prophetien nur aufschreiben und weitersagen, weil er die unendliche Macht und Herrlichkeit des wahren Gottes des Himmels und der Erde kennengelernt hatte, in deren Licht jede menschliche Gegnerschaft unbedeutend wurde.
Paulus wurde als ein grimmiger Verfolger der ersten Christen auf dem Weg nach Damaskus buchstäblich aus heiterem Himmel durch den Lichtblitz Gottes zu Boden gefällt. Betäubt, geblendet und kraftlos musste er das Wort Gottes anhören. Er sah den Gerechten, den auferstandenen Herrn Jesus Christus und wurde ebenfalls ohne Widerrede zum Dienst bestimmt. In diesem Dienst, welchen er ohne Unterlass ausübte, wurde er zum Evangelisten der Nationen und zum Märtyrer. Er war am Ende seines Lebens in der Kraft Gottes zu einem Diener herangereift, den keine äußerlichen Umstände und kein Mensch mehr erschüttern konnten. Auch er hatte alle Menschenfurcht verloren, nachdem er den Schrecken, aber auch die Gnade Gottes kennengelernt hatte.
Der Apostel Johannes sah im hohen Alter in der Verbannung auf Patmos die mächtige Erscheinung des Herrn Jesus Christus, des Richters über die Lebendigen und die Toten. Auch er fiel zu Boden und war völlig kraftlos. Auch er musste aufgerichtet werden, um seinen darauf folgenden großartigen Dienst ausführen zu können, nämlich die Niederschrift der Offenbarung. Auch bei ihm gab es keine Widerrede mehr.
Und nun zurück zur Vision Hesekiels. Aus der Beschreibung erkennen wir, dass es sich hier um den Thron Gottes handelt, welcher von den Cherubim getragen wird und auf welchem der Herr sitzt. Hesekiel hat eine Theophanie in menschlicher Form, in welcher er den Herrn lange Zeit vor seiner Fleischwerdung in menschenähnlicher Gestalt erblicken darf. Auch der Regenbogen wird erkennbar und erinnert uns natürlich an:
1Mo 9,13-17: „Meinen Bogen setze ich in die Wolken, der soll ein Zeichen des Bundes sein zwischen mir und der Erde. Wenn es nun geschieht, dass ich Wolken über der Erde sammle, und der Bogen in den Wolken erscheint, dann will ich an meinen Bund gedenken, der zwischen mir und euch und allen lebendigen Wesen von allem Fleisch besteht, dass künftig die Wasser nicht mehr zur Sintflut werden sollen, die alles Fleisch verdirbt. Darum soll der Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und an den ewigen Bund gedenke zwischen Gott und allen lebendigen Wesen von allem Fleisch, das auf der Erde ist! Und Gott sprach zu Noah: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch, das auf der Erde ist.“
Gott gibt sich dem Propheten somit in besonderer Weise als Herr des Himmels und der Erde zu erkennen, der alles in seiner Hand hat. Die vier Gesichter der Cherubim bestätigen diesen Gedanken. Der Löwe ist der König der wilden Tiere, der Stier ist der König der domestizierten Tiere (der Nutztiere), der Adler ist der König der Lüfte, der Mensch ist als Herr über Gottes Erde eingesetzt (obwohl er im Sündenfall diesen Auftrag vernachlässigt hat). Gott selbst thront über den Cherubim und ist der Herr über alles. Dieser Herr zeigt sich uns im Fleisch, wenn wir die Evangelien lesen. Auch dort finden wir die Entsprechung, denn Gott selbst ist in dem Herrn Jesus Christus als Mensch in seine Schöpfung eingetreten. Matthäus zeigt uns den Löwen von Juda, den König Israels. Markus zeigt uns den Stier, den treuen Diener. Lukas zeigt uns den Herrn in seiner Mitmenschlichkeit, den Menschen Jesus Christus. Johannes zeigt uns schließlich den Adler, den Sohn des Vaters, Gott und Mensch vom Himmel. Zwei weitere Bibelworte sollen an diese Stelle erwähnt werden.
Ps 99,1: „Der HERR regiert als König – die Völker erzittern; er thront über den Cherubim – die Erde wankt!“
Mt 5,34-35: „Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron, noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.“
Es gibt bis in unsere Zeit hinein sowohl unter den Christen als auch den Nichtchristen unterschiedliche Ansichten über die tatsächliche Gestalt der Erde, des Himmels, der Himmelskörper und der Unterwelt. Das heliozentrische Weltbild mit der Sonne im Zentrum, mit der kugelförmigen Erde und den Planeten, welche Teil einer gewaltigen Galaxie inmitten eines noch viel gewaltigeren Universums mit Milliarden solcher Galaxien sind, ist seit der Renaissance die alles beherrschende Weltsicht. Hier sind Namen zu nennen wie Galilei, Kopernikus, Kepler, Newton und andere.
Es gibt allerdings auch in unserer Zeit noch immer Menschen, die anderer Ansicht sind. Sie glauben, dass die Erde nicht kugelförmig sei, sondern abgeflacht, und dass Sonne, Mond und Sterne auf festgelegten Bahnen am Himmelsgewölbe unterwegs sind. Christen welche diese Ansicht vertreten, sehen in der Vision unseres Kapitels eine Schau der ganzen Welt, welche Hesekiel gezeigt bekam. Gott thront im Himmel über dem Kreis der Erde, die sein Fußschemel ist. Er schaut herab auf die Menschenkinder. Die Cherubim sind die Säulen der Erde und tragen sie. Auf eine weitere Diskussion der soeben angesprochenen Ansicht soll an dieser Stelle ganz bewusst verzichtet werden, denn sie sind nicht das bestimmende Thema des vorliegenden Textes. Wir kommen damit zum nächsten Kapitel.
Kapitel 2
Hier wird der Prophet von Gott mit den zu erwartenden Begleitumständen seines Dienstes bekannt gemacht. Er wird nicht in ferne Länder mit fremden Sprachen zu reisen haben, sondern er wird in seiner unmittelbaren Umgebung in seiner eigenen Sprache zu dem halsstarrigen Volk der bereits von den Assyrern und Babyloniern vertriebenen Israeliten reden. Gott lässt kein gutes Haar an diesem Volk und bereitet den Propheten auf den äußeren Misserfolg des Dienstes vor. Er soll das Wort reden, mögen sie es hören oder mögen sie es lassen (Vers 7). Hier finden wir Hesekiel erneut in der geistlichen Gemeinschaft mit Jesaja und Jeremia, welchen ebenfalls schon im Voraus der äußerliche Misserfolg ihres Dienstes angekündigt wurde.
Man stellt sich zwangsläufig die Frage, warum die Propheten Gottes dann überhaupt noch einen Dienst tun sollten. Es war doch anscheinend sowieso alles umsonst! Die Antwort liegt darin, dass Gott das Zeugnis seines Wortes in allen äußeren Umständen verkündigen lässt. Der Herr Jesus Christus selbst war der treue und wahrhaftige Zeuge. Dennoch wurde er am Ende seines irdischen Dienstes von allen Jüngern verlassen. Am Kreuz von Golgatha wurde der Mensch Jesus Christus sogar von Gott verlassen, als das ganze Gericht über die Sünde auf ihm lag! In tiefster Finsternis vollbrachte er das größte Erlösungswerk aller Zeiten, ohne dass auch nur ein einziges menschliches Auge es wahrgenommen hätte!
Gott lässt sein Zeugnis verkündigen um seines Namens willen, zu seiner eigenen Ehre und aufgrund seiner eigenen Wahrhaftigkeit. Er schaut nicht in erster Linie auf die äußerlich sichtbaren Ergebnisse eines Dienstes (obwohl auch diese am Ende offenbar sein werden), sondern auf die Treue im Herzen des Dieners. Hesekiel diente zeitgleich mit Jeremia und Daniel. Alle drei Männer wurden letztlich abgelehnt. Sie konnten äußerlich betrachtet die Katastrophe in Jerusalem nicht verhindern. Die Auswirkungen ihres treuen Dienstes reichen jedoch bis in unsere Gegenwart hinein, denn in ihren Büchern ist eine Fülle von Gedanken des ewigen Gottes niedergeschrieben, von welcher die Gläubigen noch immer größten Nutzen haben können. Gott sieht bis heute die Frucht des Dienstes dieser Männer, auch wenn sie selbst diese Frucht nicht erkennen konnten. Sie werden am letzten Tag vor dem Thron Gottes ihren ewigen Lohn empfangen.
Genauso war und ist es auch für zahlreiche Christen. Unter oftmals demütigenden Umständen tun sie ihren Dienst für den Herrn. Nur wenige sind gefeierte Prediger, um deren Gegenwart man sich reißt. Viele leben in einfachen alltäglichen Umständen und geben das Wort Gottes an die Menschen in ihrer Umgebung weiter. Oftmals werden sie dafür verachtet und ausgegrenzt, nicht selten auch schwer verfolgt. Der Herr sieht aber die Treue ihrer Herzen, und auch sie werden ihren Lohn nicht verlieren. Dieses Bewusstsein kann jeden von uns dazu ermutigen, dem Herrn auch dann zu dienen, wenn es schwierig wird. Es wird uns auch dann innerlich aufrechterhalten, wenn in unseren äußeren Umständen alles trostlos bleibt und wenn wir nicht die geringste äußerliche Frucht unserer Bemühung erkennen können.
Kapitel 3
Hier wird Hesekiel auf den Inhalt und den Ablauf seines Dienstes vorbereitet. Der Sinnzusammenhang dieses Kapitels beginnt eigentlich schon in Kapitel 2,8-10. Hesekiel bekommt eine Buchrolle, die er essen muss. In seinem Mund ist sie süß wie Honig. Es zeigt sich hier eine unverkennbare Parallele zum Dienst des Apostels Johannes, welcher in Off 10,9-11 das Gleiche tun muss. Die Rolle symbolisiert in beiden Fällen das Wort Gottes. Der Prophet muss es ebenso wie der Apostel essen, und es schmeckt süß wie Honig. Danach aber muss er es verdauen und verkündigen. Diese Verkündigung hat teilweise sehr bittere Auswirkungen für den Propheten. So war es immer mit dem Wort Gottes. Auch heute verkündigen die Christen das süße Wort der Errettung. Zugleich müssen sie sich jedoch darauf einstellen, dass ihr Wort abgelehnt wird und dass sie selbst bisweilen Bitterkeit und Verfolgungen von Seiten vieler Menschen zu erleiden haben. Im irdischen Dienst des Herrn war es nicht anders.
In den Versen 4-11 wird Hesekiel erneut ermutigt und auf die Halsstarrigkeit des Volkes hingewiesen. Gott hat jedoch die Stirn des Propheten hart wie Diamant gemacht (Vers 9), so dass er den Gegnern in der Kraft Gottes standhalten kann. Er muss seinen Dienst ausrichten, unabhängig von sichtbaren Ergebnissen. Genau in der gleichen Position wie Hesekiel befindet sich auch Jeremia, welcher zu gleicher Zeit in Jerusalem einem ebenso bösen und halsstarrigen Volk gegenüberstehen muss:
Jer 1,18-19: „Siehe, ich mache dich heute zu einer festen Stadt und zu einer eisernen Säule und zu einer ehernen Mauer gegen das ganze Land, gegen die Könige von Juda, gegen ihre Fürsten, gegen ihre Priester und gegen das Volk des Landes; sie werden zwar gegen dich kämpfen, aber sie werden dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, spricht der HERR, um dich zu erretten!“
Hier müssen wir uns bewusst machen, dass ein echter prophetischer Dienst bisweilen zur Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Verhärtung bei den Zuhörern führen kann. Auch dies ist ein Resultat des echten prophetischen Dienstes: Er trennt die Spreu vom Weizen! Der Weizen geht am letzten Tag in die Scheunen Gottes, die Spreu wird verbrannt. Die Botschaft dieser Verse geht somit klar und deutlich an die Verkündiger des Wortes in unseren heutigen Gemeinden. Ein Prediger, der das Wort Gottes verfälscht oder abstumpft, weil er zahlenmäßige Verluste in der Gemeinde scheut, weil er sich ungerechtfertigte Gedanken über mögliche emotionale Auswirkungen der Verkündigung macht oder sich gar selbst als Person nicht unbeliebt machen möchte, ist am falschen Ort. Kein Prediger sollte davon ausgehen, dass alle seine Zuhörer errettet sind und das ewige Leben bereits besitzen. Er sollte vielmehr auch in der Gemeinde regelmäßig das Evangelium verkündigen und die Gottlosen warnen, so wie es auch dem Propheten Hesekiel in den Versen 16-21 unseres Kapitels befohlen wird. Jede Gemeinde hat eine Mauer mit Toren, und auf dieser Mauer muss der Prediger als ein Wächter Gottes stehen. Dieses Konzept ist das genaue Gegenteil der heute in zahlreichen Gemeinden praktizierten Besucherfreundlichkeit um jeden Preis. Natürlich sollen wir einerseits den Menschen nicht unfreundlich oder abweisend begegnen. Die Tore müssen immer offen gehalten werden. Andererseits darf jedoch die Wahrheit des Evangeliums und der Gemeindezucht nicht in übertriebener Freundlichkeit untergehen. Die Gemeinde ist nicht eine Partyzone für Festivitäten sondern die Stadt, der Tempel und das Haus Gottes. Wer bleiben möchte darf gerne bleiben, und wer gehen will, der soll eben gehen.
Die Verse 22-27 sind sehr ernst. Hesekiel sieht erneut die furchterregende Erscheinung Gottes wie in Kapitel 1, und Gott verordnet ihm eine völlige Absonderung vom Volk. Damit jedoch noch nicht genug. Hesekiel kommt in eine von Gott gewirkte Stummheit hinein. Für die kommenden sechs Jahre wird er den Mund gegenüber dem Volk nur dann auftun können, wenn Gott selbst sein Wort hineingelegt hat. Alltagskonversationen mit dem bösen Volk werden für den Propheten nicht mehr möglich sein. Hesekiel wird seinen Mund nur noch dann öffnen können, wenn Gott selbst dem Volk durch diesen Mund etwas mitzuteilen hat. Der Prophet gerät dadurch in eine nahezu vollständige Isolation hinein, und nur noch seine Frau ist bei ihm. Wir wissen nicht, ob die Stummheit des Propheten auch in seiner Ehe bestand. Wenn ja, wie schwer wird diese Last wohl für den Propheten und seine Frau gewesen sein. Die Stummheit endete erst am Morgen des Tages, an welchem Hesekiel die Nachricht vom Fall der Stadt bekam.
Hes 33,21-22: „Und es geschah im zwölften Jahr, am fünften Tag des zehnten Monats unserer Gefangenschaft, da kam ein Entflohener von Jerusalem zu mir und sprach: Die Stadt ist geschlagen! Aber die Hand des HERRN war auf mich gekommen an dem Abend, ehe der Entflohene zu mir kam, und er hatte mir den Mund aufgetan, als jener am Morgen zu mir kam; und der Mund wurde mir aufgetan, sodass ich nicht mehr stumm war.“
Die geistliche Bedeutung ist klar. Es war im Volk so weit gekommen, dass keine Umkehr mehr möglich war. Gott hatte mit diesem Volk keinen freundlichen und vertrauten Umgang mehr. Er hatte dem Volk nichts anderes mehr zu sagen als nur die harten Worte aus dem Mund des Propheten. In den nachfolgenden Kapiteln musste Hesekiel dann zeichenhafte Handlungen ausführen, welche das kommende Gericht über die Stadt Jerusalem und den Tempel illustrierten. Zunächst verstand der Prophet dieses zeichenhafte Handeln selbst nicht, aber Gott erklärte es ihm. Die zeichenhaften Handlungen waren für das Auge des Betrachters zunächst äußerst seltsam, und sie führten den Propheten sicherlich noch weiter in die Isolation hinein. Wahrscheinlich gab es auch viele Spötter, die den Propheten mehr und mehr verachteten. In den Kapiteln 8 bis 11 erfuhr Hesekiel dann in weiteren Visionen, wie es in Jerusalem tatsächlich aussah und warum Gott so handelte wie er es tat.
Auf unsere Zeit ist dieser Gedanke ebenso anwendbar. Es kann in der Welt eine Zeit kommen, in welcher Gott einem ungehorsamen und gerichtsreifen Volk nichts anderes mehr zu sagen hat als nur noch genau diese Botschaft des Gerichts. Es kommt dann keine Erweckung mehr, sondern nur noch der plötzliche Untergang. Niemand vermag in unserer Zeit zu sagen, ob dieser Zustand in unseren westlichen Gesellschaften wieder einmal eingetreten ist oder nicht. Dennoch sollen wir die Hoffnung nicht verlieren.
Kapitel 4
Hier finden wir die erste zeichenhafte Handlung. Hesekiel muss die Belagerung der Stadt Jerusalem darstellen. Eine eiserne Pfanne soll den Belagerungswall symbolisieren. Er soll 390 Tage auf seiner linken Seite liegen, um die Schuld des Hauses Israel zu tragen. Die linke Seite repräsentierte in Israel den Norden, wenn der Betrachter nach Osten blickte. Hier geht es also geistlich gesprochen um das Nordreich. Danach soll der Prophet 40 Tage auf der rechten Seite liegen, welche den Süden und das Südreich mit Jerusalem repräsentiert. Einige Falschpropheten sind in den letzten Jahrzehnten im evangelikalen Raum aufgetreten, welche in ihren Veröffentlichungen mit komplizierten Berechnungen auf der Grundlage der beiden soeben genannten Zahlen konkrete Daten für das Kommen des Herrn berechnen wollten. Diese Berechnungen haben teilweise sogar zur Gründung von Sekten geführt. Wir werden nicht näher darauf eingehen, sondern den Text einfach so stehen lassen.
Die Art und Weise, auf welche der Prophet seine Nahrung zubereiten muss (Verse 8-15) deutet auf die völlige Verunreinigung des Volkes in Gottes Augen hin sowie auf die Tatsache, dass das Volk vertrieben werden und sein Brot unter den unreinen Nationen essen wird. Weiterhin wird auch die kommende Hungersnot bei der Belagerung Jerusalems angekündigt. Hesekiel muss somit klar anzeigen, dass es diesmal kein Entrinnen mehr geben wird für Juda und Jerusalem. Dieselbe Botschaft wird zeitgleich in Jerusalem von Jeremia unter der Herrschaft des Königs Zedekia verkündigt. Wie wir bereits gesehen haben, deckt der Dienst Hesekiels bis Kapitel 33 des Buches genau diese Zeitperiode in Jerusalem ab.
Kapitel 5
Hier kommt die zweite zeichenhafte Handlung. Hesekiel muss sich das Haar abrasieren, es in drei Teile aufteilen und entsprechend damit verfahren: Verbrennung im Feuer, Zerschneidung mit dem Schwert, Zerstreuung in den Wind. Die Vision sagt die schrecklichen Umstände der Belagerung Jerusalems voraus, welche innerhalb von vier Jahren im neunten Jahr Zedekias beginnen werden. Ein Drittel des Volkes wird durch wilde Tiere, durch Hunger und Pest sterben, ja es wird sogar zu Kannibalismus in der belagerten Stadt kommen. Ein anderes Drittel wird in der Stadt und der unmittelbaren Umgebung durch das Schwert umkommen. Das letzte Drittel wird in alle Winde zerstreut werden und auch dort noch vom Schwert verfolgt sein. Die Verse 15 und 17 bringen zweimal hintereinander die gleiche Aussage: „Ich der Herr habe es gesagt!“ Gott ist entschlossen. Es gibt kein Zurück mehr. Einen kleinen Teil der Haare darf der Prophet im Gewandbausch aufbewahren: Es wird einen Überrest geben.
Eine sehr ähnliche geistliche Aussage bringt uns im Neuen Testament das Buch der Offenbarung. Wir finden dort zuerst die Siegel Gottes. Sie symbolisieren Verfolgungen der Christen durch die Welt, aber auch allgemeine Schwierigkeiten und Bedrohungen der menschlichen Existenz in dieser gefallenen Welt. Die Christen haben unter den Lebensumständen der Welt oftmals genauso zu leiden wie die Nichtchristen. Die Posaunen folgen auf das Gebet der Christen zu Gott um Hilfe in den Verfolgungen unter dem letzten Siegel. Sie repräsentieren warnende Gerichte über die Verfolger der Christen und über alle gottlosen Menschen. Sie zerstören jeweils nur ein Drittel. Noch ist Zeit zur Umkehr, aber leider kehren die Gottlosen nicht um (Off 9,21). Als letztes folgen dann die Schalengerichte. Sie kommen ohne Ankündigung über die gottlose Menschheit. Sie bringen die Vernichtung, denn sie zerstören nicht nur ein Drittel, sondern alles. Wenn ein gottloser Mensch, ein gottloses Volk oder eine gottlose Welt auf die Siegel und auf die Posaunen nicht mit echter Umkehr zu Gott reagiert hat, dann folgt am Ende der Untergang. Gott ist entschlossen. Es gibt kein Zurück mehr.
Kapitel 6
Hesekiel muss das Gericht über das gesamte Land und über seine Bewohner verkündigen. Dieses Gericht wird wegen des Götzendienstes des Volkes kommen. Das Volk hat trotz aller Warnungen nicht gehört. Es soll dennoch wissen, was der Grund für das Gericht sein wird. Hesekiel muss ihn offen ankündigen. Wie viel Feindschaft ihm das wohl unter den Leuten eingetragen haben wird. Für uns ist es heute nicht anders. Das echte Evangelium beginnt mit dem Zorn Gottes, mit der Verlorenheit des Sünders und mit dem kommenden Gericht über alle Menschen. Die Menschen müssen an einen Punkt kommen, an dem sie ihre Schuld und ihre Verlorenheit erkennen. Erst danach kann das Wort der Rettung verkündigt werden, denn nur verlorene Sünder brauchen wirklich Rettung. Die Verkündigung des kommenden Gerichtes Gottes hat auch in der Geschichte der Christenheit immer wieder zur Verfolgung der Verkündiger geführt. Bis heute hat sich das nicht geändert. Wer das Evangelium vollständig verkündigt, muss in der einen oder anderen Form mit dem Widerstand oder sogar der Feindschaft der Menschen rechnen.
Kapitel 7
Dieses Kapitel kann sehr kurz abgehandelt werden. Das Volk hätte sich noch immer einbilden können, dass Gott das sichere Gericht zwar ankündigt, es aber dennoch aufschiebt. Der Herr sagt hier dem Propheten wieder und wieder, dass es nun keinen Aufschub mehr geben wird („Es kommt, … es kommt, … es kommt!“). Hesekiel muss es verkündigen. Er kann es nur tun, weil er durch die Erfahrung des Schreckens Gottes jede Menschenfurcht verloren hat.
Kapitel 8
Wir befinden uns nun im sechsten Jahr der Wegführung (Vers 1), also drei Jahre vor dem Beginn der Belagerung und fünf Jahre vor dem endgültigen Untergang der Stadt Jerusalem. Der Prophet wird im Geist von einer feurigen Gestalt ergriffen und nach Jerusalem transportiert. Er bekommt eine genaue Vision, in welcher er die Einzelheiten des Götzendienstes schauen muss: Das Götzenbild der Eifersucht am inneren Nordtor, nördlich vom Altartor, die gemalten Götzenbilder in den Kammern des inneren Vorhofs, den Tammuzkult der Frauen am nördlichen Toreingang, die Sonnenanbetung zwischen der Tempelhalle und dem Altar. Der Prophet muss hier erkennen, dass die religiösen Führer des Volkes den Götzenkult der Nationen bis in das Heiligtum Gottes hineingetragen haben und ihn im Verborgenen ausüben. Sie meinen, dass Gott sie nicht sieht. Sie erkennen nicht, dass ihr Götzendienst buchstäblich zum Himmel schreit und dass sie keine Gnade mehr von Gott zu erwarten haben. Das Gericht steht fest. Innerhalb von fünf Jahren wird es vollzogen.
Auch in der heutigen Christenheit mit ihren unzähligen religiösen Strömungen haben sich der Götzendienst und die falsche Religiosität im großen Stil eingenistet, ja ausgebreitet. Es ist oftmals nicht mehr zu unterscheiden, wer dem Herrn wirklich angehört und wer nicht. Die großen Kirchen vereinigen sich auf internationaler Ebene immer mehr und betreiben auf ihren gewaltigen Tagungen in vielerlei Hinsicht Götzendienst. Die klaren Aussagen der Bibel werden zunehmend relativiert, es werden mittlerweile sogar grobe Bibelverfälschungen in den Mainstream eingeleitet. Der Tempel Gottes im Neuen Testament, die Gemeinde Christi, ist zerstreut in den verschiedensten Denominationen und kämpft gegen alle Arten von Verunreinigung und Irrlehren. Letztlich gibt es für dich und mich, lieber Bruder / liebe Schwester nur noch einen Weg. Jeder von uns muss seine eigene Stellung vor dem Herrn festmachen. Wir alle müssen unser Leben reinigen von der Sünde, so schwierig das auch erscheinen mag. Wir müssen unser Herz und unser Denken auf den Herrn und auf sein Wort ausrichten. Wir müssen den Herrn ernstlich bitten, uns im Heiligen Geist zu dieser Lebenshaltung zu befähigen und uns zu bewahren, bis er kommt. Ich muss bekennen, dass ich in dieser Hinsicht noch viel zu tun habe. Wie sieht es bei dir aus?
Kapitel 9
Hier sieht Hesekiel in einer schrecklichen Vision, wie die Engel des Gerichtes Gottes ein Malzeichen an den Stirnen der Gläubigen in Jerusalem anbringen sollen und wie sie danach alle Bewohner ohne das Malzeichen erwürgen. Hesekiel erschrickt sehr als er erkennt, dass nur er allein übriggeblieben ist! Das bedeutet nämlich, dass in der ganzen Stadt niemand gewesen ist, der über die Gräuel und den Götzendienst geklagt hätte, so dass er das Malzeichen Gottes hätte empfangen können. Gott bestätigt dies in Vers 9. Trotz der tiefen Finsternis der Vision müssen wir dennoch darauf hinweisen, dass wir hier in der Heiligen Schrift einen klaren Antitypus (ein Gegenbild) zu etwas haben, was wir an vier Stellen im Buch der Offenbarung finden.
Off 13,16-17: „Und es bewirkt, dass allen, den Kleinen und den Großen, den Reichen und den Armen, den Freien und den Knechten, ein Malzeichen gegeben wird auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn, und dass niemand kaufen oder verkaufen kann als nur der, welcher das Malzeichen hat oder den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.“
Hier werden diejenigen an der Stirn (oder an der rechten Hand) gekennzeichnet, welche gottlos sind. Das Prinzip ist deutlich geoffenbart als eine geistliche Kennzeichnung. Der Satan könnte in der letzten Zeit jedoch auch den Versuch unternehmen, durch die Hand eines von ihm gelenkten menschlichen Weltdiktators diese geistliche Kennzeichnung durch ein materielles Malzeichen zu ergänzen. Auch dieses Zeichen müsste dann von den Gläubigen abgelehnt werden.
Off 14,1: „Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion, und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, die trugen den Namen seines Vaters auf ihren Stirnen geschrieben.“
Die Zahl hundertvierundvierzigtausend (12 mal 12 mal 10 mal 10 mal 10) symbolisiert die Gesamtheit aller Erlösten und Geheiligten des alten und neuen Bundes nach Gottes Plan. Sie tragen als geistliches Kennzeichen den Namen des Vaters an der Stirn und stehen mit dem Herrn auf dem himmlischen Zionsberg.
Off 14,9-11: „Und ein dritter Engel folgte ihnen, der sprach mit lauter Stimme: Wenn jemand das Tier und sein Bild anbetet und das Malzeichen auf seine Stirn oder auf seine Hand annimmt, so wird auch er von dem Glutwein Gottes trinken, der unvermischt eingeschenkt ist in dem Kelch seines Zornes, und er wird mit Feuer und Schwefel gepeinigt werden vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm. Und der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit; und die das Tier und sein Bild anbeten, haben keine Ruhe Tag und Nacht, und wer das Malzeichen seines Namens annimmt.“
Hier erkennen wir, dass das Gericht für alle diejenigen unabwendbar ist, die nicht das Malzeichen des Herrn tragen, sondern das Malzeichen des Tieres an ihrer Stirn oder ihrer rechten Hand angenommen haben. Sie werden den Kelch des Grimmes Gottes trinken.
Off 20,4: „Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übergeben; und [ich sah] die Seelen derer, die enthauptet worden waren um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen, und die das Tier nicht angebetet hatten, noch sein Bild, und das Malzeichen weder auf ihre Stirn noch auf ihre Hand angenommen hatten; und sie wurden lebendig und regierten die 1 000 Jahre mit Christus.“
Hier sehen wir im Himmel alle bereits gestorbenen Heiligen des Gemeindezeitalters, welche sich gegenwärtig in der Gemeinschaft des Herrn bis zu seiner Wiederkunft befinden. Sie haben auf der Erde das Tier nicht angebetet, sein Bild und sein Malzeichen nicht angenommen. Sie haben sich weder in ihrem Denken (Stirn) noch in ihrem Handeln (rechte Hand) die Prinzipien des Satans zu eigen gemacht, sondern haben für den Herrn gelebt.
Auch in unserer Zeit wird es immer deutlicher werden, wer in seinem Denken (Malzeichen an der Stirn) und Handeln (Malzeichen an der rechten Hand) der Welt des Teufels angehört, und wer nicht. Auch in unseren Ländern werden die beiden Tiere (politisch-wirtschaftliche Weltmacht und religiöse, ideologisch-philosophische, pseudowissenschaftliche Weltmacht) immer aggressiver ihren Tribut und ihre Anbetung einfordern. Es könnte eine Zeit kommen, in welcher es Gott einem Weltdiktator im Dienst Satans erlauben wird, für kurze Zeit die Macht zu übernehmen. Wenn er ein äußeres Malzeichen anbieten und seine Annahme einfordern wird, dann werden wir es als Christen ablehnen, weil wir an unseren Stirnen bereits das geistliche Malzeichen des Herrn tragen. Dann wird vielleicht auch für uns in der westlichen Welt der Tag kommen, wo wir nur unter großen äußeren Verlusten, vielleicht auch mit Verlust des irdischen Lebens, die Treue zum Herrn aufrechterhalten können. Wir dürfen jedoch in allen Umständen fest darauf vertrauen und es wissen, dass der Herr die Seinen durch alle Drangsale hindurch, sei es durch Leben oder leiblichen Tod, hineinretten wird in sein ewiges Reich. (Zu einer genaueren Auslegung hinsichtlich des Malzeichens verweisen wir an dieser Stelle auf den Text: „Das Malzeichen des Tieres“ unter www.DieLetzteStunde.de.)
Kapitel 10
In diesem Kapitel beginnt die Herrlichkeit Gottes damit, sich zunächst aus dem Tempelbezirk Jerusalems zurückzuziehen. Die Engel streuen glühende Kohlen über die Stadt als Zeichen für das kommende Gericht, die Herrlichkeit Gottes erhebt sich und geht von der Schwelle des Tempels hinweg bis zum Eingang des östlichen Tores des Tempelbezirkes (Vers 18-19). Der Heilige Geist gibt uns noch einmal eine ganz ausführliche Beschreibung der Vision, so wie der Prophet sie auch in Kapitel 1 gesehen hat. Es ist fast so als würde Gott zögern, seine Herrlichkeit endgültig wegzunehmen. Es ist so als sei es noch immer schwer für das liebende Herz Gottes, sein treuloses Volk zu verlassen und es endgültig dem kommenden Gericht zu überantworten. Gottes Herrlichkeit blickt noch einmal zurück auf den gesamten Tempel und verabschiedet sich gewissermaßen von seinem irdischen Haus bevor er es leerstehend lassen muss. Auch in unserer Zeit harrt Gott noch immer aus, weil er möglichst viele Menschen erretten möchte. Dies sollte uns selbst in den scheinbar finstersten Tagen ermutigen, dennoch das Evangelium weiterzugeben, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet.
2Pe 3,9-10: „Der Herr zögert nicht die Verheißung hinaus, wie etliche es für ein Hinauszögern halten, sondern er ist langmütig gegen uns, weil er nicht will, dass jemand verlorengehe, sondern dass jedermann Raum zur Buße habe. Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmel mit Krachen vergehen, die Elemente aber vor Hitze sich auflösen und die Erde und die Werke darauf verbrennen.“
Kapitel 11
Gott lässt den Propheten noch einmal die Götzendiener Jaasanja und Pelatja sehen, wie sie inmitten von 25 Männern am Eingang des Osttores stehen. Sie fahren mit ihrem Götzendienst fort und bekommen nicht das Geringste davon mit, dass die Herrlichkeit Gottes die Stadt verlässt. Gott redet noch einmal über die Einzelheiten des Gerichts: Verwüstung der Stadt, Vertreibung der Einwohner, Tod auf dem freien Feld. In Vers 13 stirbt Pelatja.
Bevor die Herrlichkeit Gottes jedoch endgültig über den Ölberg im Osten aus der Stadt geht (Verse 22-24), gibt Gott in den Versen 11-21 die Verheißung einer Wiederherstellung. Gott bringt es nicht übers Herz, den Propheten ganz ohne Hoffnung zurückzulassen. Die Passage enthält zwei bemerkenswerte Textstellen.
Zunächst sagt Gott in Vers 16, dass er selbst für eine kurze Zeit zum Heiligtum der Gläubigen in der Verbannung werden würde. Ein gläubiger Überrest blieb nämlich während der ganzen babylonischen Gefangenschaft bestehen und betete ohne Tempel den Herrn an. Wir wissen aus der Geschichte, dass die babylonische Gefangenschaft siebzig Jahre dauerte und dass danach der gläubige Überrest des Volkes unter Josua und Serubbabel nach Jerusalem zurückkehren konnte. Unter großen Mühen bauten sie die Stadt und den Tempel wieder auf. (Wir verweisen diesbezüglich auf unseren Text: „Esra, Nehemia und Esther in der Chronologie“ unter www.DieLetzteStunde.de.)
Das Allerheiligste dieses zweiten Tempels war leer, denn die Bundeslade war verschwunden. Gott thronte nicht mehr über den Cherubim im Allerheiligsten. Ohne die Bundeslade war es für den Hohepriester streng genommen nicht mehr möglich, am großen Versöhnungstag in rechter Art und Weise nach den Vorschriften des Gesetztes vom Sinai Sühnung für sich selbst und das Volk zu erwirken. Ohne die nationale Vergebung wäre das Volk Israel außerhalb der bewahrenden Gnade seines treuen Bundesgottes dem Gericht Gottes genauso schutzlos ausgeliefert gewesen wie alle anderen Nationen. Die richtige Darbringung des Blutes nach dem Gesetz Moses war zwar rein formal nicht mehr möglich, jedoch blieb das irdische Israel bis zum Kommen des Messias Jesus Christus noch immer das auserwählte Volk Gottes. Gott hatte diesem Volk das Kommen des Erlösers angekündigt, und er bewahrte aufgrund seiner eigenen Bundestreue sein irdisches Volk Israel in Gnade bis zu der verheißenen Zeit.
Die Herrlichkeit Gottes kehrte erst in der Person des Herrn Jesus Christus sichtbar für alle in menschlicher Gestalt zum zweiten Tempel zurück. Der Herr selbst blieb nur für kurze Zeit im Tempel. Er wurde von den Pharisäern und von der Mehrheit des Volkes endgültig abgelehnt. Er musste den Pharisäern vor den Augen des Volkes in Mt 23,38 sagen, dass er die Stadt und das Haus verödet hinterlassen würde. Das Reich würde er dem irdischen Volk Israel wegnehmen und es einer anderen Nation geben, welche seine Frucht bringen würde (Mt 21,43). Daraufhin verließ er den Tempel und ging mit seinen Jüngern an den Ölberg, wo er ihnen in seiner berühmten Rede die völlige und endgültige Zerstörung ankündigte. Nach der Himmelfahrt des auferstandenen Herrn wurde dann an Pfingsten diese neue Nation des Segens gegründet. Es ist die Gemeinde Christi im neuen und ewigen Bund, das neue und ewige Israel Gottes nach dem Geist, welches sowohl errettete und zum ewigen Leben wiedergeborene Juden als auch errettete und zum ewigen Leben wiedergeborene Nichtjuden beinhaltet. (Siehe hierzu auch unseren Text: „Der Nahostkonflikt aus Sicht der Bibel“ unter www.DieLetzteStunde.de.)
Die zweite wichtige Stelle ist Vers 19-20. Wir finden hier den ersten Hinweis auf ein Volk Gottes, welches ein neues Herz und einen neuen Geist besitzen wird. Es ist der erste klare Hinweis auf den neuen Bund, welcher sich in Kapitel 36 erneut finden wird. Parallel hierzu hat auch Jeremia in Jerusalem nahezu dieselben Worte zum Volk gesprochen.
Jer 31,31-34: „Siehe, es kommen Tage, spricht der HERR, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde; nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern schloss an dem Tag, da ich sie bei der Hand ergriff, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen; denn sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl ich doch ihr Eheherr war, spricht der HERR. Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schließen werde, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Innerstes hineinlegen und es auf ihre Herzen schreiben, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein; und es wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner mehr seinen Bruder lehren und sagen: »Erkenne den HERRN!« Denn sie werden mich alle kennen, vom Kleinsten bis zum Größten unter ihnen, spricht der HERR; denn ich werde ihre Missetat vergeben und an ihre Sünde nicht mehr gedenken!“
Letztendlich können wir nicht genau sagen, wann die Herrlichkeit Gottes nun tatsächlich aus Jerusalem wegging. Es ist aber sehr gut möglich, dass es in demselben Augenblick geschah, in welchem Hesekiel seine Vision bekam. Wenn dem so wäre, dann hätte Jerusalem während der letzten drei Jahre vor dem Beginn der Belagerung schon nicht mehr in der Gegenwart Gottes gelebt, ohne auch nur das Geringste davon zu merken. Ähnlich mag es vielleicht auch in manchen christlichen Gemeinden unserer Zeit aussehen. Der Gottesdienst wäre dann rein formal geworden ohne geistliche Wirklichkeit in den Herzen der Anbeter. Auch Ungläubige könnten theoretisch einen formal korrekten Gottesdienst durchführen. Sie könnten sich sicher fühlen in dem Bewusstsein, „alles richtig gemacht zu haben“. Dennoch würde ihren „Gemeinden“ die alles entscheidende Gegenwart des Herrn fehlen. In der Offenbarung trägt die Gemeinde von Laodizea die eben genannten geistlichen Charakteristika. Schematisch ausgefeilte Lehre, geistliche Leere.
Off 3,17: „Denn du sprichst: Ich bin reich und habe Überfluss, und mir mangelt es an nichts! – und du erkennst nicht, dass du elend und erbärmlich bist, arm, blind und entblößt.“
Kapitel 12
Hier kommt die dritte zeichenhafte Handlung Hesekiels. Er muss zunächst seine Sachen packen und vor den Augen des Volkes am Abend an einen anderen Ort umziehen. Danach muss er in der Dunkelheit wieder durch einen Mauerbruch ausziehen und seine gepackten Sachen mitnehmen. Die erste Handlung deutet darauf hin, dass das Volk nach dem Untergang der Stadt Jerusalem in die Verbannung ziehen wird.
Die zweite Handlung deutet direkt auf die Gefangennahme und Wegführung des Königs Zedekia hin, welchen Hesekiel in Vers 10 und 12 als den Fürsten in Jerusalem bezeichnet. Die Erfüllung kam fünf Jahre später, und wir finden sie in 2Kö 25,4-7.
„Da brach [der Feind] in die Stadt ein, und alle Kriegsleute flohen bei Nacht durch das Tor zwischen den beiden Mauern, beim Garten des Königs; und da die Chaldäer rings um die Stadt her lagen, zog man den Weg zur Arava. Aber das Heer der Chaldäer jagte dem König nach und holte ihn ein auf den Ebenen von Jericho, nachdem sein ganzes Heer sich von ihm zerstreut hatte. Sie aber fingen den König und führten ihn hinauf zum König von Babel nach Ribla, und man sprach das Urteil über ihn. Und sie metzelten die Söhne Zedekias vor dessen Augen nieder; danach stachen sie Zedekia die Augen aus und banden ihn mit zwei ehernen Ketten und führten ihn nach Babel.“
Auch muss Hesekiel sein Brot mit Furcht und Zittern essen, um die Furcht des Volkes darzustellen. Die Verse 21-28 bringen schließlich die unmissverständliche Ankündigung Gottes, dass das Gericht nicht aufgeschoben wird, sondern dass es innerhalb kurzer Zeit kommen wird. Drei Jahre nach dieser Weissagung begann die Belagerung Jerusalems.
Kapitel 13
Die Verse 1-16 reden über die falschen Propheten in der Verbannung, mit denen Hesekiel zu kämpfen hatte, ebenso wie auch über die falschen Propheten in Jerusalem, welchen zu gleicher Zeit der Prophet Jeremia einsam und alleine gegenüberstand. Sie reden von Frieden und verbreiten die Lüge, dass der Stadt nichts geschehen wird. Ihre Prophetien werden mit einer hässlichen und baufälligen Wand verglichen, welche nur mit einer dünnen Schicht von weißem Kalk verschönert worden ist. Sie wird dem überströmenden Platzregen, den Hagelsteinen und dem Sturmwind des Gerichts nicht standhalten. Die Verse 17-23 richten sich gegen die Wahrsagerinnen in der Stadt und im Volk. Sie halten das Volk durch ihre Lügen in geistlicher Gebundenheit. Gott wird mit ihnen abrechnen und das Volk von ihnen befreien.
In der Ölbergrede des Herrn, welche einerseits über die Umstände vor der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. redet, andererseits über die Umstände vor dem zweiten Kommen des Herrn am Ende, finden wir ganz ähnliche Dinge:
Mt 24,4-5: „Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt acht, dass euch niemand verführt! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus! Und sie werden viele verführen.“
Wir wissen, dass der Herr den Jüngern klar machen musste, dass es für die Stadt keine Rettung geben würde, und dass sie sich nicht von falschen Christussen und falschen Propheten verführen lassen sollten, welche genau diese Rettung voraussagen würden. Es gab historisch gesehen bereits kurz nach der Himmelfahrt des Herrn die ersten falschen Christusse im Land. Auch unmittelbar vor der Zerstörung der Stadt im Jahr 70 n.Chr. waren solche falschen Christusse unterwegs. Sie sagten dem Volk, dass die Stadt durch die Macht Gottes geschützt sei, und dass es keiner Macht der Welt gelingen werde, den Tempel Israels noch einmal zu zerstören, nachdem er wieder aufgebaut worden war. Die Jünger des Herrn sollten diese falschen Propheten erkennen und abweisen. Nach der Zerstörung der Stadt ging es weiter mit diesem Problem. Auch die Generation nach den Aposteln war mit falschen Messiassen konfrontiert. Der letzte von ihnen war schließlich Bar Kochba, dessen Revolte gegen die Römer zum völligen Untergang der alten Nation im Jahr 136 n.Chr. mit anschließender weltweiter Zerstreuung der Juden führte. Auch in unserer Zeit gibt es wieder viele falsche Messiasse. Es wird so bleiben, bis der Herr kommt. Er wird mit dem Hauch seines Mundes den letzten und größten von ihnen beseitigen, nämlich den Antichristen. Die Warnung des Herrn war hier einerseits direkt an die Apostel gerichtet, andererseits geht sie auch an uns.
Darüber hinaus ist es immer ein klares Zeichen der Gottlosigkeit und des kommenden Gerichts über menschliche Gesellschaften und Kulturen gewesen, dass sich in ihnen Esoterik und Okkultismus immer weiter ausgebreitet haben. Die Menschen befragten nicht mehr Gott, sondern die falschen Propheten, die Wahrsager, die Astrologen und sogar die Toten. Gott sagt in der Bibel, dass er diese Dinge in seinem Volk nicht wünscht, und er belegt sie mit schwerer Strafe:
5Mo 18,9-11: „Wenn du in das Land kommst, das der HERR, dein Gott, dir gibt, so sollst du nicht lernen, nach den Gräueln jener Heidenvölker zu handeln. Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, oder einer, der Wahrsagerei betreibt oder Zeichendeuterei, oder ein Beschwörer oder ein Zauberer oder einer, der Geister bannt, oder ein Geisterbefrager oder ein Hellseher oder jemand, der sich an die Toten wendet.“
Jes 47,11-14: „Darum wird ein Unglück über dich kommen, das du nicht wegzaubern kannst; und ein Verderben wird dich überfallen, das du nicht abzuwenden vermagst; plötzlich wird eine Verwüstung über dich kommen, von der du nichts ahnst. Tritt doch auf mit deinen Beschwörungen und mit der Menge deiner Zaubereien, mit denen du dich abgemüht hast von Jugend auf! Vielleicht vermagst du zu helfen; vielleicht kannst du Schrecken einflößen. Du bist müde geworden von der Menge deiner Beratungen. So lass sie doch herzutreten und dich retten, die den Himmel einteilen, die Sternseher, die jeden Neumond ankündigen, was über dich kommen soll! Siehe, sie sind geworden wie Stoppeln, die das Feuer verbrannt hat; sie werden ihre Seele nicht vor der Gewalt der Flammen erretten; denn es wird keine Kohlenglut sein, an der man sich wärmen und kein Ofen, an dem man sitzen könnte.“
Gott gibt uns klare Merkmale zur Unterscheidung zwischen falschen und echten Propheten. Religiöse Propheten gelten ja in der Öffentlichkeit als Menschen, die Gott wesentlich näher sind als die einfachen Wahrsager, nicht wahr? Die falschen Propheten haben sich auch in unseren Tagen wieder in der Gemeinde Gottes breitgemacht. In zahlreichen religiösen Strömungen und Sekten sind sie ebenso präsent wie in der Extremcharismatik. Sie finden noch immer ihre Jünger. Gott redet klar und deutlich über sie.
5Mo 18,20-22: „Doch der Prophet, der so vermessen ist, in meinem Namen zu reden, was ich ihm nicht zu reden geboten habe, oder der im Namen anderer Götter redet, jener Prophet soll sterben! Wenn du aber in deinem Herzen sprichst: »Woran können wir das Wort erkennen, das der HERR nicht geredet hat?«, [dann sollst du wissen:] Wenn der Prophet im Namen des HERRN redet, und jenes Wort geschieht nicht und trifft nicht ein, so ist es ein Wort, das der HERR nicht geredet hat; der Prophet hat aus Vermessenheit geredet, du sollst dich vor ihm nicht fürchten!“
Hier ist zunächst die Rede von falschen Propheten, deren Wort nicht eintrifft. Sie sind leicht zu identifizieren. Sobald ein selbsternannter Prophet Dinge von sich gibt, welche nicht so eintreten, hat er sich selbst geoutet und muss weggetan werden. In damaliger Zeit bedeutete dies, dass solche Leute getötet werden mussten. Heute bedeutet es, dass man ihnen einfach kein Gehör schenkt und ihnen nicht nachläuft. Israel kannte diese Worte und folgte dennoch den falschen Propheten nach, weil die Menschen süchtig nach geheimen Erkenntnissen waren und sich für ihre Probleme von den Lügnern die Lösungen erhofften. Heute ist es nicht anders.
5Mo 13,1-6: „Das ganze Wort, das ich euch gebiete, das sollt ihr bewahren, um es zu tun; du sollst nichts zu ihm hinzufügen und nichts von ihm wegnehmen! Wenn in deiner Mitte ein Prophet oder Träumer aufstehen wird und dir ein Zeichen oder Wunder angibt, und das Zeichen oder Wunder trifft ein, von dem er zu dir geredet hat, und er spricht [nun]: »Lasst uns anderen Göttern nachfolgen – die du nicht gekannt hast –, und lasst uns ihnen dienen!«, so sollst du den Worten eines solchen Propheten oder eines solchen Träumers nicht gehorchen; denn der HERR, euer Gott, prüft euch, um zu erfahren, ob ihr den HERRN, euren Gott, wirklich von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebt. Dem HERRN, eurem Gott, sollt ihr nachfolgen und ihn fürchten und seine Gebote halten und seiner Stimme gehorchen und ihm dienen und ihm anhängen. Ein solcher Prophet aber oder ein solcher Träumer soll getötet werden, weil er Abfall gelehrt hat von dem HERRN, eurem Gott, der euch aus dem Land Ägypten geführt hat und dich aus dem Haus der Knechtschaft erlöst hat; er hat dich abbringen wollen von dem Weg, auf dem zu gehen der HERR, dein Gott, dir geboten hat. So sollst du das Böse aus deiner Mitte ausrotten!“
Hier liegt das Problem tiefer und ist schwieriger zu erkennen. Es gab nämlich auch falsche Propheten, deren Vorhersagen tatsächlich eintrafen! Sie waren somit nicht mehr anhand ihrer Aussagen zu identifizieren, sondern einzig und allein anhand der dahinter stehenden Gesinnung ihres Herzens. Nach der Erfüllung ihrer Prophetien forderten sie nämlich ihre neu gewonnenen Jünger dazu auf, den Götzen nachzulaufen und nicht dem Gott der Bibel. Hier musste man damals und muss man auch heute noch sehr viel genauer aufpassen. Sobald ihre gottlose Gesinnung offenbar wird, muss man sie wegtun. Noch einmal: In damaliger Zeit bedeutete dies, dass solche Leute getötet werden mussten. Heute bedeutet es, dass man ihnen einfach kein Gehör schenkt und ihnen nicht nachläuft.
In der Bibel kann man natürlich auch das umgekehrte Verhalten von Menschen klar erkennen. Echte Bekehrungen und echte Hinwendungen zu Gott führen immer dazu, dass die Wahrsagereien und der Götzendienst weggetan werden. Auch der Schreiber des vorliegenden Textes wurde bei seiner Errettung aus dem Okkultismus erlöst und vernichtete innerhalb kurzer Zeit all seine okkulten Schriften und Materialien. Die Existenz des Teufels ist eine nüchterne Realität, und man darf nicht damit spielen.
Apg 19,18-20: „Und viele von denen, die gläubig geworden waren, kamen und bekannten und erzählten ihre Taten. Viele aber von denen, die Zauberkünste getrieben hatten, trugen die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen; und sie berechneten ihren Wert und kamen auf 50 000 Silberlinge. So breitete sich das Wort des Herrn mächtig aus und erwies sich als kräftig.“
Kapitel 14
Hier kommen die Anführer des Götzendienstes in der Verbannung zu Hesekiel und wollen ihn befragen. Gott verbietet dem Propheten, ihnen Antwort auf ihre Fragen zu geben. Stattdessen muss er ihnen das Wort Gottes verkündigen. Jeder einzelne von ihnen wird ganz persönlich dazu aufgefordert, seine Götzen hinwegzutun. Wenn nicht, dann wird Gott sich auch mit jedem einzelnen von ihnen ganz persönlich befassen und ihn aus dem Volk ausrotten. Sogar Hesekiel selbst wird hier davor gewarnt, sich zu falschen Aussagen verleiten zu lassen. Gott wird auch Hesekiel selbst ausrotten, wenn er nicht treu bleibt.
In geistlicher Anwendung gilt das Gleiche auch für uns heute, die wir uns Christen nennen. Jeder von uns ist ganz persönlich dazu aufgefordert, die Götzen seines alten Lebens wegzutun und gegen die Sünden seines alten Lebens anzukämpfen. Jeder von uns ist aufgefordert, sein Denken, Handeln und Wandeln zu reinigen und dem Herrn zu dienen mit den Gaben, die ihm der Heilige Geist geschenkt hat.
Rö 12,1-2: „Ich ermahne euch nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: Das sei euer vernünftiger Gottesdienst! Und passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“
Rö 12,11: „Im Eifer lasst nicht nach, seid brennend im Geist, dient dem Herrn!“
Eph 4,1: „So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid, …“
1Joh 3,1-3: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Kinder Gottes heißen sollen! Darum erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat. Geliebte, wir sind jetzt Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen aber, dass wir ihm gleichgestaltet sein werden, wenn er offenbar werden wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich, gleichwie auch Er rein ist.“
Die Verse 12-23 bringen uns das Wort, nach welchem selbst Noah, Daniel und Hiob nur ihre eigenen Seelen aus einem Land retten könnten, über welches der Herr seine vier schlimmen Gerichte bringen würde, nämlich das Schwert, den Hunger, die wilden Tiere und die Pest (Vers 21). Dennoch wird es so sein, dass ein kleiner Überrest aus Jerusalem das Gericht überleben wird, weil Gott Gnade walten lässt. Diese Überlebenden werden nach Babel kommen und die Verbannten durch ihren veränderten Lebensstil trösten.
Kapitel 15
Hier kommt das Wort vom Holz des Weinstocks. Es ist von Natur aus ein Holz, aus dem nichts zu machen ist. In Bezug auf Israel und Jerusalem haben wir hierbei zweifellos zu denken an:
5Mo 7,6: „Denn ein heiliges Volk bist du für den HERRN, deinen Gott; dich hat der HERR, dein Gott, aus allen Völkern erwählt, die auf Erden sind, damit du ein Volk des Eigentums für ihn seist.“
Aus sich selbst heraus war Israel das Geringste unter allen Völkern, aber Gott hatte alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dieses Volk Frucht für ihn tragen konnte. Israel sollte ein Volk von Königen und Priestern für den Herrn sein nach
2Mo 19,5-6: „Wenn ihr nun wirklich meiner Stimme Gehör schenken und gehorchen werdet und meinen Bund bewahrt, so sollt ihr vor allen Völkern mein besonderes Eigentum sein; denn die ganze Erde gehört mir, ihr aber sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein! Das sind die Worte, die du den Kindern Israels sagen sollst.“
Das Bild des Weinbergs und des Weinstocks steht mit diesen Dingen in engem Zusammenhang. Der Herr hat sich einen Weinstock aus Ägypten herausgebracht und ihn in Israel gepflanzt.
Ps 80,9-11: „Einen Weinstock hast du aus Ägypten herausgebracht; du hast die Heidenvölker vertrieben und ihn gepflanzt. Du machtest Raum vor ihm, dass er Wurzeln schlug und das Land erfüllte; sein Schatten bedeckte die Berge und seine Ranken die Zedern Gottes;“
Der Weinstock beziehungsweise der Weinberg wird bei Jesaja eindeutig als das Volk Israel bezeichnet. Dieser Weinberg trug allerdings nur schlechte Früchte und war endgültig zur Vernichtung bestimmt.
Jes 5,1-30: (bitte lesen Sie dieses Kapitel selbst in Ihrer Bibel)
Jer 2,20-21: „Denn vor langer Zeit habe ich dein Joch zerbrochen und deine Bande zerrissen; aber du hast gesagt: »Ich will nicht dienen!« Ja, du hast dich auf allen hohen Hügeln und unter allen grünen Bäumen als Hure hingestreckt! Und doch hatte ich dich gepflanzt als eine Edelrebe von ganz echtem Samen; wie hast du dich mir verwandeln können in wilde Ranken eines fremden Weinstocks?“
Jer 12,10-11: „Viele Hirten haben meinen Weinberg verwüstet und meinen Acker zertreten; meinen kostbaren Acker haben sie zur öden Wüste gemacht. Man hat ihn verheert; verwüstet trauert er vor mir. Das ganze Land liegt wüst, denn niemand nahm es sich zu Herzen.“
Hos 10,1-3: „Israel ist ein rankender Weinstock, der für sich selbst Frucht bringt. Je mehr Früchte er brachte, desto mehr Altäre bauten sie; je besser ihr Land war, desto schönere Götzenbilder machten sie. Ihr Herz ist falsch, nun sollen sie es büßen: Er wird ihre Altäre zerschlagen, ihre Götzenbilder zertrümmern. Dann werden sie bekennen müssen: »Wir haben keinen König mehr, weil wir den HERRN nicht fürchteten; und ein König, was kann der uns helfen?«“
Der Weinberg befand sich zu verschiedenen Zeiten in der Hand böser Weingärtner. Zunächst zur Zeit Jesajas, dann aber auch zur Zeit des Herrn:
Jes 3,14: „Der HERR geht ins Gericht mit den Ältesten seines Volkes und mit dessen Führern: Ihr habt den Weinberg kahl gefressen; was ihr dem Elenden geraubt habt, ist in euren Häusern!“
Mt 21,33-46: „Hört ein anderes Gleichnis: Es war ein gewisser Hausherr, der pflanzte einen Weinberg, zog einen Zaun darum, grub eine Kelter darin, baute einen Wachtturm, verpachtete ihn an Weingärtner und reiste außer Landes. Als nun die Zeit der Früchte nahte, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, um seine Früchte in Empfang zu nehmen. Aber die Weingärtner ergriffen seine Knechte und schlugen den einen, den anderen töteten sie, den dritten steinigten sie. Da sandte er wieder andere Knechte, mehr als zuvor; und sie behandelten sie ebenso. Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen! Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie untereinander: Das ist der Erbe! Kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbgut in Besitz nehmen! Und sie ergriffen ihn, stießen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn. Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt, was wird er mit diesen Weingärtnern tun? Sie sprachen zu ihm: Er wird die Übeltäter auf üble Weise umbringen und den Weinberg anderen Weingärtnern verpachten, welche ihm die Früchte zu ihrer Zeit abliefern werden. Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr noch nie in den Schriften gelesen: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen«? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen. Und als die obersten Priester und die Pharisäer seine Gleichnisse hörten, erkannten sie, dass er von ihnen redete. Und sie suchten ihn zu ergreifen, fürchteten aber die Volksmenge, weil sie ihn für einen Propheten hielt.“
Nach den schrecklichen Zerstörungen, die ihn heimsuchen würden, würde der Weinberg dann nach der Hilfe seines Gottes rufen:
Ps 80,12-20: „… er streckte seine Zweige aus bis ans Meer und seine Schoße bis zum Strom. Warum hast du nun seine Mauer niedergerissen, dass alle ihn zerpflücken, die vorübergehen? Der Eber aus dem Wald zerwühlt ihn, und die wilden Tiere des Feldes weiden ihn ab. O Gott der Heerscharen, kehre doch zurück! Blicke vom Himmel herab und sieh, und nimm dich dieses Weinstocks an und des Setzlings, den deine Rechte gepflanzt, des Sohnes, den du dir großgezogen hast! Er ist mit Feuer verbrannt, er ist abgeschnitten, vor dem Schelten deines Angesichts sind sie umgekommen! Deine Hand sei über dem Mann deiner Rechten, Über dem Sohn des Menschen, den du dir großgezogen hast, so werden wir nicht von dir weichen. Belebe uns, so wollen wir deinen Namen anrufen! O HERR, Gott der Heerscharen, stelle uns wieder her! Lass dein Angesicht leuchten, so werden wir gerettet!“
Schließlich würde der Weinberg am Ende gute Frucht hervorbringen und die ganze Erde damit erfüllen:
Jes 27,2-6: „An jenem Tag [wird man sagen]: Ein Weinberg von feurigen Weinen! Besingt ihn! Ich, der HERR, behüte ihn und bewässere ihn zu jeder Zeit; ich bewache ihn Tag und Nacht, damit sich niemand an ihm vergreift. Zorn habe ich keinen. Wenn ich aber Dornen und Disteln darin fände, so würde ich im Kampf darauf losgehen und sie allesamt verbrennen! Es sei denn, dass man Schutz bei mir suchte, dass man Frieden mit mir machte, ja, Frieden machte mit mir. In zukünftigen Zeiten wird Jakob Wurzel schlagen, Israel wird blühen und grünen, und sie werden den ganzen Erdkreis mit Früchten füllen.“
Die letztgenannte Stelle kann nur völlig verstanden werden zusammen mit Joh 15,1-7:
„Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; jede aber, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir, und ich [bleibe] in euch! Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst aus Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er weggeworfen wie die Rebe und verdorrt; und solche sammelt man und wirft sie ins Feuer, und sie brennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch zuteilwerden.“
Der Herr Jesus Christus ist der wahre Weinstock. Das Identitätszentrum der Gläubigen des Neuen Testamentes sind nicht mehr das Land Israel im mittleren Osten und das Volk der Juden, sondern es ist der Herr selbst. So wie im Rückblick auf Ps 80,9-11 das Volk Israel im Alten Testament als der Weinstock Gottes aus Ägypten herausgebracht wurde und in Israel Wurzeln schlug, so wurde auch im Neuen Testament der wahre Israel (Jes 49,3), der wahre Weinstock, der Herr Jesus Christus, aus Ägypten (wohin er mit seinen Eltern vor Herodes geflohen war) nach Israel herausgeführt und schlug dort Wurzeln:
Jes 11,1-2: „Und es wird ein Zweig hervorgehen aus dem Stumpf Isais und ein Schössling hervorbrechen aus seinen Wurzeln. Und auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rats und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.“
Dieser wahre Weinstock erfüllt mit seinen Reben auf der Erde bereits heute alle Nationen mit seiner Gegenwart. Der Leib Christi, also der wahre Weinstock mit seinen Reben, ist bereits heute über die ganze Erde ausgebreitet, obwohl das Reich Gottes in seiner äußerlichen Form noch nicht die Herrschaft über die Welt innehat. Noch herrscht äußerlich betrachtet der Fürst dieser Welt über die Systeme dieser Welt. Das wird sich aber ändern bei der Wiederkunft des Herrn. Dann wird die alte Welt vergehen und eine neue Welt geschaffen werden. Das Reich des Herrn ist nicht von dieser Welt (Joh 18,36), sondern es wird erst in der neuen und ewigen Schöpfung die gesamte Welt einnehmen und beherrschen. Dann wird der wahre Weinstock (der Herr Jesus Christus) zusammen mit allen seinen Reben (den Gläubigen aller Zeiten) die Erde erfüllen und für immer bewohnen.
Kapitel 16
Dieses Kapitel bringt uns Gottes Wort über Jerusalem als seiner treulosen Ehefrau. Die Verse 1-4 erinnern an die Anfänge zur Zeit der Patriarchen. Die Verse 5-7 bringen uns in die Zeit der Sklaverei in Ägypten, als das Volk sich trotz des Drucks der Ägypter stark vermehrte und zu vielen Tausenden anwuchs. Vers 8 bringt uns zum Mosebund am Berg Sinai. In den Versen 9-12 finden wir den Aufbau des Volkes bis zum Ende der Richterzeit. Die Verse 13-14 erinnern uns an die Zeit der Könige David und Salomo. Von Vers 15-34 finden wir dann den Abfall und die Untreue der Frau Gottes. Hier ist die ganze Königszeit mit der Teilung des Reiches, dem Götzendienst des Nordreiches und den Treulosigkeiten des Südreiches zusammengefasst, welche bis in die Zeit des Propheten Hesekiel hineinreichen. Ab Vers 35 kündigt Gott dann das Gericht an. Er vergleicht Jerusalem mit Sodom, welches er als Jerusalems Schwester bezeichnet. Samaria wird als die ältere Schwester bezeichnet. Sodom und Samaria sind bereits untergegangen, und nun wird auch Jerusalem untergehen. Jerusalem muss bis Vers 59 seine Schuld tragen. Am Ende (Vers 60-63) wird Gott sich aber an seinen Bund erinnern und einen ewigen Bund mit der Stadt schließen. Hier finden wir wieder den neuen Bund wie bereits in Kapitel 11 und später wieder in Kapitel 36. Das neue Jerusalem wird sich seiner Sünden schämen und für die Vergebung dankbar sein.
Kapitel 17
Hier legt der Prophet dem Volk in Babel das Rätsel von dem Weinstock und den zwei Adlern vor. Es beinhaltet Gottes genaue Analyse der politischen Situation in Israel zur Zeit des Königs Zedekia, welche ja auch die Zeit des Propheten Hesekiel in Babylon war. Der erste Adler ist der König von Babylon. Der wuchernde Weinstock von niedrigem Wuchs ist der Rest des Volkes Israel, welcher unter der Führung Zedekias nach der zweiten Wegführung durch die Babylonier noch im Land verblieben ist. Der zweite Adler ist der Pharao von Ägypten. Der Weinstock neigt seine Ranken dem zweiten Adler zu, obwohl er von dem ersten Adler stabil gepflanzt worden ist. Es gelingt ihm jedoch nicht, sondern er verdorrt gänzlich.
In der Politik Israels hat sich das Gleichnis wie folgt erfüllt: Nach der zweiten Wegführung, in welcher Jekonja und Hesekiel nach Babylon gebracht wurden, setzte Nebukadnezar den Onkel Jekonjas als neuen König ein und änderte seinen Namen von Mattanja in Zedekia. Dieser Zedekia blieb trotz der Warnungen des Propheten Jeremia nicht unterwürfig, sondern suchte ein politisches Bündnis mit Ägypten, um aus der Herrschaft Babylons freizukommen. Dies führte schließlich zu dem letzten Angriff der Babylonier mit der Vernichtung des Tempels und der Stadt. Der Pharao konnte Zedekia nicht helfen, und der letzte König Israels kam in Babel im Herrschaftsgebiet Nebukadnezars zu seinem Ende.
2Kö 24,17: „Und der König von Babel machte Mattanja, Jojachins Onkel, zum König an seiner Stelle, und änderte seinen Namen in Zedekia.“
2Chr 36,11-13: „Zedekia war 21 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte 11 Jahre lang in Jerusalem. Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN, seines Gottes, und er demütigte sich nicht vor dem Propheten Jeremia, [der] aus dem Mund des HERRN [zu ihm redete]. Dazu fiel er ab von dem König Nebukadnezar, der einen Eid bei Gott von ihm genommen hatte, und wurde halsstarrig und verstockte sein Herz, sodass er nicht zu dem HERRN, dem Gott Israels, umkehren wollte.“
2Kö 25,4-7: „Da brach [der Feind] in die Stadt ein, und alle Kriegsleute flohen bei Nacht durch das Tor zwischen den beiden Mauern, beim Garten des Königs; und da die Chaldäer rings um die Stadt her lagen, zog man den Weg zur Arava. Aber das Heer der Chaldäer jagte dem König nach und holte ihn ein auf den Ebenen von Jericho, nachdem sein ganzes Heer sich von ihm zerstreut hatte. Sie aber fingen den König und führten ihn hinauf zum König von Babel nach Ribla, und man sprach das Urteil über ihn. Und sie metzelten die Söhne Zedekias vor dessen Augen nieder; danach stachen sie Zedekia die Augen aus und banden ihn mit zwei ehernen Ketten und führten ihn nach Babel.“
Unser Kapitel endet mit einem Wort des Segens und der Hoffnung. Es geht hier um die Wiederherstellung des Königtums Davids. Im Alten Testament hat dies nicht mehr stattgefunden. Die Erfüllung kam erst durch den großen David, den Herrn Jesus Christus, welchem der Vater den Thron Davids für immer und ewig gegeben hat. Dieser König baut ein ewiges Haus für den Vater und sitzt auf einem ewigen Thron.
1Chr 17,12-14: „Der wird mir ein Haus bauen, und ich werde seinen Thron auf ewig befestigen. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein. Und ich will meine Gnade nicht von ihm weichen lassen, wie ich sie von dem weichen ließ, der vor dir war; sondern ich will ihn auf ewig über mein Haus und mein Königreich einsetzen, und sein Thron soll auf ewig fest stehen!“
Lk 1,31-33: „Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird regieren über das Haus Jakobs in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Kapitel 18
Gott kündigt hier sein Gericht über jeden einzelnen Israeliten an, und dieses Gericht wird genau dem Werk jedes einzelnen entsprechen. Die Nachkommen werden nicht für die Sünden ihrer Eltern gerichtet oder umgekehrt. Jeder wird für seine eigene Sünde sterben. Nachfolgend werden bis einschließlich Vers 20 verschiedene Dinge aus dem mosaischen Gesetz angesprochen. Ab Vers 21 wird noch einmal jeder einzelne Israelit eindringlich zur völligen Herzensumkehr mit Abwendung von allen seinen sündigen Wegen aufgefordert. Noch ist Zeit zur Umkehr! Innerhalb von drei Jahren wird die Belagerung Jerusalems beginnen, nach fünf Jahren wird der Untergang kommen. Vers 32: Gott hat kein Gefallen am Tod des Sünders, er möchte die Umkehr und die Rettung des Sünders.
Hier ist natürlich das Herz Gottes offenbar geworden. Gott ist nicht grausam. Er will sein Volk retten und nicht vernichten. Er will vergeben, aber er kann das nur dann tun, wenn der Mensch seine eigene Sünde anerkennt und wegtut. Wenn der Mensch dies nicht tut, dann wird Gott ihn am Ende richten müssen. Es gibt keinen anderen Weg, denn Gott ist auch heilig.
Die Verbindung zur Verkündigung des Evangeliums in unserem Zeitalter ist klar und einfach. Die Errettung im Neuen Testament ist jedoch ganz aus Glauben. Auf sie folgt Leben des dankbaren Gehorsams und der Hingabe an den Retter Jesus Christus. Ohne den persönlichen Glauben an sein stellvertretendes blutiges Kreuzopfer gibt es für den Sünder keine Rettung, sondern nur das Gericht.
Joh 3,16-18: „Denn so [sehr] hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt hat.”
Joh 5,24-25: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Die Stunde kommt und ist schon da, wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie hören, werden leben.“
Apg 2,38-40: „Da sprach Petrus zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden; so werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen, die ferne sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. Und noch mit vielen anderen Worten gab er Zeugnis und ermahnte und sprach: Lasst euch retten aus diesem verkehrten Geschlecht!“
1Kor 15,1-4: „Ich erinnere euch aber, ihr Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr an dem Wort festhaltet, das ich euch verkündigt habe – es sei denn, dass ihr vergeblich geglaubt hättet. Denn ich habe euch zuallererst das überliefert, was ich auch empfangen habe, nämlich dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag, nach den Schriften, …“
Eph 2,8-10: „Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme. Denn wir sind seine Schöpfung, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.“
1Tim 2,3-6: „… denn dies ist gut und angenehm vor Gott, unserem Retter, welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat. [Das ist] das Zeugnis zur rechten Zeit, …“
Kapitel 19
Dieses Kapitel kann in kurzen Worten abgehandelt werden. Es ist ein Klagelied über die Fürsten Israels, über ihr Versagen, ihren Untergang und ihre Verschleppung nach Babylon. Auch das Motiv des Weinstocks findet sich wieder. Der starke Weinstock wurde abgerissen, seine Früchte sind vom Ostwind verdorrt, es ist ihm kein starker Ast mehr übrig geblieben, welcher zum Herrscherstab tauglich wäre. Es ist das Ende des Königreichs Israel, der Untergang. Der letzte Vers sagt es noch einmal: Das ist ein Klagelied und zum Klagegesang bestimmt.
Gott selbst und auch der Prophet lassen uns hier den Kummer ihres Herzens über dieses Volk erkennen, welchen wir auch so oft im Buch des Propheten Jeremia wiederfinden. Jeremia musste zur gleichen Zeit unter ungleich schwereren Umständen als Hesekiel in der Stadt Jerusalem ausharren. Er erlebte am eigenen Leib die Belagerung, den Untergang, die Ermordung Gedaljas und die Verschleppung nach Ägypten in der vierten Wegführung. Auch nach dem Untergang musste er unaufhörlich Tränen über Jerusalem vergießen. Das Buch der Klagelieder ist ein eindrucksvolles und bewegendes Zeugnis hiervon.
Kapitel 20
Wir befinden uns hier im siebten Jahr der Wegführung Hesekiels, zwei Jahre vor dem Beginn der Belagerung und vier Jahre vor dem Untergang Jerusalems. Hesekiel muss wiederum das Wort Gottes an die Ältesten Israels richten, anstatt ihre Fragen zu beantworten. Gott kann keinen vertrauten Umgang mehr mit diesen Leuten haben, sondern ihnen nur noch durch den Mund des Propheten das Gericht ankündigen. Hesekiel redet über verschiedenste Verfehlungen des Volkes unter dem Gesetz Moses und blickt zurück auf den Exodus aus Ägypten mit der darauf folgenden Widerspenstigkeit Israels in der Wüste. Sie hielten den Sabbat nicht, sie taten ihre Götzen nicht weg, sie opferten sogar ihre Söhne im Feuer, sie verschmähten das Land und mussten vierzig Jahre umherziehen. Nach dem Einzug in das Land setzten sie ihren Götzendienst unvermittelt fort. Jetzt ist es aus! Gott lässt sich von diesen Leuten nicht mehr befragen. Das Ende wird kommen. Gott kündigt es nur noch an.
Die Verse 39-44 reden über Wiederherstellung. Gott kündigt die Rückkehr des Volkes aus der Gefangenschaft an. Dies erfüllte sich zum einen siebzig Jahre später. Zum anderen wird hier auch die Sammlung eines geistlich verwandelten Israels vorhergesagt, welches sich am Ende seiner Sünden schämen wird, und welches Vergebung empfangen wird. Bereits in Vers 37 wird angedeutet, dass diese geistliche Wiederherstellung mit dem Stab eines Hirten und mit der Verpflichtung eines Bundes zu tun hat. In Kapitel 36 werden wir erkennen, was die Erneuerung Israels bedeuten wird. Es wird der Empfang eines neuen Herzens, eines ewigen Lebens und eines neuen Geistes sein. Außerdem wird Gott dem Volk seinen eigenen Geist geben. Wir erkennen hier angedeutet den neuen Bund, welchen wir auch in Jer 31,31-34 finden. Der Hirte ist im Gegensatz zu den falschen und bösen Hirten des Volkes der Herr Jesus Christus, wie wir es im Alten und Neuen Testament klar erkennen können. Auch in Kapitel 34 werden wir noch einmal darauf zurückkommen.
Ps 23: „Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf grünen Auen und führt mich zu stillen Wassern. Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und wenn ich auch wanderte durchs Tal der Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, die trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fließt über. Nur Güte und Gnade werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Haus des HERRN immerdar.“
Sach 11: (bitte lesen Sie dieses gesamte Kapitel in Ihrer Bibel)
Joh 10,11-16: „Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling aber, der kein Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht; und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe. Der Mietling aber flieht, weil er ein Mietling ist und sich nicht um die Schafe kümmert. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und bin den Meinen bekannt, gleichwie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die nicht aus dieser Schafhürde sind; auch diese muss ich führen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein.“
Kapitel 21
Der Herr kündigt durch den Propheten in Einzelheiten an, dass nun das Schwert über Jerusalem kommen wird. Der Prophet muss bitterlich stöhnen wie ein Mann mit einem schmerzhaften Lendenbruch (Vers 11). Es wird Gottes eigenes Schwert in seiner eigenen Hand sein, welches das Volk und die Stadt schlagen wird. Die Verse 23-29 offenbaren den genauen Schlachtplan Nebukadnezars. Er wird auf zwei Wegen in das Land einmarschieren, Jerusalem in die Zange nehmen und es vernichten.
Hes 21,30-32: „Was aber dich betrifft, du entweihter Gesetzloser, du Fürst Israels, dessen Tag kommt zur Zeit der Sünde des Endes, so spricht GOTT, der Herr: Fort mit dem Kopfbund, herunter mit der Krone! So wird es nicht bleiben: Das Niedrige soll erhöht, und das Hohe soll erniedrigt werden! Zunichte, zunichte, zunichte will ich sie machen; auch dies soll nicht so bleiben, bis der kommt, dem das Anrecht zusteht, dem werde ich sie geben!“
Zahlreiche Ausleger haben Vers 30 in die Zeit des Weltendes kurz vor der Wiederkunft des Herrn verortet. Diese Deutung muss jedoch mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden, denn sie widerspricht dem Kontext des gesamten Kapitels, ja des gesamten Buches Hesekiel in deutlicher Art und Weise. Der Vers ist wohl besser wie folgt zu übersetzen: „Was aber dich betrifft, du entweihter Gesetzloser, du Fürst Israels, dessen Tag kommt zu der Zeit, wenn die Sünde das Ende herbeiführt, …“.
Hesekiel redet hier zwei Jahre vor Beginn der Belagerung und vier Jahre vor dem Untergang der Stadt sowohl zu dem übrigen Volk als auch persönlich in aller Direktheit zu seinem letzten König Zedekia. Hesekiel redet hier nicht über einen imaginären König Israels am Ende der Welt, sondern über den sehr konkret anwesenden letzten König Jerusalems zur Zeit des Endes der damaligen Existenz der Stadt und des Tempels. Hesekiels gesamter Dienst bis einschließlich Kapitel 33 spielt sich nämlich genau zeitgleich zur Herrschaft dieses Königs ab, die beiden sind Zeitgenossen. Zedekia ist verantwortlich für das Elend, welches der Prophet Jeremia während dieser Zeit in Jerusalem zu erleiden hat. Jerusalem hätte sich ohne Belagerung ergeben können, wenn Zedekia auf Jeremia gehört hätte, aber er tat es nicht. Er führte die Stadt und das gottlose Volk sehenden Auges in den Untergang. Dann versuchte er sich auch noch durch die Mauer Jerusalems aus dem Kampfgetümmel davonzustehlen, um seine eigene Haut zu retten. Bereits zuvor ist genau dieser König wiederholt vom Propheten erwähnt worden. Siehe hierzu insbesondere Kapitel 12, wo er als „der Fürst, der in ihrer Mitte ist“ bezeichnet wird. Hesekiel muss dort sogar die Art und Weise des Fluchtversuchs Zedekias bildlich darstellen. Wir lesen noch einmal:
2Kö 25,4-7: „Da brach [der Feind] in die Stadt ein, und alle Kriegsleute flohen bei Nacht durch das Tor zwischen den beiden Mauern, beim Garten des Königs; und da die Chaldäer rings um die Stadt her lagen, zog man den Weg zur Arava. Aber das Heer der Chaldäer jagte dem König nach und holte ihn ein auf den Ebenen von Jericho, nachdem sein ganzes Heer sich von ihm zerstreut hatte. Sie aber fingen den König und führten ihn hinauf zum König von Babel nach Ribla, und man sprach das Urteil über ihn. Und sie metzelten die Söhne Zedekias vor dessen Augen nieder; danach stachen sie Zedekia die Augen aus und banden ihn mit zwei ehernen Ketten und führten ihn nach Babel.“
Hes 12,10-13: „Sage zu ihnen: So spricht GOTT, der Herr: Diese Last gilt dem Fürsten in Jerusalem und dem ganzen Haus Israel, in deren Mitte sie wohnen. Sage: Ich bin für euch ein Wahrzeichen! Wie ich es gemacht habe, so soll es ihnen gehen! In die Verbannung, in die Gefangenschaft müssen sie wandern! Und der Fürst, der in ihrer Mitte ist, wird seine Schulter beladen und sich im Finstern davonmachen. Man wird durch die Mauer brechen, um ihn da hinauszuführen; er wird sein Angesicht verhüllen, damit er mit seinen Augen das Land nicht ansehen muss. Ich will auch mein Fanggarn über ihn ausspannen, und er wird in meinem Netz gefangen werden; und ich will ihn nach Babel führen, in das Land der Chaldäer; aber er wird es nicht sehen; und dort soll er sterben.“
„… Fort mit dem Kopfbund, herunter mit der Krone!...“ (Vers 31). Der Kopfbund symbolisiert an dieser Stelle das verkommene Priestertum zur Zeit des Endes, welches durch die Priester Seraja und Zephanja repräsentiert war. Beide wurden von Nebusaradan nach Ribla geführt und dort ebenso wie zuvor Zedekias Söhne getötet.
2Kö 25,18-21: „Und der Oberste der Leibwache nahm Seraja, den Oberpriester, und Zephanja, den zweiten Priester, und die drei Hüter der Schwelle; er nahm auch einen Kämmerer aus der Stadt, der über die Kriegsleute gesetzt war, und fünf Männer, die stets vor dem König waren, die in der Stadt gefunden wurden, und den Schreiber des Heerführers, der das einfache Volk für das Heer aushob, und 60 Männer aus dem einfachen Volk, die in der Stadt gefunden wurden; diese nahm Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, und brachte sie zum König von Babel nach Ribla. Und der König von Babel ließ sie hinrichten in Ribla im Land Hamat. So wurde Juda aus seinem Land gefangen hinweggeführt.“
Dies war das Ende des Priestertums und des Königtums im alten Israel. Danach gab es auf dem Thron Israels keinen einzigen von Gott eingesetzten König mehr. Herodes war zwar zur Zeit des Herrn Jesus Christus König, aber er war kein Jude, sondern ein von den Römern eingesetzter Idumäer (Edomiter). Während des Wiederaufbaus des Tempels und der Stadt nach der Babylonischen Gefangenschaft hatte Josua das Priesteramt inne. Serubbabel hatte das Amt des politischen Führers inne. Er war jedoch ein Enkel des verfluchten Jekonja und konnte daher niemals König werden. In Sach 6,13 finden wir aus dieser Zeit den Hinweis des Propheten, dass einmal einer auf dem Thron sitzen würde, welcher zu gleicher Zeit Priester und König über Israel sein würde. Dieser Priesterkönig ist natürlich der Herr Jesus Christus. Er wird den geistlichen Tempel Gottes bauen, nämlich die Gemeinde der Gläubigen des neuen und ewigen Bundes. Der Herr ist der Hohepriester und der König seines geistlichen und ewigen Israels, nämlich der Gemeinde.
Jer 22,28-30: „Ist dieser Mann, dieser Konja, denn ein verworfenes, zertrümmertes Gefäß? Ist er ein Geschirr, an dem man keinen Gefallen findet? Warum wurde er samt seinem Samen weggeschleudert und hingeworfen in ein Land, das ihnen unbekannt ist? O Land, Land, Land, höre das Wort des HERRN! So spricht der HERR: Schreibt diesen Mann auf als kinderlos, als einen Mann, der sein Leben lang nicht gedeihen wird; ja, keiner seiner Nachkommen wird gedeihen, dass er auf dem Thron Davids sitzen und weiterhin über Juda herrschen könnte!“
Mt 1,12: „Nach der Wegführung nach Babylon zeugte Jechonja den Schealtiel; Schealtiel zeugte den Serubbabel;“
Sach 6,13: „Ja, er ist’s, der den Tempel des HERRN bauen wird, und er wird Herrlichkeit [als Schmuck] tragen und auf seinem Thron sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Thron, und der Rat des Friedens wird zwischen beiden bestehen.“
Der Herr ist derjenige, auf den Hes 21,32 hinweist. Er ist der Schilo. Dieses Wort hat zwei Bedeutungen. Es kann zum einen übersetzt werden mit Friedensbringer oder Ruhespender. Zum anderen hat es im Zusammenhang unseres Verses und im Kontext unseres Kapitels eine andere Bedeutung. Der Schilo ist „der dem das Anrecht zusteht“. Die Könige Israels und die Priester hatten jegliches Anrecht auf ihre Positionen verspielt. Sie waren unwürdig und unrein. Sie mussten im Gericht weggetan werden. Nach langen Jahrhunderten ohne König, nach langer Zeit unter einem Priesterdienst in einem Heiligtum ohne Bundeslade und ohne die Anwesenheit der Herrlichkeit Gottes gingen sowohl die hohepriesterliche Würde als auch die königliche Würde in die Hand des einen Mannes über, der alle Anrechte besitzt: Jesus Christus. Er wird seine Anrechte niemals mehr aus der Hand geben.
1Chr 17,12-14: „Der wird mir ein Haus bauen, und ich werde seinen Thron auf ewig befestigen. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein. Und ich will meine Gnade nicht von ihm weichen lassen, wie ich sie von dem weichen ließ, der vor dir war; sondern ich will ihn auf ewig über mein Haus und mein Königreich einsetzen, und sein Thron soll auf ewig fest stehen!“
Lk 1,31-33: „Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird regieren über das Haus Jakobs in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Mk 16,19: „Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, aufgenommen in den Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes.“
Hebr 8,1-2: „Die Hauptsache aber bei dem, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel, einen Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Stiftshütte, die der Herr errichtet hat und nicht ein Mensch.“
Der Rest des Kapitels redet in Vers 33-37 über Gottes Gerichtshandeln mit den Ammonitern. Sie schmähten Jerusalem als die Zerstörung kam. Gott kündigt ihnen an, dass auch sie den Tod finden und zur Hölle fahren würden. Nebukadnezar erfüllte diese Prophetie im Verlauf seines Feldzugs.
Kapitel 22
Auch dieses Kapitel kann in kurzen Worten abgehandelt werden. Gott redet über die Sünden Jerusalems und ganz Israels, welche zum Gericht geführt haben. Blutvergießen in der Stadt, Götzendienst, Gewaltherrschaft der Fürsten, Verstoßung der Witwen und Waisen, Entheiligung des Sabbats, Verleumdung, grobe sexuelle Sünden, Bestechung, unrechtmäßiger Gewinn. Sie haben in jeder Hinsicht versagt und können es nicht mehr aushalten, wenn Gott mit ihnen abrechnen wird (Vers 14). Sie sind zu Silber, Erz, Eisen, Blei, Zinn und Schlacken geworden, welche Gott nur noch in den Schmelzofen des Gerichts bringen kann. In den Versen 24-31 werden noch einmal alle Gruppen angesprochen: Die Propheten, die Priester, die Fürsten, das Volk des Landes.
Kapitel 23
Hier finden wir ganz Israel im Bild der Schwestern Ohola und Oholiba. Samaria ist Ohola, und Jerusalem ist Oholiba (Vers 4). Ohola bedeutet „ihr eigenes Zelt“ in Anspielung auf die Tatsache, dass das Nordreich Israels nach der Abspaltung vom Süden unter Jerobeam I und Rehabeam seine eigenen Heiligtümer mit der Anbetung der goldenen Kälber in Dan und Bethel besaß. Oholiba bedeutet „mein Zelt in ihr“ in Anspielung auf die Tatsache, dass im Südreich der wahre Tempel Gottes mit dem wahren Heiligtum stand.
Beide Schwestern werden als Prostituierte beschrieben, welche seit ihrer Jugend ohne Unterlass mit den verschiedensten Männern Unzucht getrieben haben. In teilweise graphischen sexuellen Bildern werden Einzelheiten dieser Unzucht mit den verschiedensten Herrschern und deren Götzen beschrieben. Die Geschichte geht zunächst von Ägypten bis zum Untergang des Nordreiches (Ohola) durch die Hand der Assyrer. Ab Vers 22 bis zum Ende des Kapitels folgt dann in aller Ausführlichkeit das Gericht Gottes über Oholiba. Innerhalb von noch vier Jahren wird es soweit sein. Jerusalem wird ebenso wie vor ihr Samaria zerstört sein.
Kapitel 24
Wir befinden uns am zehnten Tag des zehnten Monats im neunten Jahr der Vertreibung, welches zugleich auch das neunte Jahr Zedekias ist. An genau diesem Tag beginnt die Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar, und dem Propheten wird es geoffenbart.
Hes 24,1-2: „Im neunten Jahr, im zehnten Monat, am zehnten Tag des Monats, erging das Wort des HERRN an mich folgendermaßen: Menschensohn, schreibe dir den Namen dieses Tages auf, ja, eben dieses heutigen Tages; denn der König von Babel rückt an eben diesem Tag gegen Jerusalem heran!“
2Kö 25,1: „Und es geschah im neunten Jahr seiner Königsherrschaft, am zehnten Tag des zehnten Monats, da kam Nebukadnezar, der König von Babel, und sein ganzes Heer gegen Jerusalem und belagerte die Stadt; und sie bauten Belagerungstürme rings um sie her.“
Die Verse 1-14 bringen eine weitere schreckliche Symbolhandlung, welche der Prophet vor den Augen der Verbannten in Babylon ausführen muss. Ein Kessel wird mit Wasser und dem besten Fleisch gefüllt. Das Fleisch wird zusammen mit den Knochen durchgekocht und dann kochend heiß aus dem Kessel herausgenommen. Danach wird eine Brühe bereitet, und die Knochen müssen in der Hitze des Feuers anbrennen. Am Ende wird sogar der leere Topf auf dem Feuer zum Glühen gebracht, um den Rost vom Eisen zu entfernen. Es hat aber keinen Sinn, denn der Rost bleibt bestehen. Das Bild deutet auf die Schrecken der völligen Vernichtung hin. Alles Leben wird aus der Stadt hinweggenommen, und danach wird die Stadt selbst zusammen mit dem Tempel niedergebrannt. Auch in diesem fürchterlichen Gericht wird Jerusalem nicht von seinen Sünden gereinigt werden, denn es ist zu spät.
Nun wird Hesekiel von Gott in Vers 15-17 auf den plötzlichen Tod seiner Frau vorbereitet. Am Morgen muss er den Kessel erhitzen und zu dem Volk reden. Am Abend stirbt seine Frau. So wie Gott seine Frau Jerusalem verlieren wird, so verliert auch Hesekiel seine Frau. So wie Hesekiel seine Frau verliert, so wird auch Jerusalem seine Frauen, Töchter und Söhne verlieren. So wie Hesekiel nicht einmal eine Totenklage über seine Frau erheben darf, so wird auch Gott von nun an keine Klage mehr über den kommenden Tod seiner Frau erheben. Es ist vorbei. Für die kommenden etwa zwei Jahre wird Hesekiel einsam und stumm einhergehen. Er wird weiterhin nur dann seinen Mund gegenüber dem Volk öffnen können, wenn Gott ein Wort hineingelegt hat. Diese Zeit ist eine Zeit der tiefsten Trauer und Einsamkeit für den Propheten. So wie Jeremia in Jerusalem trauern und leiden muss, so muss es auch Hesekiel in der Verbannung tun. Gott kündigt jedoch an, dass die Stummheit des Propheten an dem Tag enden wird, an welchem er durch den Flüchtling aus der gefallenen Stadt die Nachricht vom Untergang bekommen wird (Vers 25-27).
Kapitel 25
Mit diesem Kapitel beginnt ein neuer Abschnitt des Buches, nämlich Hesekiels Prophetien betreffend Gottes Gerichtsworte über die benachbarten Nationen. Es handelt sich um insgesamt sieben Nationen in folgender Reihenfolge: Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Philister, Tyrus, Zidon, Ägypten. Alle diese Nationen waren auf ihre eigene Weise in den Konflikt zwischen Israel und Babylon verwickelt. Die ersten sechs Nationen beziehungsweise Städte hatten sich beim Untergang Israels durch Nebukadnezar gefreut und darin eine Gelegenheit gesehen, ihren eigenen Einfluss in Palästina zu vergrößern. Ihnen allen sagt Gott den Untergang voraus. Nur die siebte Nation Ägypten hatte aus welchen Gründen auch immer versucht, den Zusammenbruch Judas zu verhindern. Deshalb bekommt Ägypten als einzige Nation die Verheißung, in geschwächtem und verkleinertem Zustand weiter zu existieren. In der Betrachtung der folgenden Kapitel werden wir nicht allzu sehr auf die kleineren Nationen Ammon, Moab, Edom, Philistäa und Zidon eingehen. Sie werden nur kurz erwähnt. Etwas mehr soll hingegen gesagt werden über Tyrus (Kapitel 26,1 bis 28,19) und Ägypten (Kapitel 29,1 bis 32,32). Und nun los.
Die Verse 1-7 reden über Ammon. Es hat sich gefreut und gejubelt über Jerusalems Untergang. Deshalb wird auch seine eigene Hauptstadt Rabba in Trümmer fallen, das ganze Land wird zu einer Kamelweide und zum Lagerplatz der Herden werden. Die Verse 8-11 reden über Moab. Sie haben gesagt, dass Israel wie alle Heidenvölker sei und das Gleiche wie alle zu erleiden hätte. Daher werden sie zusammen mit Ammon den Söhnen des Ostens (den Arabern) zum Erbe gegeben. Das ist bis heute so geblieben. Die Verse 12-14 reden über Edom. Sie haben Rachsucht gegenüber Juda empfunden. Daher werden sie alle durch das Schwert fallen und das Land wird in Trümmer gelegt. Die Verse 15-17 reden über die Philister. Auch sie haben aus Rachsucht und ewiger Feindschaft gehandelt. Sie werden an der Meeresküste durch grimmige Züchtigung umgebracht.
Alle diese Nationen sind heute untergegangen. Ihre Gebiete werden zwar bis heute bewohnt, jedoch schon lange nicht mehr von den ursprünglichen Bevölkerungen. Man kann in unseren Tagen zwar noch ihre ehemaligen geographischen Gebiete erkennen. Es ist jedoch nicht mehr möglich, die alten Bevölkerungen zu finden, denn diese wurden ausgerottet. Die Gebiete des ehemaligen Ammon, Moab und Edom sind in unseren Tagen das Königreich Jordanien. Sie werden von haschemitischen Arabern und von einigen der Palästinenser bewohnt. Das Gebiet der ehemaligen Philister entspricht in unserer Zeit weitgehend dem Gazastreifen in Israel, und es wird von den Palästinensern bewohnt, welche ein vielgestaltiges Mischvolk von letztlich nicht ganz geklärter Herkunft sind.
Kapitel 26
Hier beginnt der Abschnitt über Tyrus. Tyrus lag im Altertum im Gebiet von Phönizien im heutigen Staatsgebiet des Libanon. Es war eine uralte und äußerst prächtige Handelsmetropole. Die Phönizier waren die besten Seeleute ihrer Zeit und bereisten mit ihren Flotten das gesamte Mittelmeer. Man kann davon ausgehen, dass sie auch noch weit über Gibraltar hinaus entlang der afrikanischen und europäischen Küsten gereist sind. Manche glauben sogar, dass es ihnen bereits in der Vorzeit gelungen sei, den Atlantik zu überqueren.
Die Tyrer hatten hervorragende Beziehungen zu David und Salomo, denn der König Hiram von Tyrus lieferte nicht nur die meisten Baumaterialien für den Tempel Salomos, sondern er stellte auch noch die wichtigsten Handwerker und Künstler für die Fertigstellung des Projekts zur Verfügung. In späterer Königszeit kam es jedoch zu einer erheblichen Verschlechterung der Beziehungen und es gab wiederholt heftige Auseinandersetzungen zwischen den Königen Israels, Syriens und des Libanon.
Tyrus blieb bis zur Zeit Nebukadnezars weiterhin eine der prächtigsten, wenn nicht die prächtigste Handelsmetropole des Altertums. Der König und das Volk der Stadt hielten sich für unbesiegbar, denn die Stadt selbst lag zum einen auf felsigem Gebiet an der Mittelmeerküste, zum anderen auf einem uneinnehmbaren Felsmassiv mitten im Meer vor der Küste. Über Jahrhunderte hinweg hatten sich alle bisherigen Feinde bei dem Versuch der Eroberung dieser Seefestung die Zähne ausgebissen. In Tyrus konnte man sicher sein im Gefühl des eigenen unermesslichen Reichtums und der militärischen Unbesiegbarkeit. Der Hochmut der Stadt war groß, und ihr Interesse war einzig und allein darauf gerichtet, den eigenen Einfluss und Reichtum in der Welt immer weiter zu steigern. Diese Mentalität der Tyrer begegnet uns in Vers 2 unseres Kapitels. Tyrus ist erfreut darüber, dass Israel nicht mehr da ist. Dieser Konkurrent hat den Tyrern bisher den Weg zu vielen Nationen versperrt, aber nun ist das Tor der Nationen endlich geöffnet.
Der Prophet muss das Gericht gegen die hochmütige Stadt verkündigen. Die Prophetie kommt im elften Jahr, am ersten Tag des Monats, also etwa vier Monate vor dem Fall Jerusalems, welcher sich am neunten Tag des vierten Monats ereignen wird:
2Kö 25,3-4: „Am neunten Tag des [vierten] Monats aber wurde die Hungersnot in der Stadt so stark, dass das einfache Volk nichts zu essen hatte. Da brach [der Feind] in die Stadt ein, und alle Kriegsleute flohen bei Nacht durch das Tor zwischen den beiden Mauern, beim Garten des Königs; und da die Chaldäer rings um die Stadt her lagen, zog man den Weg zur Arava.“
Gott sagt, dass er viele Völker wie die Wellen des Meeres gegen die Stadt heranführen wird. Genauso kam auch die historische Erfüllung. Nebukadnezar belagerte die Stadt zweimal. Zum ersten Mal in der Zeit der ersten Wegführung der Israeliten, nachdem er zuvor die Ägypter und die Assyrer besiegt hatte. Tyrus musste für kurze Zeit Tribut zahlen, kam aber dann durch eine Allianz mit Ägypten erneut für einige Zeit frei. Zum zweiten Mal kam Nebukadnezar dann unter der Regierung des Königs Ethbaal III und belagerte die Stadt vom Untergang Jerusalems an für dreizehn Jahre. Der Teil der Stadt, welcher auf dem Küstenstrich lag, wurde dem Erdboden gleichgemacht und ist nie wieder aufgebaut worden. Die Verse 1-11 unseres Kapitels reden über diese Zerstörung. Es gelang Nebukadnezar jedoch nicht, die Festung im Meer zu zerstören, auf die sich Ethbaal zurückgezogen hatte, und er zog letztendlich von der Stadt ab, da er innerhalb seines Großreiches andere Interessen verfolgte. Die Stadt existierte auf dem Felsen im Meer noch längere Zeit und konnte ihre Pracht erhalten. Die endgültige Zerstörung kam erst im Jahr 332 v.Chr. durch Alexander den Großen. Alexander schüttete mit den Trümmern der Küstenstadt einen Wall im Meer auf und konnte so den Felsen erreichen. Die Zerstörung von Tyrus geschah nun endgültig und total. Die Verse 12-21 unseres Kapitels nehmen darauf Bezug. Vers 21 betont nochmals die völlige und endgültige Zerstörung.
Kapitel 27
Hier finden wir das Klagelied des Propheten über die Stadt Tyrus. In allen Einzelheiten werden uns der verlorene Reichtum der Stadt, ihre Pracht und ihre Handelspartner geschildert. Die Beschreibung geht bis Vers 25. Ab Vers 26 redet der Prophet über die Zerstörung und über die Trauer aller Beteiligten infolge der Zerstörung. Tyrus ist verschwunden, und es ist von Babylon abgelöst worden. In Jeremia 50 und 51 finden wir dann in gleicher Ausführlichkeit das Gericht Gottes über Babylon, welches siebzig Jahre nach der Zerstörung Jerusalems durch die Hand der Meder und Perser erfolgte. Nun war auch Babylon selbst verschwunden.
Der geistliche Leser der Schrift kommt an dieser Stelle natürlich nicht umhin, das Buch der Offenbarung aufzuschlagen. Hier finden sich in den Kapiteln 17 und 18 die Beschreibung der großen Hure in all ihrer Pracht und die Schilderung des Gerichtes Gottes über sie.
Off 17,1-2: „Und einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, kam und redete mit mir und sprach zu mir: Komm!, ich will dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an den vielen Wassern sitzt, mit der die Könige der Erde Unzucht getrieben haben, und von deren Wein der Unzucht die, welche die Erde bewohnen, trunken geworden sind.“
Off 18,2-3: „Und er rief kraftvoll mit lauter Stimme und sprach: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große, und ist eine Behausung der Dämonen geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister und ein Gefängnis aller unreinen und verhassten Vögel. Denn von dem Glutwein ihrer Unzucht haben alle Völker getrunken, und die Könige der Erde haben mit ihr Unzucht getrieben, und die Kaufleute der Erde sind von ihrer gewaltigen Üppigkeit reich geworden.“
Die Beschreibung der großen Hure stimmt nahezu exakt überein mit der Beschreibung der Stadt Tyrus. In Off 18,2 finden wir ihren Namen: Es ist Babylon die Große. Hesekiel schrieb über Tyrus, die größte und prächtigste Handelsmetropole der damals bekannten Erde mit ihrem unbeschreiblichen Luxus. Jeremia schrieb über Babylon, die Beherrscherin aller Königreiche der damals bekannten Erde. Johannes schreibt über Babylon die Große, die Besitzerin von allem Luxus, aller Pracht und aller Herrschaft der ganzen Erde.
Das geistliche Prinzip ist klar. Der Luxus und die Üppigkeit von Babylon der Großen sind im Alten Testament vorgeschattet durch die Pracht der Stadt Tyrus. Die weltweite Macht von Babylon der Großen ist im Alten Testament vorgeschattet in der Macht Babylons, welche in 1Mo 11 begann, welche schon damals im Gericht Gottes zur Sprachverwirrung und zur Zerstreuung der Menschheit über die ganze Erde geführt hat, und welche in Jer 51 endet.
So wie die Kaufleute, die Seeleute und die politischen Bündnispartner über den Untergang der Üppigkeit von Tyrus bei Hesekiel und den Untergang der Macht von Babel bei Jeremia geklagt haben, so klagen sie in der Offenbarung über den Untergang der Üppigkeit und der Macht von Babylon der Großen. Babylon die Große im Buch der Offenbarung ist somit in geistlicher Hinsicht die Zusammenfassung alles dessen, was durch Tyrus und Babylon im Alten Testament vorgeschattet ist, und dies nicht nur regional begrenzt auf den alten Osten, sondern in der letzten Zeit ausgedehnt über die ganze Welt. Babylon die Große ist unser gesamtes Weltsystem ohne Gott in allen seinen Aspekten.
So wie Tyrus und Babylon im Alten Testament der Stadt Jerusalem im Land Israel gegenüberstanden, so steht Babylon die Große im Neuen Testament dem neuen Jerusalem gegenüber, nämlich der Gemeinde Jesu Christi in der Welt. Babylon die Große wird untergehen bei der Wiederkunft des Herrn Jesus Christus am letzten Tag. Das neue Jerusalem wird aus dem Himmel herab auf die neue und ewige Erde herabkommen. Der Herr wird mit all seinen Erlösten für immer zusammen sein. Doch es gibt noch mehr.
Die Bibel zeigt uns in Off 13 die beiden Tiere. Das erste Tier repräsentiert die politische, militärische und wirtschaftliche Macht der Weltsysteme, denen die Christen gegenüberstehen. Das zweite Tier repräsentiert die religiöse Macht, welche mit der politischen Macht zusammenarbeitet. Letzteres bewirkt, dass das erste Tier angebetet wird. In allen korrupten Staatssystemen dieser Welt war es ohne Ausnahme so, dass die religiösen Autoritäten den politischen Autoritäten zuarbeiteten. In Extremfällen ging es soweit, dass Einzelpersonen als Könige und Diktatoren sich in gottgleicher Weise verehren und anbeten ließen. Die dritte Kraft ist die Hure, die auf dem Tier reitet. Sowohl die politischen als auch die religiösen Mächte haben immer ihren luxuriösen Kult betrieben, um damit den Menschen zu imponieren und sie einzuschüchtern. Eine weitere Bedeutung der Hure ist allgemeiner. Die Hure ist nämlich auch die allgemeine Verführungsmacht des gesamten Weltsystems, welche die Lust der Augen, die Lust des Fleisches und den Hochmut des Lebens anspricht und die Menschen von Gott wegzieht. Hinter all diesen Verführungen steht letztlich eine geistliche Macht, nämlich der Satan. Genau diese Macht ist dann auch das Thema der nun folgenden Verse.
Kapitel 28
In den Versen 1-10 muss Hesekiel zu dem Fürsten von Tyrus reden. Es war in der damaligen Situation Ethbaal III. Er war genau der Monarch, über welchen wir soeben gesprochen haben. Er ließ sich von seinen Untertanen als Gott verehren. Er war stolz und hochmütig wegen seiner weltlichen Weisheit und seines Reichtums. Er hatte sein Herz dem Herzen Gottes gleichgestellt (Vers 6). Dies ist das genaue Gegenteil der Gesinnung des Herrn Jesus Christus in Phil 2,5-6.
„Denn ihr sollt so gesinnt sein, wie es Christus Jesus auch war, der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein;“
Der Prophet sagt dem Fürsten, dass er bald seinen Mördern gegenüberstehen wird, und fragt ihn, ob er dann noch immer seine hochmütige Gesinnung beibehalten wird. Die Antwort ist wohl klar. In den Versen 11-19 muss Hesekiel dann aber ein Klagelied anstimmen, und zwar nicht über den Fürsten, sondern über den König von Tyrus. Ethbaal III war nur ein Mensch, ein Repräsentant des wahren Herrschers über die Stadt Tyrus. Dieser wahre Herrscher wird uns nun genauer beschrieben. In den Versen 12 bis 16 wird er uns als ein wunderbarer Cherub beschrieben, welcher den Thron Gottes beschirmte und welcher infolge seines Stolzes und seines Hochmuts herabgestürzt wurde auf die Erde. Dieses Wesen kann kein Mensch mehr sein. Es ist der Satan. Vers 17 redet über seinen Hochmut, in welchem er sich Gott gleichstellen wollte. Vergleichen wir hiermit auch Jesaja 14, wo der Prophet das Spottlied über den König von Babel anstimmen muss. Auch hier wieder Tyrus und Babel!
Jes 14,12-15: „Wie bist du vom Himmel herabgefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte! Wie bist du zu Boden geschmettert, du Überwältiger der Nationen! Und doch hattest du dir in deinem Herzen vorgenommen: ›Ich will zum Himmel emporsteigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen und mich niederlassen auf dem Versammlungsberg im äußersten Norden; ich will emporfahren auf Wolkenhöhen, dem Allerhöchsten mich gleichmachen!‹ Doch ins Totenreich bist du hinabgestürzt, in die tiefste Grube!“
Es ist der gleiche König in beiden Städten, nämlich der Satan, der gefallene Cherub, der sich der gottlosen menschlichen Herrscher als Werkzeuge und Repräsentanten bedient. Auch in unserer Zeit ist es nicht anders. Der Satan ist der Fürst dieser Welt, der Gott dieses Zeitalters. Er schmeißt den Laden in dieser Welt. Aber er kann immer nur das tun, was Gott ihm erlaubt und nicht mehr. Er hat außerdem keine Zukunft, denn er wurde auf Golgatha von dem König der Könige und Herrn der Herren besiegt, von dem Herrn Jesus Christus. Er wird untergehen am letzten Tag und alle seine Nachfolger mit ihm.
Die Verse 20-23 bringen in wenigen Worten das Gericht über Zidon. Die Verse 24-26 reden über die kommende Wiederherstellung Israels, nachdem alle Feinde hinweggetan sind. Dies hat sich unter der Herrschaft der Perser, der Griechen und der Römer erfüllt. Als Jesus Christus auf die Erde kam, war Israel zwar eine Nation unter römischer Herrschaft, aber befreit von allen seinen regionalen Feinden.
Kapitel 29
Hier beginnt die Weissagung über Ägypten, welche vier ganze Kapitel einnehmen wird. Zum besseren Verständnis möchten wir auch hier zunächst einen kurzen historischen Überblick geben. Hesekiel hat mehr Interesse für Ägypten als für alle anderen umgebenden Nationen. Dies resultiert einerseits aus den politischen Gegebenheiten seiner Zeit, andererseits natürlich aus der alten Beziehung zwischen diesen beiden Nationen. Fast tausend Jahre zuvor wurde Israel aus der ägyptischen Sklaverei geführt. Gott ließ das Passahlamm schlachten und tat gewaltige Wunder der Erlösung am Roten Meer und in der Wüste. Er gab dem Volk das Gesetz vom Sinai. Danach gab es vermutlich gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts v.Chr. einen Angriff der Ägypter auf Israel mit großen Verwüstungen (Stele des Pharao Merneptah, 1213-1203 v.Chr.).
Später heiratete Salomo eine Tochter des Königs von Ägypten und nahm auch noch andere Ägypterinnen als Frauen. Bereits fünf Jahre nach Salomos Tod kam jedoch der Pharao Sisak nach Juda und nahm große Teile des Tempelschatzes mit:
1Kö 14,25-26: „Es geschah aber im fünften Jahr [der Regierung] des Königs Rehabeam, dass Sisak, der König von Ägypten, gegen Jerusalem heraufzog. Und er nahm die Schätze des Hauses des HERRN und die Schätze des königlichen Hauses, alles nahm er weg, auch alle goldenen Schilde, die Salomo hatte machen lassen.“
Im 8. Jahrhundert übernahm eine äthiopische Dynastie das Ägypterreich und stellte sich den aufstrebenden Assyrern entgegen. Jesaja musste den König Israels davor warnen, sich mit den Ägyptern gegen die Assyrer zu verbünden. Das Gleiche sagte sogar der Assyrer selbst:
2Kö 18,21: „Nun, siehe, du vertraust auf jenen geknickten Rohrstab, auf Ägypten, der jedem, der sich darauf stützt, in die Hand fährt und sie durchbohrt! So ist der Pharao, der König von Ägypten, für alle, die auf ihn vertrauen!“
Im weiteren Verlauf wurde Ägypten dann auch von Esarhaddon und Assurbanipal erobert und bis nach Theben nilaufwärts kontrolliert. Gegen Ende des siebten Jahrhunderts wurde es unter Psammetrichus I (664-610 v.Chr.) wieder unabhängig. Sein Nachfolger Necho (610-596 v.Chr.) zog mit seinem Heer den Assyrern entgegen, um ihnen im Kampf gegen die aufstrebenden Babylonier zu helfen. Auf diesem Feldzug stellte sich ihm der König Josia von Israel entgegen und wurde getötet. Necho besetzte daraufhin den Thron Jerusalems mit seiner Marionette Jojakim.
2Kö 23,29-35: „In seinen Tagen zog der Pharao Necho, der König von Ägypten, herauf gegen den König von Assyrien an den Euphratstrom; und der König Josia zog ihm entgegen; aber der Pharao tötete ihn bei Megiddo, sobald er ihn gesehen hatte. Und seine Knechte führten ihn tot von Megiddo weg und brachten ihn nach Jerusalem; und sie begruben ihn in seinem Grab. Da nahm das Volk des Landes Joahas, den Sohn Josias, und sie salbten ihn und machten ihn zum König anstelle seines Vaters. Joahas war 23 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte drei Monate lang in Jerusalem. Und der Name seiner Mutter war Hamutal; [sie war] die Tochter Jeremias von Libna. Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN, ganz wie es seine Väter getan hatten. Aber der Pharao Necho setzte ihn gefangen in Ribla, im Land Hamat, sodass er nicht mehr König war in Jerusalem; und er legte dem Land eine Geldbuße von 100 Talenten Silber und einem Talent Gold auf. Und der Pharao Necho machte Eljakim, den Sohn Josias, zum König anstelle seines Vaters Josia; und er änderte seinen Namen in Jojakim. Aber den Joahas nahm er und brachte ihn nach Ägypten, wo er starb. Und Jojakim gab das Silber und das Gold dem Pharao; doch schätzte er das Land ein, um das Silber nach dem Befehl des Pharao geben zu können; von dem Volk des Landes, von jedem nach seiner Schätzung, trieb er Silber und Gold ein, um es dem Pharao Necho zu geben.“
Bei Karkemisch und Hamath wurden die Ägypter und die Assyrer jedoch von den Babyloniern entscheidend geschlagen. Ägypten gab dennoch nicht auf, und der Pharao Hophra (589-570 v.Chr.) ermunterte auch den König Zedekia zum Widerstand gegen die Babylonier. Zedekia hörte nicht auf Jeremias Warnung. Jerusalem wurde zerstört. Hophra wurde geschlagen, und die Babylonier marschierten durch bis nach Libyen (Josephus, Altertümer, 10.11.1, §227). Dies lässt darauf schließen, dass Ägypten vollständig überrannt wurde. Hesekiels Dienst ereignete sich in genau dieser Zeit, und er sagte die vernichtende Niederlage der Ägypter mit ihren weitreichenden Konsequenzen voraus. Soweit die Geschichte. Wir kommen nun zu der Prophetie. Diese ist zu großen Teilen in poetischer und somit auch symbolträchtiger Sprache gehalten. Sie beschäftigt sich mit der siebten Nation in Hesekiels Blickfeld und besteht interessanterweise auch aus sieben Abschnitten.
Der erste Abschnitt umfasst Kapitel 29,1-16. Er stammt aus dem zehnten Jahr, vom 12. Tag des zehnten Monats der Wegführung Hesekiels. Jerusalem ist zu dieser Zeit bereits seit einem Jahr unter Belagerung. Hesekiel geht auf die Entwicklungen in Israel ein und redet über den Pharao. Hophra hatte zwar versucht, Zedekia zu unterstützen, war jedoch schnell vertrieben worden. Hesekiel verspottet ihn. Er schildert, wie das große Seeungeheuer, der große Pharao, auf die Größe eines normalen Fisches reduziert und zusammen mit allen anderen Fischen (den Ägyptern) aus dem Strom (dem Nil) herausgeholt und in die Wüste geworfen wird. Er hat niemandem geholfen, sondern war nur ein geknickter Rohrstab, eine Krücke an welcher sich verletzen musste, wer sich darauf stützte. Ab Vers 9 ist der Pharao irrelevant geworden und der Prophet redet nur noch über das Land. Was wir hier finden ist Prophetie in Form von Poesie und sarkastischer Symbolsprache, welche sich auch in den nächsten Versen fortsetzt. „Von Migdol bis Syene (Assuan)“ bedeutet auf Ägypten bezogen etwa das Gleiche als würde man in Israel sagen: „von Dan bis Beerscheba“. Gemeint ist somit das ganze Land Ägypten, welches verwüstet werden wird, was in poetischer Symbolsprache zum Ausdruck kommt.
Zweimal wird hier die Zahl 40 Jahre erwähnt. Die Zahl 40 erinnert an Kapitel 4,8 wo der Prophet 40 Tage auf der rechten Seite liegen musste, um die Schuld Judas zu tragen. Außerdem erinnert sie an die 40 Jahre der Wüstenwanderung, als die Sünder aus dem Volk Israel weggereinigt werden mussten. Es handelt sich hier um eine Zahlensymbolik um damit auszudrücken, dass eine Generation (40 Jahre) bestraft werden muss weil sie es gewagt hat, sich in Gottes Pläne für Juda und die Babylonier einzumischen. Babylon ist nämlich in der Sicht Hesekiels das Werkzeug Gottes zum Gericht, welches niemand behindern soll. Außerdem sagt Hesekiel in Symbolsprache voraus, dass Ägypten in einer Schwere gestraft werden wird, welche an die Vertreibung Israels unter die Nationen erinnert.
Der Symbolcharakter der Sprache Hesekiels wird dadurch untermauert, dass der Prophet Jeremia in den Kapiteln 43, 44 und 46 seines Buches ebenfalls über den Ägyptenfeldzug der Babylonier redet. Jeremia gebraucht dort jedoch keine Symbolsprache, sondern er benennt klar und deutlich die Akteure, die Orte und die Ereignisse. Wir haben somit im Kontext von Hesekiel keine Veranlassung, die 40 Jahre in buchstäblicher Deutung in der Geschichte Ägyptens aufzusuchen, geschweige denn sie in die Zukunft zu verorten, wie dies von verschiedenen Auslegern versucht worden ist.
Nach Ablauf der Gerichtszeit über Ägypten wird in den Versen 13-16 eine teilweise Wiederherstellung prophezeit. Ägypten wird im Land seines Ursprungs, hier als Pathros bezeichnet, als eine Nation weiterleben, welche zukünftig klein bleiben und keine andere Nation mehr bedrohen wird. Historisch hat sich dies erfüllt, indem Ägypten weiterhin unter den Persern, den Griechen und den Römern ein fremdbestimmter Vasallenstaat blieb. Auch in späterer Geschichte bis in unsere Gegenwart hinein ging von dem Land keine entscheidende Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft mehr aus.
Der zweite Abschnitt umfasst Kapitel 29,17-21. Er stammt vom Neujahrstag des siebenundzwanzigsten Jahres. Jerusalem ist hier bereits seit 16 Jahren gefallen. Hier wird gesagt, dass Nebukadnezar seinen vollen Lohn in Tyrus nicht erhalten habe. Er hatte nämlich nach dem Fall Jerusalems die Stadt Tyrus für weitere 13 Jahre belagert, hatte die Seefestung aber nicht einnehmen können. Nun sagt Gott hier, wiederum etwa zwei Jahre später durch den Propheten, dass Nebukadnezar seinen Lohn aus Ägypten bekommen wird. Wie wir bereits gesagt haben, durchzog er das ganze Land und kam bis nach Libyen. Der letzte Vers beinhaltet neue Hoffnung für Israel und für den Propheten selbst. Im ersten Versteil wird Israel die Aufrichtung eines neuen Horns verheißen, was einerseits die nationale Wiederherstellung bedeuten könnte, andererseits auch auf das noch ferne Kommen des Messias hinweisen könnte. Die Ausleger sind sich nicht einig. Im zweiten Versteil bekommt Hesekiel die Zusage, dass er im Volk als ein echter Prophet legitimiert sein wird, weil die Ereignisse eingetreten sind, von denen er zuvor geredet hat. Er wird reden können und akzeptiert werden. Dies lässt uns auch darauf schließen, dass der Prophet nach der Abfassung seines Buches noch einige Zeit gelebt hat.
Kapitel 30
Der dritte Abschnitt umfasst Kapitel 30,1-19. Man könnte ihn überschreiben mit „Klagelied über Ägypten“ oder auch mit „Der Tag des Herrn in Ägypten“. Hier wird der Feldzug Nebukadnezars in Einzelheiten erläutert, wobei auch immer wieder Symbolsprache eingeflochten wird. Auch die Nachbarvölker Kusch (Äthiopien), Put (Somalia) und Lud (Libyen) sind betroffen. Der Tag wird auch als der Tag Ägyptens bezeichnet, analog zum Tag Midians in Ri 7,22-25:
„Denn während die 300 Mann in die Hörner stießen, richtete der HERR in dem ganzen Lager das Schwert eines jeden gegen den anderen. Und das Heer floh bis Beth-Sitta, gegen Zererat, bis an das Ufer von Abel-Mechola, bei Tabbat. Und die Männer Israels von Naphtali und Asser und von ganz Manasse wurden aufgeboten und jagten den Midianitern nach. Und Gideon hatte Boten auf das ganze Bergland Ephraim gesandt und sagen lassen: Kommt herab, den Midianitern entgegen, und besetzt vor ihnen das Wasser bis nach Beth-Bara, nämlich den Jordan! Da wurden alle Männer von Ephraim aufgeboten und besetzten vor ihnen das Wasser bis nach Beth-Bara, nämlich den Jordan. Und sie fingen zwei Fürsten der Midianiter, Oreb und Seb; und sie töteten Oreb an dem Felsen Oreb, und Seb in der Kelter Seb, und sie verfolgten die Midianiter und brachten die Köpfe Orebs und Sebs zu Gideon über den Jordan.“
Der vierte Abschnitt umfasst Kapitel 30,20-26. Er kommt aus dem elften Jahr, vom siebten Tag des ersten Monats, also vier Monate vor dem Fall der Stadt. Hier könnte die Überschrift etwa lauten: „Der Zerbruch der Arme des Pharao“. Der König von Babylon wird hier als der klare Sieger über den Pharao dargestellt. Er wird dem Pharao beide Arme (bildlich gesprochen für seine Bodentruppen und seine Schiffsflotte) brechen. Die Ägypter werden zerstreut werden.
Kapitel 31
Der fünfte Abschnitt umfasst Kapitel 31,1-18. Er kommt aus dem elften Jahr, vom ersten Tag des dritten Monats, also einen Monat vor dem Fall der Stadt. Der Pharao wird hier vom Propheten rhetorisch gefragt, mit wem er denn seine Macht vergleichen könne. Bevor er antworten kann, gibt Hesekiel ihm selbst die Antwort. Der Pharao wird mit der assyrischen Zeder gleichgesetzt. Der Assyrer galt zur Zeit Hesekiels noch immer als das große Sinnbild von Macht und Kraft. Der Prophet zeichnet ein satirisch zu verstehendes positives Bild dieses ersten gewaltigen Machthabers der Geschichte. Er beschreibt quasi den Assyrer in seiner Selbstwahrnehmung und setzt diese Selbstwahrnehmung derjenigen des Pharao gleich. Die großen Herrscher sahen sich ja immer selbst als Wohltäter der Massen an, obwohl sie ihnen eigentlich Gewalt antaten. So geht es bis Vers 9.
Ab Vers 10 ändert sich der Ton schlagartig. Der Pharao wird wieder mit Du angesprochen. Ab jetzt redet der Prophet im Bild des Baumes nicht mehr scheinbar über den Assyrer, sondern klar über den Pharao. Der Baum wird in die Hand eines Mächtigen (des Babyloniers) gegeben in Vers 11. Er wird gefällt von allen Feinden aus den Völkern und liegt verlassen in Vers 12-13. In Vers 14 ergeht eine Warnung an alle hochmütigen Herrscher der Erde. Auch sie sind alle nur Menschen, die sich ihrer Schwachheit bewusst sein sollen. Die Verse 15-17 beschreiben dann, wie der Pharao in das Totenreich hinabfährt. Der Baum fällt. In Vers 18 wird dann noch einmal die Anfangsfrage an den Pharao wiederholt um deutlich zu machen, dass die gesamte Prophetie im Bild des Assyrers eigentlich über den Pharao geredet hat. Wenn der Pharao sich selbst als den Erben der Macht des Assyrers ansieht, dann soll er auch das Schicksal der Bäume des Assyrers und aller seiner Verbündeten im Totenreich teilen. Er wird dort genau wie sie auch keine Bedeutung mehr haben.
Kapitel 32
Der sechste Abschnitt umfasst Kapitel 32,1-16. Er kommt aus dem zwölften Jahr, vom ersten Tag des zwölften Monats, also eineinhalb Jahre nach dem Fall der Stadt. Die Überschrift lautet hier: „Das Schicksal des Ungeheuers Pharao“. Wir müssen nicht mehr allzu viele Worte darüber verlieren. Das Seeungeheuer wird durch das Schwert des Babyloniers vernichtet und das Land wird ebenso vernichtet.
Der siebte Abschnitt umfasst Kapitel 32,17-32. Er kommt aus dem zwölften Jahr, vom fünfzehnten Tag des zwölften Monats, also vierzehn Tage nach dem sechsten Abschnitt. Die Überschrift lautet hier: „Der Pharao und sein Heer fahren ins Totenreich“. Der liebliche Herr Ägyptens, der liebe Führer, legt sich zu den Unbeschnittenen im Scheol. Im Vers 22 wird er dort zuerst von demjenigen empfangen, mit dessen Machtfülle er sich zu seinen Lebzeiten identifiziert hat, nämlich vom Assyrer. Auch alle anderen sind da: Elam, Mesech, Tubal, Edom, alle Fürsten des Nordens, alle Zidonier. Hier gibt es keinen Mächtigen mehr, sondern nur noch Erschreckte und Erschlagene. Im Land der Lebendigen, also auf der Erde, haben sie selbst Schrecken verbreitet, aber nun sind sie völlig machtlos geworden. So geht es den Mächtigen der Erde. Hier endet die Weissagung über Ägypten.
Kapitel 33
Dieses Kapitel bringt uns gewissermaßen eine zusammenfassende Abrechnung des Dienstes des Propheten. Es ist in mehrere Abschnitte aufzuteilen. Der erste Abschnitt geht von Vers 1-6. Hier wird uns das Bild des Wächters im Krieg gezeigt, welches Hesekiel empfängt und welches er dem Volk verkündigen muss. Der Wächter hat die Aufgabe, beim ersten Anzeichen einer feindlichen Handlung oder eines Angriffs das Signalhorn zu blasen. Er muss die Bewohner auf die kommende Gefahr und auf den Weg der Rettung hinweisen. Der Wächter ist dabei nicht nur für das Leben der anderen verantwortlich, sondern auch für sein eigenes Leben. Er befindet sich ja auch selbst in der Stadt. Wenn die Menschen umkehren, dann hat er Rettung gebracht und Erfolg gesehen. Wenn die Menschen nicht umkehren, dann kommt das Schwert über sie und der Dienst des Wächters war scheinbar umsonst. Das war er jedoch in den Augen Gottes nicht, denn der Wächter hat durch den Dienst seine eigene Seele gerettet selbst dann, wenn er leiblich sterben sollte. Wenn er das Volk nicht gewarnt hätte, dann hätte Gott nämlich das Blut des Volkes von der Hand dieses Wächters gefordert.
Jerusalem stand damals nicht nur in militärischen Auseinandersetzungen, sondern bis zum Fall der Stadt auch in einem geistlichen Kampf. Die Juden mussten nicht nur die Belagerung und die Verbannung durchleben, sondern sie mussten sich auch bis zum letzten Tag immer wieder entscheiden, ob sie dem Propheten Hesekiel in der Verbannung und dem Propheten Jeremia in der Stadt glauben und gehorchen wollten. Die Juden in Jerusalem hätten bis zum letzten Tag noch immer die Gelegenheit gehabt, sich zu ergeben und kampflos die Stadt zu öffnen. Nebukadnezar hätte dann in großen Teilen Gnade walten lassen und die Zerstörungen wären begrenzt geblieben. Jeremia sagte genau dies zu Zedekia: „Geh hinaus und ergib dich.“ Zedekia gehorchte aber nicht und führte die ganze Gemeinschaft in den Untergang. Der Wächter Jeremia wurde geistlich gesprochen von der Mauer gestoßen. Hesekiel tat in der Verbannung etwas sehr Ähnliches. Er musste verkündigen, dass man sich keine falschen Hoffnungen hinsichtlich der Bewahrung Jerusalems machen sollte. Die Zerstörung würde kommen. Die Juden sollten vielmehr ihr Leben reinigen und dem Wort Gottes gehorsam sein. Auch er wurde nicht gehört.
Der Wert eines Wächteramtes vor Gott bemisst sich somit nicht am äußerlichen Ergebnis des Dienstes, sondern an der persönlichen Treue des Dieners vor Gott. Hesekiel und Jeremia blieben treu. Sie verliehen der Wahrheit bis zum letzten Tag ihres Dienstes eine Stimme, und zwar unabhängig vom äußeren Erfolg. So sollte es auch heute in unseren Gemeinden Wächter geben. Sie müssen warnen vor den Angriffen des Feindes auf die Gemeinden und auf die einzelnen Gläubigen. Gott sieht ihren Dienst auch dann, wenn ihn kein einziger Mensch wahrnimmt.
Der zweite Abschnitt von Vers 7-9 enthält die Ermahnung an den Propheten selbst, das Wort auch dem Gesetzlosen und dem Sünder zu verkündigen. Hesekiel konnte das Wort vom Kreuz noch nicht verkündigen, aber er konnte die Menschen dazu ermahnen, nach dem Gesetz Gottes zu leben und ihren Glaubensgehorsam in dieser Hinsicht zu zeigen. Hier geht es – neutestamentlich gesprochen – um Schuld und Sühne, also um das Evangelium. Gott ermahnt auch uns als Christen, dass wir auf unseren geistlichen Reichtümern nicht sitzen bleiben, sondern dass wir unsere Verantwortung gegenüber den Verlorenen in der Verkündigung des Evangeliums wahrnehmen. Nicht jeder Christ ist ein hauptamtlicher Verkündiger, aber jeder Christ kann im Alltag in Wort und Tat das Evangelium an seinem Ort weitergeben. Jeder von uns soll die Menschen vor dem kommenden Gericht warnen und das Wort der Rettung sagen.
Im dritten Abschnitt von Vers 10-20 öffnet Gott noch ein letztes Mal vor dem Ende sein Herz gegenüber dem Volk. Der Prophet muss es noch einmal laut herausrufen: Gott will nicht den Tod des Sünders! Gott will, dass der Sünder umkehrt und lebt! Kehrt doch um von eurer Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit! Es gibt noch immer Gnade, auch hier und heute! Gottes Herz ist auch in den finstersten Umständen noch bewegt mit seinem Volk. Aber die Menschen wollen nicht hören. Gott muss in Vers 20 jeden Einzelnen nach seinen eigenen Wegen richten. Als Christen haben wir eine bessere Gewissheit:
1Pe 2,25: „Denn ihr wart wie Schafe, die in die Irre gehen; jetzt aber habt ihr euch bekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen.“
Im vierten Abschnitt (Vers 21-29) kommt am fünften Tag des zehnten Monats im zwölften Jahr der Wegführung Hesekiels ein Entflohener aus Jerusalem und berichtet dem Propheten vom Untergang der Stadt. In diesem Augenblick wird der Mund des Propheten wieder geöffnet. Seine jahrelange Stummheit ist endlich vorüber. Er kann wieder frei mit den Menschen reden. Während der Jahre vor dem Untergang konnte er nur das Wort Gottes reden. Gott erlaubte ihm kein wertloses Alltagsgeschwätz. Nun ist der Prophet im Leid und in der Einsamkeit gereift, und Gott kann seine Stummheit von ihm nehmen, nachdem das Gericht vollzogen ist. Es gibt nun natürlich auch keinen geistlichen Grund mehr für den Propheten, sich dem Volk gegenüber hart und warnend zu verhalten, denn das Gericht ist ja geschehen. Dennoch muss Hesekiel hier auch noch ein letztes Gerichtswort ansagen. Das Volk muss hören, dass auch der Rest der Juden im Land noch aus den Ruinen vertrieben und sterben wird. Dies erfüllte sich in den Zerstörungen durch Nebusaradan und in der vierten Wegführung. Auch hier wird noch ein letztes Mal der klare Bezug zur Sünde des Volkes hergestellt: Hochmut und Selbstsicherheit als leibliche Nachkommen Abrahams, Essen des Fleisches mit dem Blut, Götzendienst, Greuel, Ehebruch.
Der letzte Abschnitt umfasst die Verse 30-33. Hier kommen die Verbannten zu Hesekiel, um sein Wort anzuhören. Immerhin ist der Prophet ja nun endlich dazu in der Lage, nicht nur dürre Worte Gottes auszusprechen und ansonsten stumm zu bleiben, sondern er hat jetzt auch die Fähigkeit wiedererlangt, seine Prophetien gegenüber dem Volk zu erklären und mit den Leuten darüber zu diskutieren. Das Haus Hesekiels ist ganz plötzlich zu einer religiösen Begegnungsstätte geworden! Die Leute hoffen auf wortreiche Erklärungen des Propheten hinsichtlich der Weltpolitik und auf interessante Diskussionsrunden. In Vers 31 sind sie aber nicht wirklich gedemütigt, nicht wirklich bereit zu echter Umkehr. Sie möchten in Vers 32 die eindrückliche Heilung der schönen Stimme des Propheten bestaunen und die rhetorischen Höhepunkte seines Vortrags genießen. Gott warnt den Propheten davor, sich auf dieses Denken einzulassen.
Wie sieht es bei uns heute aus? Was empfinden wir unter der Predigt des Wortes Gottes? Suchen wir den überaus fähigen Prediger mit seinem begeisternden Stil und seiner charismatischen Ausstrahlung, oder suchen wir die Botschaft des Wortes Gottes? Geht es uns um den geistlichen Inhalt der Rede oder um die Qualität der PowerPoint-Präsentation? Sind wir beim Hören noch dazu in der Lage, die Kraft des Geistes Gottes wahrzunehmen und sie von der fleischlichen Kraft des Predigers zu unterscheiden? Sind wir noch dazu in der Lage, bisweilen auch einmal ein hartes und klares Wort zu ertragen, oder müssen sich bei uns immer alle wohlfühlen? Lieber Bruder, liebe Schwester: Kommt es hin und wieder noch vor, dass Du aus einer Vormittagspredigt nicht nur beschwingt und in der Vorfreude auf dein Mittagessen hinausgehst, sondern ergriffen und geistlich bewegt?
1Kor 4,20: „Denn das Reich Gottes [besteht] nicht in Worten, sondern in Kraft!“
Kapitel 34
Hier beginnt ein ganz neuer Abschnitt des Buches, welcher bis zum Ende reichen wird. Bei Hesekiel ist es prinzipiell ähnlich wie bei Jesaja und Jeremia. Die Bücher dieser Propheten bestehen aus drei Hauptabteilungen, welche natürlich in sich immer noch weiter untergliedert sind. Zunächst kommt die Berufung des Propheten mit den darauf folgenden Prophetien hinsichtlich des Zeitgeschehens und der Situation, in welcher der Prophet zu leben hat. Die Botschaften von Warnung und Gericht über das Volk sind vorherrschend. Danach folgt jeweils ein Abschnitt mit dem Gericht über die Nationen. Zum Schluss folgen dann Prophetien über die Wiederherstellung sowie über Ereignisse der weiteren Zukunft bis zum Weltende. In diesen jeweils letzten Buchteilen sind dann immer auch hoffnungsvolle Hinweise auf neutestamentliche Wahrheiten enthalten: Das Kommen des Messias, die Gemeinde des neuen Bundes, das endzeitliche Geschehen, der ewige Zustand nach dieser Zeit. So ist es auch bei Hesekiel. Man könnte die nun folgenden Kapitel somit auch zusammenfassen unter der Überschrift „Das Evangelium nach Hesekiel“. Wir werden erkennen, dass die am Anfang des Textes genannten Prinzipien der Prophetie vielfältig anzutreffen sind. Die geistliche Ebene ist mit der zeitlichen Ebene und der Ebene der sichtbaren Ereignisse immer wieder untrennbar verwoben.
In den Versen 1-6 werden die Hirten Israels angeklagt. Diese Hirten stehen nicht nur zu Hesekiels Zeiten als Bild für die Anführer des Volkes Gottes, sowohl in religiöser als auch in politischer Hinsicht. Sie leben nicht einfach mit der Herde und ihren Erzeugnissen, sondern sie mästen sich an der Milch, am Käse und am Fleisch der Herde. Sie schlachten die Schafe, anstatt sie zu hüten. Sie kümmern sich nicht um die Schwachen, um die Kranken und um die Zerstreuten, sondern sie wenden Gewalt an. Dieses Bild deutet sowohl auf den Missbrauch religiöser als auch gesellschaftlicher und politischer Macht hin. Hier können wir an Dinge denken wie etwa Ausbeutung einfacher Leute in der Gemeinde durch gierige Leiter, die von der Arbeit der Kleinen leben. Religiöser Profit wird angestrebt. Auch Ausbeutung der Arbeiter und ungerechte Rechtsprechung sowie Hinterlist der Starken gegenüber den Schwachen im zivilen Alltagsleben gehören dazu.
In Vers 6 sehen wir dann jedoch, dass die Schafe nicht den Hirten gehören, sondern dem Herrn. Er sieht sie in der Zerstreuung, er sieht sein Volk nach der Zerstörung Jerusalems und der Verschleppung noch immer. In den Versen 7-10 werden deshalb die Hirten von Gott selbst verantwortlich gemacht und weggetan, wenn sie der Herde nicht dienen wollen. Gott sagt, dass er von nun an dafür sorgen wird, dass seine Herde von besseren Hirten gehütet wird. Er wird die schlechten Hirten bekämpfen.
In der weiteren Geschichte Israels kam es siebzig Jahre nach der Zerstörung zur Rückkehr des Überrestes nach Jerusalem unter Josua und Serubbabel. Diese Rückkehr weissagte der Prophet Jesaja bereits viele Jahrzehnte früher. Sie wurde ermöglicht durch einen Hirten, den der Herr einsetzte.
Jes 44,28: „… der von Kyrus spricht: »Er ist mein Hirte, und er wird all meinen Willen ausführen und zu Jerusalem sagen: Werde gebaut!, und zum Tempel: Werde gegründet!«“
Das Volk wurde hier auf dem richtigen Weg in Sicherheit zurückgeleitet. Josua und Serubbabel waren weitere Hirten, welche das Volk der Rückkehrer treu leiteten. Während ihrer Zeit diente der Prophet Sacharja in Jerusalem. Er ermunterte das Volk und die Anführer dazu, den Bau des Tempels und der Stadt zu vollenden. In der weiteren Geschichte kam es dann jedoch sehr bald zu einer erneuten Verschlechterung der Situation. Das Volk geriet erneut in die Hände falscher Hirten, welche es in jeder Hinsicht ausbeuteten. Sacharja bezeichnet sie in Kapitel 11 seines Buches als Junglöwen, die die Herde fressen.
Sach 11,7-8 beschreibt, wie Sacharja sich mit diesen falschen Führern anlegt und drei von ihnen absetzt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Aussagen des Buches zunächst einmal im Leben des Propheten verankert sind und dass sie auf tatsächliche Ereignisse hinweisen, welche wir nicht unmittelbar vergeistlichen dürfen. Sacharja fertigt sich zwei Hirtenstäbe an mit den Namen „Huld (Gnade)“ und „Verbindung“, und er setzt danach drei Rädelsführer ab, welche ihn hassen. Später sehen wir, dass der Prophet selbst ungeduldig über die Herde wird, und dass auch das Volk infolge der Aufwiegelung durch die falschen Führer den Propheten hasst. Dadurch wird Sacharja unwillig und weidet die Herde nicht länger. Er zerbricht seinen Stab „Huld (Gnade)“ und überlässt die Herde getrennt von der Gnade Gottes dem Lauf der Welt. Nur wenige elende und wirklich gottesfürchtige Schafe in der Herde (also nur ein gläubiger Überrest) erkennen, dass Sacharja der Diener Gottes ist und sein Wort geredet hat.
Sacharja wird von den falschen Hirten mit dem demütigenden Preis von dreißig Silberlingen für seinen von ihnen gehassten Dienst entlohnt. Er wirft diesen Lohn im Auftrag Gottes dem Töpfer hin. Er zerbricht seinen Stab „Verbindung“ und bringt somit zum Ausdruck, dass Gott ab jetzt zulassen wird, dass auch die innere Einheit des Volkes völlig zerbrechen wird. Jeder wird gegen jeden angehen, das Chaos wird überhand nehmen. Sacharja geht danach noch einmal zu dem Volk zurück und spielt ihnen das Verhalten der falschen Hirten vor, so als ob Gott sagt: „Ihr werdet jetzt genau das bekommen was ihr immer gewollt habt, aber es wird schlimm für euch werden!“ Zuletzt kann er nur noch das mit Sicherheit kommende unbarmherzige und vernichtende Gericht über die falschen Hirten ankündigen. Gott ist entschlossen, an seinem Tag ihr Ende herbeizuführen. Bis hierhin die Realität dieser Prophetie im Leben Sacharjas.
Die prophetische Erfüllung des Bildes aus dem Buch Sacharja kam natürlich durch den wirklichen guten Hirten, den Herrn Jesus Christus, welcher nach der Prophetie von Sach 9,9 demütig und auf einem Esel reitend in die Stadt Jerusalem eingezogen ist. Auch in der Zeit des Herrn war das Volk unter die Herrschaft grausamer Hirten und Käufer geraten, welche die Armen der Herde wie Löwen zerrissen und sie an die Römer verkauft hatten. Sie hatten auch das Haus des Herrn zu einer Räuberhöhle gemacht. Der Herr legte sich genau wie Sacharja mit den falschen Hirten an. In der letzten Woche seines Lebens setzte er in seinen harten Diskussionen mit den Gegnern drei Gruppen von ihnen ab: Die Pharisäer, Sadduzäer und Herodianer. Außerdem reinigte er den Tempel von den Käufern und Verkäufern. Die Pharisäer und die Mehrheit der Juden hassten ihn dafür. In der letzten Nacht seines Lebens wurde er von Judas Iskariot für den gleichen Preis wie Sacharja an die Pharisäer verraten.
Nur ein kleiner, elender Überrest (nämlich die anderen Jünger und einige wenige aus dem Volk Israel) erkannte, dass der Herr der Sohn des lebendigen Gottes war, der große Prophet, der Messiaskönig Israels. Nach der Verhaftung des Herrn warf Judas die dreißig Silberlinge zurück in den Tempel, und die Pharisäer kauften dafür den Acker des Töpfers. In seiner letzten großen Anklage gegen die Pharisäer spricht der Herr in Mt 23 den endgültigen Fluch und das große Wehe nach Jes 5,20-26 über die Pharisäer, den Tempel, das Volk und die Stadt aus. Das Volk wird ohne die Gnade des Hirten leben, den es getötet hat, es wird einer gegen den anderen aufstehen, und das geistliche und materielle Chaos wird in der totalen Zerstörung der Stadt durch die Römer im Jahr 70 n.Chr. enden. In dieser letzten Belagerung Jerusalems kam es sogar zum Kannibalismus. Das Volk fraß nicht nur geistlich einander auf, sondern auch leiblich.
Dieser gute Hirte Israels wird von Hesekiel ab Vers 11 unseres Kapitels schrittweise angekündigt und näher beschrieben. In den Versen 11-16 redet Hesekiel über die äußere Wiederherstellung nach der Gefangenschaft. Die Herde wird wieder auf den Weiden Israels leben. Über den Hirten Kyros haben wir bereits gesprochen. Gott selbst wird sie weiden. Er wird das Verscheuchte zurückholen und das Verwundete verbinden, das Schwache stärken und die Fetten und Starken vertilgen. Die Verse 17-22 reden über die Rettung Gottes von inneren Bedrohungen. Gott kündigt an, dass er selbst den Schafen Recht verschaffen wird. Das Verhalten der bösen Hirten wird er nicht länger dulden. Er wird den mageren Schafen gegen die fetten Schafe zu Hilfe kommen. Die Verse 23-31 reden über die Art und Weise dieser Errettung. Ein einziger Hirte wird für sie erweckt werden (Vers 23). Der Name David weist hier nicht im buchstäblichen Sinn auf den auferstandenen König Israels hin, sondern er bezeichnet die Dynastie, aus welcher der Hirtenkönig kommen wird.
Jer 30,8-9: „Und es soll geschehen an jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, dass ich sein Joch von deinem Hals wegnehmen und zerbrechen werde und deine Fesseln zerreiße, sodass Fremde ihn nicht mehr knechten sollen; sondern sie werden dem HERRN, ihrem Gott, dienen und ihrem König David, den ich ihnen erwecken will.“
1Chr 17,11-12: „Und es wird geschehen, wenn deine Tage erfüllt sind, sodass du zu deinen Vätern hingehst, so will ich deinen Samen nach dir erwecken, der von deinen Söhnen sein wird; und ich werde sein Königtum befestigen. Der wird mir ein Haus bauen, und ich werde seinen Thron auf ewig befestigen.“
Lk 1,31-33: „Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird regieren über das Haus Jakobs in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Dieser Hirte wird auch der Knecht des Herrn sein (Vers 23). Gott wird genau zu der Zeit der Einsetzung dieses Hirten einen Friedensbund mit dem Volk schließen (Vers 25). Dies weist zurück auf Kapitel 16,60-63 wo Gott seinem Volk diesen ewigen Bund ankündigt, und wo die einst untreue Frau Gottes sich ihrer Sünden schämt, wenn ihr alles vergeben wird. Dies kann nur der Neue Bund sein, denn nur dieser Bund ist ewig.
Jes 54,7-10: „Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen; aber mit großer Barmherzigkeit werde ich dich sammeln. In überwallendem Zorn habe ich einen Augenblick mein Angesicht vor dir verborgen; aber mit ewiger Gnade will ich mich über dich erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. Und das soll mir sein wie die Wasser Noahs: Denn wie ich geschworen habe, dass die Wasser Noahs nie mehr die Erde überfluten sollen, so habe ich geschworen, dass ich nie mehr über dich zornig werden noch dich schelten werde. Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht der HERR, dein Erbarmer.“
In diesem neuen und ewigen Bund des Friedens werden sie Regen haben zu seiner Zeit, nämlich die Regengüsse des Segens Gottes. Die Bäume des Feldes werden ihren Ertrag bringen, sie werden sicher im Land wohnen (hier die gleiche Formulierung wie in Kapitel 38,11) und werden erkennen dass Gott der Herr ist. Die wilden Tiere werden nicht mehr im Land sein, und niemand wird sie erschrecken. Sie werden keine Beute der Heiden mehr sein. Sie werden die Herde des guten Hirten und die Schafe seiner Weide sein. In geistlicher Betrachtungsweise erschließt sich dem Leser diese Prophetie im Licht des Alten und des Neuen Testamentes klar und deutlich.
Ps 23,1-4: „Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf grünen Auen und führt mich zu stillen Wassern. Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und wenn ich auch wanderte durchs Tal der Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.“
Jes 11,6-9: „Da wird der Wolf bei dem Lämmlein wohnen und der Leopard sich bei dem Böcklein niederlegen. Das Kalb, der junge Löwe und das Mastvieh werden beieinander sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Die Kuh und die Bärin werden miteinander weiden und ihre Jungen zusammen lagern, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Der Säugling wird spielen am Schlupfloch der Natter und der Entwöhnte seine Hand nach der Höhle der Otter ausstrecken. Sie werden nichts Böses tun, noch verderbt handeln auf dem ganzen Berg meines Heiligtums; denn die Erde wird erfüllt sein von der Erkenntnis des HERRN, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“
Hos 2,20-25: „An jenem Tag will ich auch zu ihren Gunsten einen Bund schließen mit den Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit allem, was auf Erden kriecht; und ich will Bogen, Schwert und alles Kriegsgerät im Land zerbrechen und sie sicher wohnen lassen. Und ich will dich mir verloben auf ewig, ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Erbarmen; ja, ich will dich mir verloben in Treue, und du wirst den HERRN erkennen! Und es soll geschehen an jenem Tag, spricht der HERR, da will ich antworten; ich will dem Himmel antworten, und er soll der Erde antworten; und die Erde wird antworten mit Korn, Most und Öl, und diese werden Jesreel antworten. Und ich will sie mir im Land ansäen und mich über die »Unbegnadigte« erbarmen und zu »Nicht-mein-Volk« sagen: »Du bist mein Volk!«, und es wird sagen: »Du bist mein Gott!«“
Joh 10,14-16: „Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und bin den Meinen bekannt, gleichwie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die nicht aus dieser Schafhürde sind; auch diese muss ich führen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein.“
Joh 10,27-29: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters reißen.“
Kapitel 35
Dieses Kapitel kann wieder in kurzen Worten abgehandelt werden. Es geht nochmals um das Gericht über Edom (Seir). Warum steht es gerade an dieser Stelle? Wir werden in Kapitel 36 sehen, wie das Land und das Volk wiederhergestellt werden. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass zuvor alle Feinde weggetan worden sind. Eigentlich wurden diese Dinge ja bereits in den Kapiteln 25-32 besprochen und man sollte meinen, dass dies nun nicht mehr nötig sei. Geistlich gesprochen zeigt Gott uns jedoch durch dieses Kapitel noch einmal die Abfolge seines Handelns an. Die Wiederherstellung seines eigenen Volkes Israel wird gerade im Kontext mit der Vernichtung aller Feinde geschehen. Und zweitens: Warum gerade Edom? Seir repräsentiert hier unter seinem Namen in geistlicher Weise alle diese Feinde. Es wird stellvertretend für alle ausgewählt wegen seiner geographischen Nähe zum Land und wegen seiner langdauernden, extrem hasserfüllten Feindschaft gegenüber Israel. Die Rivalität zwischen Jakob und Esau (dem Vater Edoms) begann bereits im Mutterleib und setzte sich im Leben der Zwillingsbrüder fort. Siehe hierzu 1Mo 27,41-45; 1Mo 32,4-22; 1Mo 33,1-16. Stellvertretend soll hier nur ein Vers angeführt werden.
1Mo 25,22-23: „Und die Kinder stießen sich in ihrem Schoß. Da sprach sie: Wenn es so gehen soll, warum bin ich denn in diesen Zustand gekommen? Und sie ging hin, um den HERRN zu fragen. Und der HERR sprach zu ihr: Zwei Völker sind in deinem Leib, und zwei Stämme werden sich aus deinem Schoß scheiden; und ein Volk wird dem anderen überlegen sein, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“
Amos redet ebenso über diese Feindschaft (Am 1,11-12) wie Jesaja (Jes 34,5-15; Jes 63,1-6: hier ebenfalls die geistliche Verbindung zu Edom als Stellvertreter für alle Nationen). Die Schuld Edoms wurde dadurch noch vergrößert, dass sie nach dem Feldzug Nebukadnezars die letzten versprengten Israeliten im Land aufspürten und ermordeten. Dies war Brudermord. Sie wollten das nun verlassene Gebiet Südisraels für sich selbst erobern. Dabei übersahen sie die Tatsache, dass das Land Gott gehört und dass sein Auge noch immer darauf ruhte. Gott nahm ihnen übel, dass sie sich an seinem persönlichen Eigentum vergreifen wollten. Dazu kam ihre extreme Schadenfreude beim Untergang ihres Bruders Israel (Vers 15). Die Einzelheiten des Gerichtshandelns Gottes müssen hier nicht mehr ausführlich benannt werden. Es geht um das Prinzip.
Kapitel 36
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Rückkehr Israels in das Land. Im Vordergrund stehen die Wiederherstellung und die Umwandlung des Landes, danach wird auch über das darin lebende Volk gesprochen. Auch hier findet eine Umwandlung statt:
1Kor 15,46-49: „Aber nicht das Geistliche ist das Erste, sondern das Natürliche, danach [kommt] das Geistliche. Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch ist der Herr aus dem Himmel. Wie der Irdische beschaffen ist, so sind auch die Irdischen; und wie der Himmlische beschaffen ist, so sind auch die Himmlischen. Und wie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen.“
Um einen neuen Anfang mit dem Land machen zu können, müssen zuerst die Probleme der Vergangenheit gelöst sein. Daher redet Gott in den Versen 1-7 zunächst über die feindlichen Nationen. Der Ansprechpartner des Herrn sind aber nicht die Israeliten, sondern Gott spricht direkt zu den Bergen Israels und zum Land. Den Grund dafür werden wir bald erkennen. Auch die Feinde werden sehr bald die Gedanken Gottes über sein eigenes Land und über die eine Nation erkennen, welche es für immer bewohnen wird.
Nach der Zerstörung durch die Babylonier sind die Feinde aus allen Richtungen in das Land gekommen. Die Berge Israels sind den Eindringlingen zum Raub und zum Gespött geworden (Vers 4). Das Gespött betrifft das Versagen des Landes, die richtige Beziehung zu Gott aufrecht zu erhalten. Anstatt Sicherheit für ihre Bewohner zu bieten, stehen die Berge und das Land in den Augen der Feinde noch immer als eine Gegend da, die ihre Bewohner verschlingt.
4Mo 13,32: „Und sie brachten das Land, das sie erkundet hatten, in Verruf bei den Kindern Israels und sprachen: Das Land, das wir durchzogen haben, um es auszukundschaften, ist ein Land, das seine Einwohner frisst, und alles Volk, das wir darin sahen, sind Leute von hohem Wuchs.“
Der Gott des Landes, nämlich der Herr, war in den Augen der Feinde offenbar nicht dazu in der Lage, sein Volk zu bewahren. Daher war es nun offenbar auch erlaubt, das verödete Land einfach zu übernehmen. Die Feinde haben allerdings nicht mit der zu erwartenden Antwort Gottes gerechnet. Sie werden erfahren, dass Gott sein Land verteidigt, und zwar nicht wegen seines treulosen Volkes, sondern wegen der Ehre seines eigenen Namens. Aus diesem Grund kommt zuerst das Land und dann erst das Volk. Der Herr schwört in Vers 7, dass die umliegenden Völker ihre Schmach tragen sollen.
In den Versen 8-15 geht es um die Zukunft des verödeten Landes. Die Berge Israels sollen wieder Frucht tragen. Sie werden wieder mit Menschen und Vieh bevölkert werden. Es soll ihnen mehr Gutes erwiesen werden als jemals zuvor (Vers 11). Die Menschen auf den Bergen werden keine Fremden mehr sein, sondern nur noch das Volk Israel. Das Land wird nicht mehr eine Menschenfresserin genannt werden können, denn das Volk darin wird nicht mehr zu Fall kommen. Das Land wird nicht mehr den Hohn der Völker zu tragen haben (Verse 12-15). Dies bedeutet dann natürlich auch einen neuen Tag für das Volk. Dennoch bleibt bestehen: Erst das Land, dann das Volk. Erst die Ehre Gottes, dann die Menschen.
In geistlicher Betrachtung eröffnet sich hier eine weitere Perspektive. Das Land und die darin lebenden Menschen werden umgewandelt. Alles ist neu geworden. Der Leser beginnt über ein geistliches Volk in einem geistlichen Land nachzudenken, welches das Fleisch der Bewohner nicht mehr verschlingt.
2Kor 5,17-18: „Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden! Das alles aber [kommt] von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesus Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat;“
Im weiteren Verlauf werden wir nun sehen, auf welche Weise Gott seine Ehre wiederherstellt. In den Versen 16-21 redet Gott über die unrühmliche Vergangenheit seines Volkes und die daraus resultierende Zerstreuung unter die Nationen. Das Land war durch die Wege und die Taten Israels verunreinigt. Zur Reinigung des Landes war es notwendig, dass die versäumten Sabbate eingehalten würden. So wie eine Frau in der Menstruation eine siebentägige Zeit der Unreinheit unter dem Gesetz Moses zu durchleben hatte (Vers 17 und 3Mo 12,2), so wird das verunreinigte Land siebzig Jahre wüst liegen, um siebzig Sabbate der Ruhe nachzuholen. Danach wird es in Gottes Augen wieder rein sein.
Der Prophet Jeremia gibt diese Zeitspanne der Vertreibung in Kapitel 29,10 seines Buches an. Geistlich gesprochen besteht hier auch eine Verbindung zu den Jahrsabbaten in 3Mo 25 und zu den Jahrwochen in Dan 9,24-27. (Für eine etwas genauere Auslegung dieser Dinge verweisen wir auf unseren Text: „Daniel besser verstehen. Der innere Zusammenhang seiner Visionen“ unter www.DieLetzteStunde.de.) Gott wird vor den Augen aller Nationen sein Volk zurückbringen und allen Nationen zeigen, dass er sehr wohl dazu in der Lage ist, sein Volk und sein Land zu bewahren. Seine Ehre in der Öffentlichkeit wird wiederhergestellt sein.
Vers 22-24 redet über die Heiligung des Namens Gottes in der Rückführung. Ab Vers 25 kommt dann ein ganz neuer Aspekt ins Spiel, nämlich die Umwandlung des zurückgeführten Volkes. Es handelt sich zunächst um eine rituelle Waschung und geistliche Reinigung, welche von den Israeliten auch so verstanden werden musste. Was dann allerdings noch hinzukommt, ist die völlige Erneuerung der Herzen des Volkes, die Gabe eines erneuerten Geistes und die Gabe des Heiligen Geistes Gottes in das erneuerte Herz. Diese geistliche Herztransplantation kann kein Mensch selbst durchführen, sondern nur Gott allein. Der Eingriff Gottes wird dazu führen, dass das Volk in seinem Denken und Handeln umgewandelt sein wird. Jeremia beschreibt etwa zu gleicher Zeit in Jerusalem etwas ganz ähnliches
Jer 31,31-34: „Siehe, es kommen Tage, spricht der HERR, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde; nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern schloss an dem Tag, da ich sie bei der Hand ergriff, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen; denn sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl ich doch ihr Eheherr war, spricht der HERR. Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schließen werde, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Innerstes hineinlegen und es auf ihre Herzen schreiben, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein; und es wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner mehr seinen Bruder lehren und sagen: »Erkenne den HERRN!« Denn sie werden mich alle kennen, vom Kleinsten bis zum Größten unter ihnen, spricht der HERR; denn ich werde ihre Missetat vergeben und an ihre Sünde nicht mehr gedenken!“
Die Umwandlung der Herzen wird nach Jeremias klaren Worten in untrennbarer Verbindung mit dem neuen Bund des Friedens stehen, von welchem wir bereits in den Kapiteln 16 und 34 gehört haben. Die neutestamentliche Bedeutung zeigt uns schließlich der Hebräerbrief:
Hebr 8,8-13: „Denn er tadelt doch, indem er zu ihnen spricht: »Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde; nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern gemacht habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten zu führen – denn sie sind nicht in meinem Bund geblieben, und ich ließ sie gehen, spricht der Herr –, sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Ich will ihnen meine Gesetze in den Sinn geben und sie in ihre Herzen schreiben; und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Und es wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner mehr seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Herrn! Denn es werden mich alle kennen, vom Kleinsten bis zum Größten unter ihnen; denn ich werde gnädig sein gegen ihre Ungerechtigkeiten, und an ihre Sünden und ihre Gesetzlosigkeiten werde ich nicht mehr gedenken.« Indem er sagt: »Einen neuen«, hat er den ersten [Bund] für veraltet erklärt; was aber veraltet ist und sich überlebt hat, das wird bald verschwinden.“
Somit können wir sagen, dass wir hier in unserem Kapitel einen Blick auf Gottes zukünftiges geistliches Israel haben, welches die Gemeinde Christi im neuen Bund ist. Die Gläubigen der Gemeinde Christi sind geistliche Juden in den Augen Gottes. Sie sind beschnitten mit einer Beschneidung ohne Hände und rühmen sich Christi. Sie sind bereits jetzt angekommen auf dem himmlischen Berg Zion im himmlischen Land, welches ihnen niemand mehr streitig machen kann. In der neuen und ewigen Schöpfung nach der Wiederkunft Christi werden sie die Stadt Gottes auf der neuen Erde bevölkern. Sie wohnen schon jetzt in geistlicher Sicherheit, und sie werden einst in völliger geistlicher und leiblicher Sicherheit wohnen.
Rö 2,28-29: „Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist; auch ist nicht das die Beschneidung, die äußerlich am Fleisch geschieht; sondern der ist ein Jude, der es innerlich ist, und [seine] Beschneidung [geschieht] am Herzen, im Geist, nicht dem Buchstaben nach. Seine Anerkennung kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.“
Rö 4,11-12: „Und er empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er schon im unbeschnittenen Zustand hatte, damit er ein Vater aller unbeschnittenen Gläubigen sei, damit auch ihnen die Gerechtigkeit angerechnet werde; und auch ein Vater der Beschnittenen, die nicht nur aus der Beschneidung sind, sondern die auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, den unser Vater Abraham hatte, als er noch unbeschnitten war.“
Phil 3,3: „Denn wir sind die Beschneidung, die wir Gott im Geist dienen und uns in Christus Jesus rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen, …“
Kol 2,11: „In ihm seid ihr auch beschnitten mit einer Beschneidung, die nicht von Menschenhand geschehen ist, durch das Ablegen des fleischlichen Leibes der Sünden, in der Beschneidung des Christus, …“
Hebr 12,22-24: „… sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu Zehntausenden von Engeln, zu der Festversammlung und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten, und zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes, und zu dem Blut der Besprengung, das Besseres redet als [das Blut] Abels.
Off 21,2-3: „Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabsteigen, zubereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen; und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott.“
Diese völlige und ewige Erneuerung von Land und Menschen ist historisch vorgeschattet durch die Rückkehr der Israeliten nach der babylonischen Gefangenschaft. Eine Zahl von 42.360 Leuten kehrte in der ersten Welle zurück. Sie waren demütig vor dem Herrn, schämten sich der Vergangenheit Israels und gingen im Vertrauen auf Gott an das Werk der Wiederherstellung der Stadt und des Tempels. Wie wir wissen wurden nach der Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn auch dieser zweite Tempel und die Stadt zerstört.
Bevor dies geschah, wurde jedoch an Pfingsten der geistliche Tempel des neuen Bundes gegründet, nämlich die Gemeinde Christi. Dieser Tempel ist schon jetzt geistlich gesprochen in völliger Sicherheit. Kein Feind kann ihn zerstören, und er wird von Gott selbst durch den Heiligen Geist vollendet sein bei der Wiederkunft Christi. Der Tempel des Heiligen Geistes ist gemäß neutestamentlicher Lehre zugleich auch das neue und ewige Jerusalem, das Haus Gottes und der Leib Christi. Die Christen wohnen somit geistlich betrachtet bereits heute in der offenen Stadt Christi, welche in völliger Sicherheit liegt. Sie wohnen schon jetzt in dem offenen Land Gottes, in den himmlischen Örtern, die kein Feind mehr erobern kann. Alle diese Dinge sind in unserem vorliegenden Prophetenwort angedeutet, und wir dürfen sie bei der Betrachtung dieses Kapitels nicht außer Acht lassen. Die soeben genannte gedankliche Ebene wird uns von nun an im weiteren Verlauf des Buches begleiten und die Auslegung der folgenden Kapitel beeinflussen. Behalten wir sie also im Hinterkopf.
Zahlreiche Christen erwarten für die nahe Zukunft einen nochmaligen Wiederaufbau des steinernen Tempels in Jerusalem, in welchem dann der menschliche Antichrist in Person sitzen soll. Dies kann angesichts der gegenwärtigen Weltentwicklungen nicht völlig ausgeschlossen werden. Möglicherweise wird Gott dies alles erlauben, denn wir erkennen in der Schrift sowohl seinen herrschenden Willen, als auch seinen wünschenden Willen und seinen erlaubenden Willen. Wenn Gott es nicht erlaubt hätte, dass der neuzeitliche Staat Israel entstehen würde, dann gäbe es ihn nicht. Eine andere Frage ist die, ob es sich bei der Entstehung dieses neuzeitlichen Staates Israels um das Wunder der Erfüllung alttestamentlicher Prophetie handelt, oder lediglich um das Ergebnis jahrzehntelanger und weltweit koordinierter menschlicher Anstrengungen unter der Zulassung Gottes. Im letztgenannten Fall wäre es dann so, dass Gott die gegenwärtigen Weltentwicklungen eigentlich nicht in den Wünschen seines Herzens hat, sondern dass er sie unter seinem erlaubenden Willen zulässt, weil er ihnen in seinen Plänen mit dieser Welt einen Platz zugewiesen hat.
Gott würde es dann nämlich erlauben, dass die politischen Kräfte in unserer Zeit eine Nation Großisrael im Nahen Osten anstreben und vielleicht auch herbeiführen, worin Jerusalem mit dem dritten Tempel die Hauptstadt der ganzen Erde sein soll und es vielleicht sogar für eine Zeit sein wird. Die jüdischen Talmudrabbiner, die kabbalistischen Rabbiner, die christlichen Zionisten und die politischen Zionisten reden hier über eine zu erwartende Zeitspanne von 1000 Jahren, obwohl die Bibel dies nicht so lehrt. Die jüdischen Rabbiner, welche seit der Babylonischen Gefangenschaft vor fast 2500 Jahren die Lehren des Talmud und der Kabbala entwickelt haben und sie bis heute aktiv vertreten, erwarten zudem zwei Messiasse, welche kurz aufeinander folgen und Israel durch eine siebenjährige Drangsal hindurch zur tausendjährigen Herrschaft über die Erde führen sollen. Wir verweisen hierzu auf unseren Text: „Der Nahostkonflikt aus Sicht der Bibel“ unter www.DieLetzteStunde.de, werden aber auch selbst gleich noch etwas mehr dazu sagen müssen. Das weitere Geschehen muss abgewartet werden. Vieles erscheint möglich. Doch nun noch einmal kurz zurück zu unserem Kapitel.
Die Verse 33-38 reden noch einmal über die Zustände in diesem wiederhergestellten Israel. Die Prophetie wurde zunächst in der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft erfüllt. Beim Kommen des Herrn war Israel wieder ein aufgebautes Land. In einer zweiten Erfüllung wäre es in Anbetracht der vorstehenden Erläuterungen auch durchaus denkbar, dass aus dem derzeitigen Israel im Nahen Osten unter der Zulassung Gottes noch einmal ein Staat werden könnte, welcher als eine blühende Großmacht in der ganzen Welt anerkannt werden würde. Es ist nicht unmöglich, das Israel noch einmal solch eine Zeit erleben könnte. Ein tausendjähriges Reich nach der Wiederkunft Christi kann der Schreiber jedoch nach gewissenhaftem Studium der Bibel nicht erkennen. Wir warten es einfach ab in Demut und Geduld.
Kapitel 37-39
Diese drei Kapitel möchten wir im Zusammenhang betrachten, denn sie stellen eine geistliche Einheit dar. Bereits in der Einleitung zum Text wurde betont, dass wir uns insbesondere bei der Auslegung biblischer Prophetie stets der Tatsache bewusst bleiben müssen, dass die Heilige Schrift in ihrer Gesamtheit wie ein weites Meer ist, dessen Tiefen wir als Menschen nur begrenzt ausloten können. Nur Gott der Vater, der Sohn Jesus Christus und der Geist Gottes wissen alles. Dies gilt ab jetzt in ganz besonderer Art und Weise.
Wir haben in unserem bisherigen Gedankengang den (hoffentlich zumindest teilweise erfolgreichen) Versuch unternommen, zahlreiche Probleme besser verständlich zu machen. Wir müssen jedoch bekennen, dass uns der Versuch der Auslegung der nun folgenden Kapitel endgültig vor dem Herrn auf die Knie bringt. Vieles von dem was nun folgt wird auch am Ende unseres Auslegungsversuches noch immer mit einem Fragezeichen versehen bleiben.
Um die Verwirrung nicht allzu sehr zu steigern, werden wir zweigleisig vorgehen. Zunächst werden die drei Kapitel gemäß den Überzeugungen der Vertreter des jüdischen (religiös-politischen) und des christlichen Zionismus erläutert. Diese Überzeugungen sind in Form der Lehre des Dispensationalismus seit den 1830er Jahren durch die Scofield-Bibel in der gesamten Christenheit des Westens verbreitet. Danach wird eine alternative Deutungsmöglichkeit dargelegt.
A) Die Deutung nach rabbinisch-zionistischer und dispensationalistischer Sichtweise
Hier wird eine überwiegend buchstäbliche Deutung des Textes angestrebt, welcher nur an den Stellen geistlich betrachtet wird, an denen der Symbolcharakter der Sprache augenfällig ist. Bereits kurz nach dem Untergang des alten Israel während der babylonischen Gefangenschaft und in der Zeit bis zum Kommen des Herrn Jesus Christus entstanden Gruppen von jüdischen Schriftgelehrten, welche die Aussagen der Propheten in buchstäblichem Textverständnis sowohl auf die damalige Situation Israels als auch auf die noch zu erwartende Zukunft der irdischen Nation bis zum Ende der Welt anwendeten. Sie erwarteten nach dem Untergang ihres Reiches das Kommen eines Messias, welcher alle politischen und militärischen Feinde besiegen und ihnen selbst ihr politisch-militärisches Königreich zurückgeben würde. Dieses Reich würde dann aber nicht nur in Israel bestehen, sondern für 1000 Jahre die gesamte Erde einnehmen.
Neben dem Bibeltext wurden gleichrangig die Werke des Talmud und des Zohar (jüdische Kabbala) gesehen. Zusammen mit dem Bibeltext wurden diese Schriften in ein kompliziertes rabbinisches Lehrgebäude verwoben, welches zunächst nur in mündlicher Tradition existierte und erst in nachchristlicher Zeit schriftlich niedergelegt wurde. Die Hauptgruppen dieser Schriftgelehrten waren die Sopherim, die Tannaim und die Amorim, welche ihren Dienst in vorchristlicher Zeit begannen und erst etwa im dritten nachchristlichen Jahrhundert beendeten. So war zum Beispiel auch der Pharisäer Saulus von Tarsus ein Tanna zur Zeit des Herrn Jesus Christus. Er wurde später zu dem Apostel Paulus.
Der Herr kam nach Israel und wies sich durch seinen Dienst als der Messias aus. Allerdings sagte er, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei (Joh 18,36). Die jüdischen Schriftgelehrten und Pharisäer erwarteten jedoch sehr wohl dieses Reich, und so lehnten sie den Herrn ab. Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. blieb die jüdische Messiaserwartung ungebrochen. Die jüdischen Talmud-Rabbiner und Kabbala-Rabbiner haben sie durch die Jahrhunderte hindurch aufrechterhalten und sogar noch weiterentwickelt. Als ein Teil dieser Lehre wurde im Verlauf der letzten 300-400 Jahre immer mehr betont, dass die Juden als irdische Nation nicht einfach passiv das Kommen des Messias erwarten sollen, während sie in der weltweiten Zerstreuung sind. Dies ist nämlich bis heute die Lehre der orthodoxen Thora-Rabbiner, welche hierin den Vertretern der zionistischen Überzeugungen innerhalb des Judentums entgegenstehen. Vielmehr sollen die Juden sich auf allen Ebenen ihres Daseins (weltpolitisch, gesellschaftlich, religiös, ja sogar militärisch) mit aller Kraft darum bemühen, das Kommen des Messias, des dritten Tempels in Jerusalem, der Weltmachtstellung Israels und seines 1000-jährigen Weltreiches aktiv zu beschleunigen.
Die politische Bewegung des Zionismus hat ab dem Ende des 19. Jahrhunderts auf der offiziellen Weltbühne diese gewaltige Aufgabe in Angriff genommen. Ihre Anhänger gehen davon aus, dass die alten Lehren der talmudischen und kabbalistischen Rabbiner bis heute in vollem Umfang gültig sind. Sie nehmen sich dabei selbst als Werkzeuge wahr, ja sogar als aktive Mitarbeiter Gottes in der Erfüllung seiner Prophetenworte. Die weltweite Bewegung des religiösen und politischen Zionismus innerhalb der Gesamtheit des Judentums arbeitet somit bis in unsere Tage hinein aktiv daran, die politischen und religiösen Weltszenarien herbeizuführen, welche sie in den prophetischen Aussagen der Bibel zu erkennen meint. Die Ankunft der beiden Messiasse der Juden steht nach ihrer Überzeugung unmittelbar bevor. Der Mashiach ben Yoseph wird die wiedergegründete irdische Nation Israels im Nahen Osten durch eine siebenjährige Zeit gewaltiger Drangsal hindurchführen. Nach ihm wird dann der Mashiach ben David erscheinen und die Nation in die Segnungen des 1000-jährigen Reiches einführen.
Die Lehre des Dispensationalismus hat diese jüdischen Überzeugungen in leicht veränderter Form bereits seit etwa 1830 in die Christenheit eingeführt. Auf dieser Grundlage hat sich innerhalb der Christenheit die Gruppe der christlichen Zionisten entwickelt, welche seit der Gründungszeit der zionistischen Bewegung der Juden bis heute fest an der Seite Israels steht und teilweise auch aktiv in die Politik des Nahen Ostens eingreift. Die nun folgende kurzgefasste Deutung entspricht der Überzeugung dieser Christen.
Kapitel 37
Der Prophet wird vom Geist Gottes auf eine Talebene im Land Israel geführt. Die Totengebeine in dieser Ebene sind in geistlicher Betrachtung die alte Nation Israel, welche vor nunmehr fast 2000 Jahren untergegangen ist. Gott setzt die Knochen auf das Wort des Propheten hin wieder zusammen, überzieht sie mit Sehnen, Muskeln und Haut. In diesem Bild ist zunächst die Neuentstehung der heutigen Nation Israel im mittleren Osten zu erkennen. Die Staatsgründung Israels, welche sich nach der Katastrophe des Holocaust im Jahr 1948 ereignete, ist die Erfüllung dieser Prophetie. Gott hat die Juden aus den Konzentrationslagern herausgeholt, in denen sie lebendig begraben waren. Noch befindet sich die Nation Israel ohne Glauben an den Messias Jesus Christus im Land. Es wird aber eine Zeit kommen, in welcher sich die ganze Nation bekehren wird. Dieses noch immer zukünftige Ereignis ist darin zu erkennen, dass der Geist Gottes in die wiederhergestellten Leiber kommt. Dadurch wird das ganze Volk Israel in der Zukunft ein geisterfülltes Heer Gottes im Land sein, so wie es der Prophet in Vers 9-10 beschreibt. In den Versen 11-13 wird noch einmal das ganze Haus Israel gezeigt, welches aus den Gräbern hervorgeholt wird. Die Rückkehr in das Land wird nochmals betont.
Die Verse 15-24 beschreiben danach, dass es keine Teilung des Reiches mehr in Juda und Ephraim geben wird, ausgedrückt in der Vereinigung der zwei Holzstäbe in Vers 17-19. Die Ereignisse werden dem 1000-jährigen Friedensreich zugerechnet (wobei allerdings im Wortlaut des Textes keine 1000 Jahre erwähnt sind; Anmerkung des Schreibers). Die Juden werden aus allen Heidenvölkern der Erde wiederkommen in der Vollendung der großen Aliyah (welche heute schon im Unglauben begonnen hat) und unter einem König leben, nämlich unter dem König David, welcher mit dem Herrn Jesus Christus identifiziert wird. Sie werden sich nicht mehr verunreinigen, und sie werden unter diesem Hirtenkönig auf ewig (das ist in alttestamentlicher Sprache ein Ausdruck für die Dauer der 1000 Jahre des messianischen Friedensreiches) im Land leben. In Vers 26 finden wir den Bund des Friedens, welcher mit dem 1000-jährigen Friedensreich gleichzusetzen ist (was auch hier eigentlich nicht durch den Wortlaut des Textes gestützt wird; Anmerkung des Schreibers). In Vers 27-28 wird Gott unter Ihnen wohnen, nämlich der Herr Jesus Christus selbst, und alle Nationen der Erde werden sein Volk und sein Heiligtum anerkennen und ehren.
Kapitel 38
Der Prophet redet über Gog, den Fürsten von Rosch, Mesech und Tubal. Dieser Herrscher ist gleichzusetzen mit dem Fürsten über das russische Reich, welches in der Zeit unmittelbar vor dem Kommen des Herrn zur Entrückung der Christen in der Weltpolitik stark aufkommen wird. Seine Verbündeten werden aufgezählt: Perser, Kuschiten und Put, Gomer und Togarma. In heutiger Sprache wird es ein Heer sein aus Russen, Iranern, Äthiopiern, Somaliern, Türken und Kaukasiern. Die Koalition wird mit massiven Truppen im Land Israel aufmarschieren und es ganz bedecken (Vers 9). Sie werden das offene und sichere Land überschwemmen. Die Händler von Scheba, Dedan und Tarsis (in heutiger Sprache die Arabische Liga) und Spanien (eventuell auch Südamerika) werden mit Worten protestieren und sie über ihre Pläne befragen. Gott wird ab Vers 16 seinen Zorn erweisen, indem er das Heer auf dem Boden Israels vernichten wird. Dies wird geschehen durch ein gewaltiges Erdbeben, durch das Schwert, die Pest, Blut, überschwemmenden Regen, Hagel, Feuer und Schwefel vom Himmel (Vers 19-22). Gott wird sich als groß und heilig erweisen auf der ganzen Erde (Vers 23).
Das offene und sichere Land in Vers 11 wird nach Meinung mancher Ausleger des Dispensationalismus aus dem dritten Weltkrieg hervorgehen, welcher sich nach Ansicht dieser Ausleger bereits heute in seinen ersten Stadien befindet. In diesem dritten Weltkrieg werden die Araber und alle derzeitigen Feinde Israels gedemütigt werden. Manche Christen und christliche Zionisten sehen in den aktuellen Kämpfen des Nahen Ostens den Beginn dieser Entwicklung, welche an einem Punkt in naher Zukunft eskalieren wird. Israel wird am Ende dieses Konfliktes sein Staatsgebiet gewaltig ausweiten und dadurch zu dem Großisrael werden, von welchem die Anhänger der zionistischen Bewegung seit langer Zeit reden. Entweder unmittelbar zu diesem Zeitpunkt oder ganz kurz danach wird in Israel der Antichrist geoffenbart werden. Er wird als der große Friedensbringer für Israel und die Welt erscheinen, da nun scheinbar alle Kämpfe beendet sein werden.
Bevor der Antichrist auftreten kann, wird jedoch noch etwas anderes geschehen müssen, nämlich die Entrückung der Gemeinde Christi von der Erde gemäß der Vorentrückungslehre des Dispensationalismus. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die christlichen Anhänger dieser Auslegung heute bereits geistlich gesprochen auf gepackten Koffern sitzen, weil sie fest daran glauben, dass sie schon sehr bald diese Welt verlassen werden. (Bezüglich der Problematik der Entrückung verweisen wir auf unseren Text: „Die Vorentrückungslehre: Biblisch fundiert?“ unter www.DieLetzteStunde.de.)
In dem sicheren Land von Vers 11 wird der Antichrist für kurze Zeit regieren. Dann wird aus heiterem Himmel der Angriff der russischen Koalition erfolgen. Gott wird den Feind schlagen, so wie es unser Kapitel schildert. Danach werden Israel und die ganze Welt dem Antichristen zu Füßen liegen. Er wird unmittelbar mit dem Bau des Tempels beginnen sowie auch mit der Räumung des Landes von den Überresten der russischen Koalition. Nach dem Abschluss des Tempelbaues, welcher nach etwa vier bis fünf Jahren seiner Herrschaft erreicht sein könnte, wird er möglicherweise sogar am Tag der Einweihung dieses Tempels den berühmten Vertrag mit der Mehrheit der dann immer noch ungläubigen Juden schließen, welcher die letzte Jahrwoche, die letzten sieben Jahre vor dem Kommen des wirklichen Herrn Jesus Christus einleiten wird. Innerhalb dieser Zeit werden dann die 144.000 Juden aus Off 7,1-8 ihr weltweites Zeugnis geben.
Die Räumung des Landes von den Leichen der Koalition und die Verbrennung der russischen Waffen wird nach weiteren zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein, denn sie wird sieben Jahre benötigen, wie wir gleich noch sehen werden. Nach weiteren Monaten des scheinbaren Friedens wird der Antichrist dann den Bund brechen, also entweder ein halbes Jahr oder anderthalb Jahre nach dem Ende der Waffenvernichtung im Land. Die erste Hälfte der letzten Jahrwoche wird dann vorbei sein. Er wird für weitere dreieinhalb Jahre seine weltweite Schreckensherrschaft ausüben. Der Herr Jesus Christus wird am Ende dieser dreieinhalb Jahre erscheinen, ihn vernichten und das wirkliche 1000-jährige Friedensreich auf die Erde bringen.
Kapitel 39
Hier redet Gott zu Gog ganz persönlich. Er kennt die Gedanken Gogs genau, und er sagt ihm nun alle Einzelheiten seines Untergangs voraus. Er wird auf den Bergen Israels auf dem freien Feld fallen (Vers 5), die Vögel und die wilden Tiere werden seinen Leichnam und die Leichen seiner Kämpfer fressen (Vers 4 und Verse 17-20). Das Feuer Gottes wird über die Länder aller Feinde kommen, also über die ganze Erde (Vers 6). Alle Heidenvölker werden die Macht Gottes erkennen (Vers 7). Die Bewohner Israels werden sieben Jahre lang das Holz seiner Waffen als Feuermaterial verwenden (Vers 9-10). Dieser Verbrennungsprozess wird nach dem zuvor Gesagten entweder zwei Jahre oder drei Jahre in die erste Hälfte der letzten Jahrwoche hineinreichen. Die Reste des Heeres werden während der ersten sieben Monate des Friedens im Tal Abarim östlich vom Toten Meer begaben werden, und man wird dort die Stadt Hamona gründen (Vers 11-16).
Die Nationen werden den Herrn erkennen, ebenso auch Israel. Der Herr hat zwar sein Angesicht vor ihnen verborgen, tut dies nun aber nicht mehr (Vers 21-24). Israel wird seiner Sünden und Treulosigkeiten gedenken und sich schämen, wenn der Herr ihnen Gnade gewährt, sie in das Land zurückführt und seinen Geist über das Haus Israel ausgegossen hat (Verse 25-29). Der letzte Zustand wird im 1000-jährigen Reich bestehen. Ganz Israel wird errettet werden. Einige Ausleger gehen davon aus, dass die Verbrennung der Waffen Gogs bis in das 1000-jährige Reich hineingehen wird. Hier ist aber keine Harmonie mit den übrigen Zeitabläufen zu finden.
Kurze Stellungnahme
Der zeitliche Ablauf des gesamten Szenarios, welches wir auf den zurückliegenden Seiten betrachtet haben, könnte eigentlich perfekt in den soeben gesteckten lehrmäßigen Rahmen hineinpassen. Das Spannende ist, dass es sogar wirklich so oder so ähnlich kommen könnte. Gott könnte es zulassen, dass die politischen, religiösen, wirtschaftlichen und militärischen Kräfte dieser Welt die entsprechenden Abläufe herbeiorganisieren dürfen. Gott könnte es den Machthabern dieser Welt erlauben, ihre eigenen Glaubensüberzeugungen in die Tat umzusetzen. Das würde zwar einerseits ihre Glaubwürdigkeit in der Weltöffentlichkeit perfekt machen. Andererseits würde es jedoch noch längst nicht bedeuten, dass all diese Dinge den wirklichen Gedanken Gottes nach seinem Wort entsprechen.
Es gibt nämlich etliche Probleme bei dieser Auslegung. Die Person des Antichristen wird in dem gesamten Ablauf ebenso mit keiner Silbe erwähnt wie die Gemeinde Christi oder gar die Entrückung der Gemeinde. Ebenso finden wir kein einziges Wort über einen dritten Weltkrieg. Befremdlich ist auch die Tatsache, dass der Krieg auf den Bergen Israels mit den primitiven Waffensystemen gekämpft werden soll, welche zu Hesekiels Zeit bekannt waren. Auch der Staat Großisrael und der Zeitraum von 1000 Jahren sind nicht zu finden. Eine weitere Frage wäre die, wo denn auf den Bergen Israels die Israeliten selbst während des Konfliktes gewesen sind. Eigentlich findet überhaupt kein Kampf statt, sondern Gott vernichtet den Feind ohne Einwirkung von Menschenhand. Somit muss festgestellt werden, dass die soeben gegebene Auslegung eine Fülle von menschlichen Gedanken und Zusatzannahmen beinhaltet, welche weit vom Wortlaut des Textes entfernt sind. Wir sehen uns daher vor Gott in die Pflicht gestellt, uns auf die Suche nach einer Deutung zu begeben, welche sowohl dem Wortlaut unserer drei Kapitel als auch dem Kontext des Buches Hesekiel, als auch dem Kontext der gesamten Heiligen Schrift besser entspricht. Wir kommen nun zu einer zweiten Deutungsmöglichkeit.
B) Eine andere mögliche Deutung der Prophetie Hesekiels
Kapitel 37
Der Zeitpunkt der Vision in Hesekiels Leben bleibt unklar. Ebenso ist das Tal der Vision nicht genau bestimmbar. Die Knochen liegen auf dem freien Feld und niemand hat sie begraben. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass es Opfer einer Schlacht sind. Die extreme Trockenheit der Knochen zeigt uns, dass sie schon alt sind. Hier bietet sich ein Bild des Todes in seiner ganzen Schrecklichkeit. Wir finden auch in verschiedenen Beschreibungen des Totenreiches in der Schrift ähnliche Szenarien, wo die Toten breit ausgestreckt nebeneinander liegen. Beide Deutungen sind hier also grundsätzlich möglich: Erstens der Bezug auf das „ganze Haus Israel“ in seiner Vernichtung und Hoffnungslosigkeit, welcher auch in Vers 11 hergestellt wird. Zweitens der Bezug auf den Tod und das Totenreich im Allgemeinen.
Der Prophet muss im Glauben und im Vertrauen auf die Weisung Gottes den Knochen gebieten, erst dann kommt Leben in sie hinein. Hier sehen wir die Rettung des Volkes Gottes aus Glauben vorgeschattet. Ohne den Glauben des Propheten, der sich ganz in die Hand Gottes wirft, würde nichts geschehen. Außerdem redet der Prophet zu den Knochen, als wären sie bereits lebende Wesen. Er glaubt an die Wiederherstellung.
Dann kommt das Leben tatsächlich hinein: Zuerst Sehnen, dann Muskeln, dann Haut, dann der Odem. Dieser Vorgang ist genau das Umgekehrte des Schlachtungsprozesses eines Tieres, wo zuerst der Odem in der Tötung weggeht, dann die Haut, dann die Muskeln und dann die Sehnen weggenommen werden, bis der Knochen freiliegt. Die Schlachtung des ganzen Volkes Israel durch die Assyrer und die Babylonier wird hier rückgängig gemacht, sie werden wiederhergestellt werden. Hierbei können wir zunächst natürlich an die Rückkehr Israels aus der Verbannung denken, in welcher sich das Volk zu jener Zeit befand. Hesekiel redete ja in erster Linie auf der Grundlage seines eigenen Lebens und seiner Zeit.
Wir sehen zudem auch den Glauben an die Auferstehung vorgeschattet. Denken wir an die Erschaffung Adams in 1Mo 2,7. Hier wurde ebenfalls zuerst der Leib aus der Erde gebildet, danach der Odem Gottes eingehaucht. In diesem Sinne weist das Bild auf eine Auferstehung hin. Der auferstandene Herr hauchte seinen Geist in Joh 20,22 in die Jünger hinein um zu zeigen, dass sie geistlich von neuem geboren und geistlich bereits auferstanden waren. Die frühen christlichen Lehrer haben daher noch die Verbindung zwischen der geistlichen Auferstehung bei der Wiedergeburt, der allgemeinen Auferstehung am Ende der Zeit und dem Bild aus Hesekiel 37 gesehen. Die Toten sind in dieser Auslegungsweise einerseits als das zerstörte und zerstreute Volk Israel anzusehen, andererseits als die verlorene Menschheit, welche vom Tod zum Leben gebracht werden muss, indem Gott seinen Heiligen Geist und sein ewiges Leben in sie hineinhaucht. Dieses Bild weist auf das zurück, was wir in Kapitel 36 gesehen haben und wird somit deutlich durch den Kontext des Buches Hesekiel und den Kontext der Schrift gestützt.
Hieraus folgt, dass mit dem ganzen Haus Israel in Vers 11 einerseits die wiedervereinigte Nation nach der Gefangenschaft gemeint ist, andererseits aber auch das geistlich erneuerte und wiedergeborene Israel, die Gemeinde Gottes im neuen Bund.
Rö 9,6: „Nicht aber, dass das Wort Gottes nun hinfällig wäre! Denn nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel;“
Rö 11,26: „… und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: »Aus Zion wird der Erlöser kommen und die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden, …“
Wenn man diese beiden Verse betrachtet, dann gab es unter den Bibelgelehrten der Neuzeit drei Hauptansichten darüber, was unter „ganz Israel“ im Zusammenhang von Rö 11,26 zu verstehen sei. Erstens: Es wird von einigen Auslegern so gesehen, dass beim Kommen des Herrn die ganze irdische Nation Israel durch geistliche Wiedergeburt gerettet werden wird. Dies wird ebenso im 1000-jährigen Reich der Dispensationalisten so gesehen. Zweitens: Ebenso wie es beim Kommen des Herrn Jesus am letzten Tag eine Vollzahl der Nationen innerhalb der gesamten Gemeinde der Erlösten geben wird, so wird es an diesem Tag auch eine Vollzahl aus dem irdischen Volk Israel innerhalb dieser Gemeinde geben, nämlich die Summe aller gläubigen Israeliten seit Bestehen des irdischen Volkes. Die Gesamtheit aller „Überrestisraeliten“ der alten und der neuen Heilszeit wäre dann schließlich „ganz Israel“. Es wäre die endgültige Summe aller Israeliten, welche zu allen Zeiten seit Bestehen des Volkes Israel das gläubige Israel dargestellt haben. Drittens: „Ganz Israel“ ist die gesamte Gemeinde Jesu Christi, welche schon jetzt das geistliche Israel Gottes ist und in der Wiedergeburt zum ewigen Leben geistlicherweise bereits den Berg Zion im Himmel bevölkert.
Gal 6,16: „Über alle, die nach dieser Regel wandeln, komme Frieden und Erbarmen, und über das Israel Gottes!“
Hebr 12,22-24: „… sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu Zehntausenden von Engeln, zu der Festversammlung und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten, und zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes, und zu dem Blut der Besprengung, das Besseres redet als [das Blut] Abels.“
Die erste und die dritte Ansicht bezüglich „ganz Israel“ sind im Text unserer drei Kapitel geistlich ineinander verwoben und können eigentlich nicht voneinander getrennt werden. Alles was Hesekiel in unseren drei Kapiteln über Israel sagt, muss somit auf diesen beiden Deutungsebenen betrachtet werden. (Siehe hierzu auch wieder unsere Erläuterungen zu den Prinzipien der Prophetie am Textanfang.)
Wir kommen zu den Versen 11-14: Gemäß der historischen Deutung (erste Ansicht) können wir hier an die Hoffnungslosigkeit der Verbannten denken. Gott wird sie aus der Situation herausholen, in welcher sie wie lebendig Begrabene sind und sie zu neuem Leben im Land Israel bringen. Denken wir hierbei zum Beispiel auch an Jes 59,9-12:
„Darum bleibt das Recht fern von uns, und die Gerechtigkeit erreicht uns nicht. Wir warten auf das Licht, und siehe da, Finsternis, auf den hellen Tag, aber wir wandeln in der Dunkelheit! Wir tappen an der Wand wie die Blinden; wir tappen, wie wenn wir keine Augen hätten; wir straucheln am hellen Tag wie in der Dämmerung; unter Gesunden sind wir wie die Toten. Wir brummen alle wie die Bären und gurren wie die Tauben; wir warten auf das Recht, aber es ist nirgends, und auf Rettung, aber sie bleibt fern von uns. Denn unsere Übertretungen sind zahlreich vor dir, und unsere Sünden zeugen gegen uns; denn unsere Übertretungen sind vor uns, und unsere Verschuldungen kennen wir;“
Auch dort wartete das Volk auf Wiederherstellung und erkannte seine Sünden an. Der Vers ist in Übertragung auf unsere Zeit auch auf die Rückkehr der Juden aus der weltweiten Verbannung zum neugegründeten Staat Israel angewendet worden. Dies kann nach heutigem Stand der Dinge ebenfalls nicht von der Hand gewiesen werden, wie wir bereits gesagt haben. Es stellt sich jedoch die Frage nach der richtigen geistlichen Einordnung dieser Ereignisse nach den Gedanken Gottes. Auch das wurde zuvor besprochen.
Gemäß der geistlichen Deutung (dritte Ansicht) können wir an die verlorenen Sünder denken, welche sich ebenfalls im Tod befinden und zum Leben kommen müssen. Sie erkennen in der Bekehrung ihre Schuld an und werden zum Leben gebracht. Sie dürfen in das neue Land eingehen. Am letzten Tag wird Gott die in Christus gestorbenen aus ihren Gräbern herausholen und sie in das ewige Land auf der neuen Erde bringen.
Joh 5,24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.“
Joh 5,28-29: „Verwundert euch nicht darüber! Denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und sie werden hervorgehen: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens; die aber das Böse getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“
Die Verse 15-24 zeigen uns die Einheit des Volkes. In Israel bestand nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft keine Trennung mehr zwischen Juda und Ephraim, obwohl Nachkommen von allen 12 Stämmen bis zur Ankunft des Herrn im Land lebten.
2Chr 11,15-17: „… er hatte aber für sich selbst Priester eingesetzt für die Höhen und für die Böcke und Kälber, welche er machen ließ. Jenen [Leviten] aber folgten aus allen Stämmen Israels die, denen es am Herzen lag, den HERRN, den Gott Israels, zu suchen; diese kamen nach Jerusalem, um dem HERRN, dem Gott ihrer Väter, zu opfern. Diese stärkten das Königreich Juda und ermutigten Rehabeam, den Sohn Salomos, drei Jahre lang; denn sie wandelten drei Jahre lang auf dem Weg Davids und Salomos.“
Lk 2,36-37: „Und da war auch Hanna, eine Prophetin, die Tochter Phanuels, aus dem Stamm Asser, die war hochbetagt und hatte nach ihrer Jungfrauschaft mit ihrem Mann sieben Jahre gelebt; und sie war eine Witwe von etwa 84 Jahren; die wich nicht vom Tempel, sondern diente [Gott] mit Fasten und Beten Tag und Nacht.“
Es gab jedoch keine Konflikte mehr zwischen den Stämmen. Es war einfach die Nation Israel als Provinz Palästina unter der Herrschaft der Römer. In unserer Zeit ist es wieder so, dass Angehörige aus vielen Stämmen aus anderen Ländern der Erde in der Aliya nach Israel kommen. Die Frage nach der richtigen geistlichen Einordnung muss jedoch erneut gestellt werden.
In geistlicher Deutungsweise haben wir einen Hinweis auf die Einheit des geistlichen Israels, der Gemeinde, welche aus Gläubigen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft besteht. Auch hier soll es keine unnützen Konflikte mehr geben, sie sollen eine Einheit sein.
Gal 3,27-28: „… denn ihr alle, die ihr in Christus hinein getauft seid, ihr habt Christus angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Knecht noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.“
Eph 4,4-6: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in euch allen.“
Die Verse 25-28 könnten einerseits auf die Situation Israels nach der Rückkehr gedeutet werden. Dem widerspricht aber die wiederholte Zeitangabe „ewig“, denn Israel wurde sehr wohl noch einmal aus dem Land vertrieben, nämlich von den Römern. Hier handelt es sich nach Ansicht des Schreibers um einen geistlichen Zustand, zumal auch noch der Friedensbund erwähnt ist, welchen wir ja bereits als den neuen Bund erkannt haben in der Auslegung von Kapitel 36. Es geht wohl am ehesten um das Leben der Christen auf der Erde, durch welche alle Nationen erkennen werden, dass Gott der Herr ist, der sein Volk heiligt und dadurch aller Welt Zeugnis von sich selbst gibt. Der Aspekt des Wohnens wurde ebenfalls bereits erwähnt. Er bezieht sich auf die geistliche Tatsache, dass die Gläubigen bereits jetzt in geistlicher Weise das ewige Reich Gottes bewohnen, dass der Herr bereits jetzt in ihrer Mitte ist, und dass sie einmal in der Auferstehung als ganze Menschen mit Leib und Seele in der Gegenwart des Herrn die neue Erde bewohnen werden auf ewig.
Diese Deutung wird auch durch weitere Beobachtungen in der Vision Hesekiels bestätigt. Wir sehen nämlich, wie Gott seinem Volk vergibt, ohne dass sie es irgendwie durch eine Leistung verdient hätten. Sie haben vollständig versagt und werden dennoch zum neuen und ewigen Leben gebracht. Hinzu kommt, dass diese Vision die komplexe Sicht Hesekiels auf den Messias verdeutlicht. Als David ist er der ewige Erbe der Königswürde. Als Knecht hat er in seinem vollkommenen Dienst eine ganz besondere Beziehung zu Gott. Als Fürst (was wir auch in der noch folgenden Vision des Tempels erkennen werden) ist er nicht nur der Anführer des Volkes, sondern er lebt auch inmitten des Volkes. Als König ist er der Herrscher über eine neue und vereinigte Nation, nämlich über das Israel nach dem Geist im neuen Bund des Friedens, über die Gemeinde Christi. Als ein Hirte hat er die Aufsicht über die Schafe, die er leitet, nährt, pflegt, beaufsichtigt, sucht und rettet. In der Zusammenschau mit zahlreichen Versen aus der Schrift können wir hier in Hesekiels Vision nicht mehr umhin, den Herrn Jesus Christus zu erkennen.
Lk 1,31-33: „Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird regieren über das Haus Jakobs in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Jes 42,1: „Siehe, das ist mein Knecht, den ich erhalte, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt; er wird das Recht zu den Heiden hinaustragen.“
Jes 49,3+6: „Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, bist Israel, durch den ich mich verherrliche. (…) ja, er spricht: »Es ist zu gering, dass du mein Knecht bist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten aus Israel wiederzubringen; sondern ich habe dich auch zum Licht für die Heiden gesetzt, damit du mein Heil seist bis an das Ende der Erde!«“
Mk 10,45: „Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.“
Jes 9,5-6: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben; und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Ratgeber, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst. Die Mehrung der Herrschaft und der Friede werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich, dass er es gründe und festige mit Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird dies tun!“
Off 1,5: „… und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen aus den Toten und dem Fürsten über die Könige der Erde. Ihm, der uns geliebt hat und uns von unseren Sünden gewaschen hat durch sein Blut, …“
1Chr 17,11-12: „Und es wird geschehen, wenn deine Tage erfüllt sind, sodass du zu deinen Vätern hingehst, so will ich deinen Samen nach dir erwecken, der von deinen Söhnen sein wird; und ich werde sein Königtum befestigen. Der wird mir ein Haus bauen, und ich werde seinen Thron auf ewig befestigen.“
Joh 1,49: „Nathanael antwortete und sprach zu ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“
Off 19,16: „Und er trägt an seinem Gewand und an seiner Hüfte den Namen geschrieben: »König der Könige und Herr der Herren«.“
Ps 23,1: „Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.“
Joh 10,14-15: „Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und bin den Meinen bekannt, gleichwie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe.“
Kapitel 38
Gog wird hier angesprochen als lebend im Land Magog. Weitere Gegenden werden genannt: Mesech und Tubal im Norden, Elam im Nordosten, Kusch und Put im Süden, Gomer im Nordwesten, Togarma im äußersten Norden, Seba und Dedan im Osten, Tarsis und alle ihre jungen Löwen im Westen. Das Wort Rosh ist von einigen Auslegern als Russland gedeutet worden. Diese Deutung ist jedoch nicht ohne Probleme. Im Hebräischen bedeutet es viel häufiger „Haupt“ oder „Kopf“ wie zum Beispiel beim Neujahrstag Rosh ha Shana, dem „Kopf des Jahres“. Die wahrscheinlichste Bedeutung ist daher im Zusammenhang von Vers 1 die folgende: „Gog im Land Magog, du Haupt von Mesech und Tubal“. Insgesamt sind es sieben kämpfende Nationen, denn Seba, Dedan und Tarsis kämpfen nicht mit. Die Zahl sieben weist zurück auf die sieben Nationen (dort im Bild die ganze Welt), welchen in den Kapiteln 25-32 das Gericht angekündigt wurde. Nimmt man noch die drei nicht kämpfenden Nationen dazu, so ergibt sich die Zahl zehn, welche in der Schrift für die Herrschaft und das Richteramt Gottes über die Erde steht. In der Zusammenschau aller Namen entsteht hier ein geistliches Bild, nämlich dass sich alle Nationen von den Enden der Erde gegen das Land und das Volk Gottes vereinigt haben. Dies wird untermauert durch zwei zusätzliche Informationen.
Die erste Information: Zum einen wird die Allianz von „Gog im Lande Magog“ am „Ende der Tage“ oder „nach vielen Tagen“ aufgeboten. Das deutet auf ein Ereignis hin, welches zur Zeit Hesekiels noch in ferner Zukunft lag. Die letzten Tage sind in der Bibel unterschiedlich zu verstehen. Wenn wir den Propheten Daniel studieren, und hier insbesondere seine letzte Vision, dann sind bei ihm die letzten Tage oder die letzte Zeit oder die Zeit des Endes Ausdrücke für die letzte Phase der Existenz der alten Nation Israels vor der Vernichtung durch die Römer in den Jahren 70-135 n.Chr. Der Hebräerbrief bezieht sich ebenfalls auf diese Zeit, denn er wurde kurz vor der Zerstörung der Stadt im Jahr 70 n.Chr. verfasst.
Hebr 1,1-2: „Nachdem Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Ihn hat er eingesetzt zum Erben von allem, durch ihn hat er auch die Welten geschaffen;“
Gehen wir nun in den Jakobusbrief, dann bezeichnen die letzten Tage das Gemeindezeitalter, weil sich im Verlauf dieser letzten Tage die Reichen gemästet haben, während die Brüder im Glauben geduldig auf die Ankunft des Herrn gewartet haben.
Jak 5,1-8: „Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über das Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault und eure Kleider sind zum Mottenfraß geworden; euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird gegen euch Zeugnis ablegen und euer Fleisch fressen wie Feuer. Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen! Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euch die Felder abgemäht haben, der aber von euch zurückbehalten worden ist, er schreit, und das Rufen der Schnitter ist dem Herrn der Heerscharen zu Ohren gekommen! Ihr habt euch dem Genuss hingegeben und üppig gelebt auf Erden, ihr habt eure Herzen gemästet wie an einem Schlachttag! Ihr habt den Gerechten verurteilt, ihn getötet; er hat euch nicht widerstanden. So wartet nun geduldig, ihr Brüder, bis zur Wiederkunft des Herrn! Siehe, der Landmann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und geduldet sich ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfangen hat. So wartet auch ihr geduldig; stärkt eure Herzen, denn die Wiederkunft des Herrn ist nahe!“
Johannes geht sogar noch einen Schritt weiter. In seinem ersten Brief bezeichnet er die Zeit der Gemeinde als die letzte Stunde.
1Joh 2,18: „Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind jetzt viele Antichristen aufgetreten; daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist.“
Die zweite Information finden wir in Off 20,8-10:
„… und er wird ausgehen, um die Heidenvölker zu verführen, die an den vier Enden der Erde leben, den Gog und den Magog, um sie zum Kampf zu versammeln, deren Zahl wie der Sand am Meer ist. Und sie zogen herauf auf die Fläche des Landes und umringten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt. Und es fiel Feuer von Gott aus dem Himmel herab und verzehrte sie. Und der Teufel, der sie verführt hatte, wurde in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo das Tier ist und der falsche Prophet, und sie werden gepeinigt werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Hier sehen wir genau den gleichen Namen, die gleiche Schar vieler Volker, deren Zahl wie der Sand des Meeres ist. Außerdem kommen sie genau wie bei Hesekiel von den vier Enden der Erde. Zur Zeit Hesekiels hätte man diesen Begriff noch wörtlich verstehen können, denn die genannten Gebiete waren tatsächlich die Enden der damals bekannten Erde. Bei Johannes ist dies allerdings nicht mehr möglich, denn zu seiner Zeit war das Gebiet der bekannten Welt viel größer. Die Tatsache, dass innerhalb des Kontexts der ganzen Bibel an zwei so weit auseinander liegenden Schriftstellen genau die gleichen Begriffe genannt werden, kann nur einen Schluss zulassen: Es handelt sich in beiden Fällen um geistlich zu deutende Symbolsprache. Es wird hier schlicht und einfach ausgedrückt, dass sich die ganze Welt unter der Führung Gogs gegen das Volk Gottes vereinigt, um es zuerst zu berauben und dann zu vernichten. Der Zeitpunkt des Angriffs in der Offenbarung ist das Ende der „1000 Jahre“ des Gemeindezeitalters (siehe hierzu unsere betreffenden Texte unter: www.DieLetzteStunde.de), unmittelbar vor der Wiederkunft des Herrn zum Gericht. Gog zieht auch hier mit seiner Allianz aus allen Völkern von den Enden der Erde in das Land hinein.
Die Verse 19-23 beschreiben seinen Untergang und die Verherrlichung des Herrn. Es gibt überhaupt keinen Kampf, denn die Heere Israels sind in dieser Vision nicht einmal vorhanden. Gott selbst richtet diesen Feind mit einem gewaltigen Erdbeben, mit Schwert, Pest, Blut, Regen und Hagel aus Feuer und Schwefel. Der Feind wird völlig verwirrt sein, und einer wird sich gegen den anderen wenden. Wieder müssen wir hier mit anderen Schriftstellen vergleichen.
Sach 14,2-4+12-13: „Da werde ich alle Heidenvölker bei Jerusalem zum Krieg versammeln; und die Stadt wird erobert, die Häuser werden geplündert und die Frauen geschändet werden; und die Hälfte der Stadt muss in die Gefangenschaft ziehen; der Überrest des Volkes aber soll nicht aus der Stadt ausgerottet werden. Aber der HERR wird ausziehen und gegen jene Heidenvölker kämpfen, wie [damals] am Tag seines Kampfes, am Tag der Schlacht. Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem nach Osten zu liegt; und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten nach Osten und nach Westen hin zu einem sehr großen Tal, und die eine Hälfte des Berges wird nach Norden zurückweichen, die andere nach Süden. (…) Das aber wird die Plage sein, mit welcher der HERR alle Völker schlagen wird, die gegen Jerusalem Krieg geführt haben: ihr Fleisch wird verfaulen, während sie noch auf ihren Füßen stehen; ihre Augen werden verfaulen in ihren Höhlen, und ihre Zunge wird verfaulen in ihrem Mund. Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird eine große Verwirrung vom HERRN über sie kommen, sodass einer die Hand des anderen ergreifen und jeder gegen seinen Nächsten die Hand erheben wird.“
Off 6,14-16: „Und der Himmel entwich wie eine Buchrolle, die zusammengerollt wird, und alle Berge und Inseln wurden von ihrem Ort weggerückt. Und die Könige der Erde und die Großen und die Reichen und die Heerführer und die Mächtigen und alle Knechte und alle Freien verbargen sich in den Klüften und in den Felsen der Berge, und sie sprachen zu den Bergen und zu den Felsen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes!“
Off 16,18+21: „Und es geschahen Stimmen und Donner und Blitze, und ein großes Erdbeben geschah, wie es dergleichen noch nie gegeben hat, seit es Menschen gab auf Erden, ein solch gewaltiges und großes Erdbeben. (…) Und ein großer Hagel mit zentnerschweren Steinen kam aus dem Himmel auf die Menschen herab, und die Menschen lästerten Gott wegen der Plage des Hagels, weil seine Plage sehr groß war.“
Off 20,8-9: „… und er wird ausgehen, um die Heidenvölker zu verführen, die an den vier Enden der Erde leben, den Gog und den Magog, um sie zum Kampf zu versammeln, deren Zahl wie der Sand am Meer ist. Und sie zogen herauf auf die Fläche des Landes und umringten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt. Und es fiel Feuer von Gott aus dem Himmel herab und verzehrte sie.“
Das gesamte Bild oder Teile davon wiederholen sich an allen genannten Stellen. In allen Fällen sind sie unmittelbar mit dem zweiten Kommen des Herrn Jesus Christus verbunden. Diese Fülle von Übereinstimmungen legt nahe, dass es sich hier um ein Bild handelt, in welchem wir die Bedrohung des wiedergeborenen Israel aus Kapitel 36, geistlich gesprochen also der Gemeinde Christi im neuen Bund, durch alle Mächte der Erde unter der Führung des Teufels erkennen können. Diese Bedrohung und Verfolgung wird nach den Aussagen der Offenbarung während des gesamten Gemeindezeitalters bestehen, aber am Ende kurz vor der Wiederkunft des Herrn extrem zunehmen. Sie wird beendet werden durch das direkte Gericht des Herrn aus dem Himmel mit Feuer, Schwefel, Erdbeben, Schwert, Pest und Hagel. Dies scheint dem Schreiber nach gewissenhaftem Vergleich der angeführten Schriftstellen die wahrscheinlichste Deutung zu sein, obwohl auch hier noch einige Fragen offen bleiben, wie wir ja bereits zu Beginn betont haben. Gottes Gedanken sind viel höher als unsere Gedanken, und kein Mensch wird sie völlig ergründen können.
Kapitel 39
Hier finden wir vieles aus Kapitel 38 wieder, allerdings unter einem anderen Blickwinkel. Gott beschreibt hier nicht als Erzähler das Szenario, sondern er sagt Schritt für Schritt an, was er selbst tun wird (Verse 1-8). Hier bekommt Gog es direkt mit Gott selbst zu tun, und es ist eine Sache zwischen Gott und ihm. Gott ist derjenige, der die Gedanken Gogs lenkt und ihn ins Verderben führt. Gott ist es, der das Handeln Gogs und die Stoßrichtung seines Angriffs in der Hand hat. Man fühlt sich fast erinnert an das Buch Hiob, wo Gott dem Satan alle Befehle erteilt, die er auszuführen hat. Hiob wird schrecklich geschlagen, aber der Satan kann nicht mehr tun als Gott ihm erlaubt. Alle Dinge sind in Gottes Hand. Gott kontrolliert nicht nur das Leben seiner Gläubigen sondern auch das Leben, das Handeln und sogar die Gedanken der Feinde des Volkes. Gott ist hier auch derjenige, der dem Gog eine Waffe nach der anderen aus der Hand schlägt, damit er das Volk nicht mehr bedrohen kann.
Der Tag von dem der Herr geredet hat (Vers 8) ist hier der Moment des alles entscheidenden Eingriffs Gottes gegen den Feind zur Rettung, zum Schutz und zur Bewahrung seines Volkes. Gott hat hier ganz alleine anstelle des Volkes gegen den Feind gekämpft, ihn völlig entwaffnet und getötet. Das Volk war still in den Häusern. Erst danach kommt das Volk, das bisher überhaupt nichts zu tun hatte, nach draußen und beginnt zu handeln.
Dieses Bild kann nur geistlich zu deuten sein, denn im Falle eines Krieges, in welchem der Feind das gesamte Land überschwemmt, wäre es für das Volk schlicht und einfach unmöglich, sich nur hinter dünnen Wänden zu verstecken. Es würde mit Sicherheit zu Massenmord, Straßenkämpfen, Raub und Vergewaltigungen kommen. Nun erhebt sich die Frage: Wann hat Gott alleine für sein Volk gekämpft und das Volk war völlig still? Wann hat Gott alleine den großen Feind seines Volkes entwaffnet und besiegt? Wieder müssen wir Schrift mit Schrift vergleichen.
1Mo 3,15: „Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen: Er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“
2Mo 12,29: „Und es geschah um Mitternacht, da schlug der HERR alle Erstgeburt im Land Ägypten, von dem erstgeborenen Sohn des Pharao, der auf seinem Thron saß, bis zum erstgeborenen Sohn des Gefangenen, der im Gefängnis war, auch alle Erstgeburt des Viehs.“
2Mo 14,13-14: „Mose aber sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht! Steht fest und seht die Rettung des HERRN, die er euch heute bereiten wird; denn diese Ägypter, die ihr heute seht, die werdet ihr nicht wiedersehen in Ewigkeit! Der HERR wird für euch kämpfen, und ihr sollt still sein!“
Jes 27,1: „An jenem Tag wird der HERR mit seinem harten, großen und starken Schwert den Leviathan heimsuchen, die flüchtige Schlange, ja, den Leviathan, die gewundene Schlange, und er wird das Ungeheuer töten, das im Meer ist.“
Jes 49,24-25: „Kann wohl einem Starken die Beute genommen werden? Und können rechtmäßig Gefangene entfliehen? Ja, so spricht der HERR: Auch die Gefangenen des Starken sollen ihm genommen werden, und die Beute des Tyrannen soll entfliehen; denn nun werde ich mit dem kämpfen, der gegen dich kämpft, und ich werde deine Kinder erretten.“
Zeph 3,15: „Denn der HERR hat die Gerichte von dir abgewendet, er hat deinen Feind weggeräumt. Der HERR, der König Israels, ist in deiner Mitte; du brauchst kein Unheil mehr zu fürchten!“
Mt 12,28-29: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen! Oder wie kann jemand in das Haus des Starken hineingehen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuerst den Starken bindet? Erst dann kann er sein Haus berauben.“
Joh 12,31-32: „Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt. Nun wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden; und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“
Der Vergleich der genannten Schriftstellen zeigt uns, dass wir hier ein Schattenbild der Erlösung haben, welche der Herr für sein Volk erworben hat. Er hat den Sieg ganz alleine errungen und sein Volk befreit. Sie können nun hinauskommen in die Freiheit der Erlösten in dem neuen Land des Friedens. Und genauso geschieht es auch in Vers 9-10. Wieder vergleichen wir Schrift mit Schrift.
Jes 2,4-5: „Und er wird Recht sprechen zwischen den Heiden und viele Völker zurechtweisen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden werden und ihre Speere zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen. – Komm, o Haus Jakobs, und lasst uns wandeln im Licht des HERRN! –“
Mi 4,3-4: „Und er wird das Urteil sprechen zwischen großen Völkern und starke Nationen zurechtweisen, die weit weg wohnen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere ein Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen; sondern jedermann wird unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, und niemand wird ihn aufschrecken; denn der Mund des HERRN der Heerscharen hat es geredet!“
Die beiden genannten Schriftstellen reden über die Umwandlung der Herzen der Erlösten Gottes. Sie haben neue Herzen bekommen, wie wir es bereits in Kapitel 36 gesehen haben und bewohnen ein erneuertes Land. Die früheren geistlichen Kriegswaffen ihrer Herzen werden umgewandelt zu Pflugscharen für die Arbeit am geistlichen Ackerbau Gottes.
In den Versen 11-16 wird nun das befreite Land gereinigt. Es wird eine Zeit von sieben Jahren dazu benötigt, in geistlicher Deutung also eine vollkommene Zeitspanne in Gottes Wegen. Die Leichen des Heeres Gogs werden in sieben Monaten beerdigt, also wiederum in einer vollkommenen wenn auch bildlich gesprochen kürzeren Zeit. Das Tal Abarim (ha oberim) bedeutet so viel wie „Tal derer, die vorübergezogen sind“, oder das Tal der im Kampf gefallenen Helden. Es ist eine Anspielung auf die Rephaim (repa im) im Land Kanaan, welche dort von den Israeliten an verschiedenen Schriftstellen umgebracht wurden, um das Land zu reinigen. Das Tal Hamon Gog (ge hamon gog), also das „Tal der Heerhaufen Gogs“ erlaubt im Hebräischen ein Wortspiel, weil es sehr nahe an das ge hinnom herankommt, also an das Hinnomtal, welches geistlich gesprochen ein Bild des Totenreiches ist.
An diesem Ort wird eine Stadt sein namens Hamona (Haufen, Getümmel). In Kapitel 7,12-14 kommt diese gleiche Wortwurzel hamon vor, und sie bedeutet dort die Gesamtheit des widerspenstigen und rebellischen Verhaltens des Volkes gegenüber Gott mit dem daraus resultierenden Durcheinander, wie es in ähnlicher Weise auch in Kapitel 5,7 im hebräischen Text zu finden ist. In geistlicher Deutung geht es daher an unserer Textstelle um die Beseitigung der Rebellion gegen Gott. Während der ganzen sieben Monate gehen die Späher immer wieder durch das Land, um mit Hilfe der Leute die Toten zu beseitigen und sie an den Ort des Todes zu bringen. Die umherziehenden Bewohner werden die Leichenfunde sofort melden, und das Land wird von ihnen gereinigt werden. Woran könnten wir denken, wenn wir diese Dinge lesen?
Rö 6,11-13: „Also auch ihr: Haltet euch selbst dafür, dass ihr für die Sünde tot seid, aber für Gott lebt in Christus Jesus, unserem Herrn! So soll nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib, damit ihr [der Sünde] nicht durch die Begierden [des Leibes] gehorcht; gebt auch nicht eure Glieder der Sünde hin als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern gebt euch selbst Gott hin als solche, die lebendig geworden sind aus den Toten, und eure Glieder Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit!“
Kol 3,5-10: „Tötet daher eure Glieder, die auf Erden sind: Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht, die Götzendienst ist; um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams; unter ihnen seid auch ihr einst gewandelt, als ihr in diesen Dingen lebtet. Jetzt aber legt auch ihr das alles ab – Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, hässliche Redensarten aus eurem Mund. Lügt einander nicht an, da ihr ja den alten Menschen ausgezogen habt mit seinen Handlungen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis, nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat;“
Hebr 10,14: „Denn mit einem einzigen Opfer hat er die für immer vollendet, welche geheiligt werden.“
1Joh 3,1-3: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Kinder Gottes heißen sollen! Darum erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat. Geliebte, wir sind jetzt Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen aber, dass wir ihm gleichgestaltet sein werden, wenn er offenbar werden wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich, gleichwie auch Er rein ist.“
Während des gesamten Gemeindezeitalters ist der Herr damit beschäftigt, seine Gläubigen zu heiligen. Der Gläubige hält den alten Menschen im Tode, er widersteht den noch immer schädlichen und verunreinigenden Angriffen des Feindes. Seine Unreinheiten legt er vor Gott oder vor den Geschwistern offen und gibt sie in den Tod. Er wirft sie auf den Haufen im Tal derer, die schon vorübergezogen sind. So reinigt er das neue Leben im neuen Land, welches er aus Gnade im Geist Gottes bewohnen darf. Sein ganzes irdisches Leben hindurch (sieben Monate, sieben Jahre) geht dies weiter. Es wir für jeden Gläubigen enden, wenn er leiblich stirbt und von dem Leib des Todes erlöst wird. Für die ganze Gemeinde Christi wird es enden am letzten Tag, wenn der Herr kommt zu der großen Schlacht des letzten Tages. Diese Schlacht finden wir nun auch vorgeschattet in den Versen 17-21. Wir lesen dazu auch noch Off 19,17-18:
„Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen; und er rief mit lauter Stimme und sprach zu allen Vögeln, die inmitten des Himmels fliegen: Kommt und versammelt euch zu dem Mahl des großen Gottes, um das Fleisch der Könige zu verzehren und das Fleisch der Heerführer und das Fleisch der Starken und das Fleisch der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller, der Freien und der Knechte, sowohl der Kleinen als auch der Großen!“
Wenn wir diese Stelle in der Offenbarung mit unserem Kapitel vergleichen, dann sehen wir genau dasselbe Abschlachten und genau dasselbe Festmahl für die aasfressenden Tiere der Erde. Es handelt sich um dasselbe Ereignis. Hier bei Hesekiel finden wir es vorgeschattet durch den nahezu exakt übereinstimmenden Wortlaut. Die Offenbarung ist dann schließlich das letzte Buch der Bibel, welches die Prophetie abschließt und uns zusätzlich noch die zeitliche Zuordnung des Ereignisses liefert. Es ist der Tag, an welchem der Herr kommt. Die Schrift erklärt die Schrift.
Die restlichen Verse des Kapitels reden dann wieder in etwas allgemeinerer Weise über die Verherrlichung des Herrn bei der Ausführung seines Gerichtes über die Feinde, sowie über sein Erbarmen und seine Vergebung für sein eigenes Volk. Er wird inmitten dieses Volkes leben und keinen einzigen von ihnen verlieren. Wie das aussehen wird, werden uns die kommenden Kapitel zeigen.
Kapitel 40-48
Diese Kapitel werden wir zusammenhängend in Form eines großen Überblicks besprechen, denn sie bilden eine einzige Vision des Propheten aus dem fünfundzwanzigsten Jahr der Wegführung Jekonjas und Hesekiels. Es handelt sich um die gewaltige Vision des Tempels, die in unterschiedlichster Art und Weise ausgelegt worden ist.
Die Vertreter des Dispensationalismus haben den Text in buchstäblicher Auslegung gedeutet als den Bauplan für den kommenden dritten Tempel Israels im 1000-jährigen messianischen Friedensreich. Nach dieser Auslegung wird es dann in Israel einen hoch erhabenen Berg geben. Er wird ein gewaltiges Plateau von vielen Kilometern Länge und Breite besitzen, welches in drei Gebiete aufgeteilt sein wird: Den Anteil für die Stadt Jerusalem mit ihren Äckern im Süden, den Anteil für die Leviten in der Mitte und den Anteil für die Priester mit der darin liegenden Tempelanlage im Norden. Die Tempelanlage selbst wird ein gewaltiger Komplex sein mit einem Vorhof von weit mehr als einem Kilometer Länge und Breite. Dann werden die Gebäudekomplexe und die einzelnen Kammern genau beschrieben und in Form eines Grundrisses aufgezeichnet, welcher sich in zahlreichen Bibeln findet. Der Opferdienst wird ebenfalls beschrieben. In Kapitel 47 finden wir den Strom aus dem Heiligtum, in Kapitel 48 sehen wir schließlich die Ausmaße des Bergplateaus und die Aufteilung des Landes Israel während des angenommenen Millenniums.
Es gibt jedoch auch eine andere Auslegung, welche sich ebenfalls bemüht, in geistlicher Weise an den Kontext des Buches Hesekiel und an die Aussagen der übrigen Heiligen Schrift anzuschließen. In dieser Auslegung wird die Vision als ein Bild für die Gegenwart Gottes inmitten der Gemeinde des neuen Bundes gesehen, so wie sie jetzt in unserer Zeit aussieht. In der Offenbarung finden wir dann die Vollendung dieses Bildes, so wie es in der Ewigkeit der neuen Schöpfung aussehen wird. Der amerikanische Autor Gregory Beale hat hierzu ein ausführliches Buch geschrieben (siehe Literaturverzeichnis). Die nun folgenden Ausführungen basieren in ihrer Grundstruktur auf diesem Werk (S. 345-405). Dazu kommt noch eine Auslegung betreffend den Strom aus dem Heiligtum am Textende, sowie einige Erläuterungen hinsichtlich der Zahlen, welche nun zunächst angeführt werden sollen.
Die wichtigsten Zahlen in der Bibel mit kurzen Beispielen
Eins ist die Zahl der Anfänge sowie die Zahl des einen Gottes und der Einheit (der einige Gott Israels in 5Mo 6,4; das erste Gebot in 2Mo 20,3; Einheit des Volkes Gottes in Eph 4,4-6). Zwei ist die Zahl der Vereinigung sowie der Teilung, aber auch des Zeugnisses (die zwei Stäbe bei Hesekiel und Sacharja, die Zerteilung des Reiches Israel, die zwei Zeugen in Off 11). Drei ist die Zahl des dreieinigen Gottes, der göttlichen Vollständigkeit und der Auferstehung (dritter Tag). Vier ist die Zahl der Schöpfung (vier Himmelsrichtungen), der Welt und der Weltlichkeit, aber auch der Verantwortung in dieser Welt (die vier Evangelien, in welchen der Herr die Verantwortung für sein Werk übernommen hat). Fünf ist die Zahl der Gnade und der Erlösung (fünf Finger an der rettenden Hand Gottes und an der ausgestreckten Hand des Zeugen Christi). Sechs ist die Zahl des Menschen (Erschaffung am sechsten Tag), aber auch der Sündhaftigkeit des Menschen (6 und 6 bei der Statue Nebukadnezars in Dan 3; 666 in Off 13). Sieben ist die Zahl der Perfektion und der göttlichen Vollkommenheit. Acht ist die Zahl der Neuanfänge, der Auferstehung und des neuen Lebens (Beschneidung der Juden im AT und Auferstehung des Herrn im NT am achten Tag). Neun ist die Zahl der Frucht und des Fruchttragens (neun Monate Schwangerschaft, neun Teile der Frucht des Geistes in Gal 5,22). Zehn ist die Zahl des Gesetzes und der göttlichen Ordnungen (Zehn Gebote).
Zwölf ist die Zahl der vollkommenen geistlichen Regierung Gottes, sowie des Volkes Gottes im Alten und Neuen Testament (zwölf Stämme, zwölf Apostel). Vierzig ist die Zahl der Erprobung und der Reinigung in dieser Erprobung (vierzig Tage in der Wüste). Zweiundvierzig ist die Zahl der Versöhnung zwischen Gott und Mensch (sieben mal sechs). Neunundvierzig ist die Zahl der zusammengesetzten Vollkommenheit (sieben mal sieben; der vollkommene Segen Jakobs an alle seine 12 Söhne in 1Mo 49). Siebzig ist die Zahl des Königreiches Gottes und seiner Herrschaftswege (70 Jahre Gefangenschaft in Babylon; siebzig Jahrwochen in Dan 9).
Tausend ist dreifache Vollständigkeit oder dreifache Heiligkeit (zehn mal zehn mal zehn, die Maße des würfelförmigen Allerheiligsten in der Stiftshütte und im Tempel; tausend Jahre als Zahl des Gemeindezeitalters in Off 20, Gott sammelt und heiligt seine ganze Gemeinde während dieser Zeit vollständig). Dazu kommen noch verschiedene Multiplikationen wie zum Beispiel 144.000, die Zahl der Erlösten und Geheiligten aus der alten und neuen Heilszeit (12 mal 12 mal 1000).
Die Vision Hesekiels zeigt uns ein Heiligtum, welches mit Zahlen geradezu gespickt ist. Es wird in der Bibel wohl keine weitere Vision geben, in welcher es von Zahlen derart wimmelt wie hier. Außerdem müssen wir feststellen, dass es sich bei dem Tempel im Wesentlichen um einen Grundriss handelt. Man kann eigentlich gar keine richtigen Höhenmaße erkennen, was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass es sich hier nicht um einen wirklichen Bauplan handeln kann. Die Angaben zum Bau des Tempels Salomos in 1Kö 6 und 7 sowie in 2Chr 3 enthalten sehr wohl die wichtigsten Höhenmaße, was unseren Gedanken weiter unterstützt. Hinzu kommt, dass die Beschreibung an verschiedenen Stellen so verwirrend zu sein scheint, dass man es kaum schafft, die einzelnen Teile richtig zuzuordnen.
Mein Vater ist Maurer und Betonbauer. Er hat sein Haus von den Fundamenten bis zum Dachstuhl mit seinen eigenen Händen nach klaren Architektenplänen gebaut, welche ich als Kind ebenfalls betrachten konnte. Es war ein normales dreistöckiges Wohnhaus, und dennoch enthielt der Plan an jeder nur denkbaren Ecke die genauen Maße für jede Tür, jedes Fenster, jede Treppe, jede Etage, jeden Mauervorsprung, jede Wandhöhe, jeden Winkel und auch für das Dach. So kann man ein Haus bauen. Wie sollte man hingegen nach einer oberflächlichen Grundrissskizze das gewaltige Heiligtum Gottes errichten können, welches hier von den Anhängern der buchstäblichen Auslegung gesehen wird?
Die soeben genannten Dinge deuten wohl eher auf eine geistliche Auslegung hin. Das beinhaltet natürlich, dass dann auch die Zahlen des Heiligtums geistlich zu deuten sind. Die buchstäblichen Ausleger haben die vielfältigen Ellenmaße und Rutenmaße teilweise in Metermaße und sogar Kilometermaße umgerechnet. Dabei waren sie sich nicht immer einig darüber, welches Ellenmaß oder welches Rutenmaß zugrunde gelegt werden muss und kamen zu teilweise sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die Zahlen bringen uns nämlich eine geistliche Botschaft, wie wir zuvor kurz erläutert haben. Wer diese Zahlen in heutige metrische Maße umrechnet, wie es auch in einigen zeitgenössischen Bibelversionen geschieht, der kann diese Botschaft nicht mehr entschlüsseln. Wir möchten deshalb in einem sehr kurzen Abschnitt noch einige wenige Beispiele für die Bedeutung der Zahlen angeben, bevor wir zur weiteren Deutung übergehen können. Diese wenigen Beispiele können dem interessierten Leser als Anregung zu weiterem Studium dienen.
Sieht man zum Beispiel in Kapitel 41 an der Türöffnung zwei Pfeiler von 6 Ellen Breite, so weist dies auf die Menschen (6) hin, die durch diese Tür gehen um in das Heiligtum einzutreten. Es sind zwei Gruppen, eine aus dem alten Bund und eine aus dem neuen Bund. Wenn die Tür 10 Ellen breit ist (2 mal 5) und zusätzlich auf beiden Seiten noch fünf Ellen breit, so haben wir hier ein vierfaches Zeugnis der Erlösung aus Gnade (5). Die erlösten Menschen gehen durch diese Tür. Der Tempelsaal ist 40 Ellen lang, das ist 5 (Erlösung, Gnade) mal 8 (Auferstehung und neues Leben). Die 20 (2 mal 10) redet vom Zeugnis (2) Gottes und vom Gesetz (10): „Zum Gesetz und zum Zeugnis!“ Somit haben wir hier das Bild der Erlösten, welche durch das Zeugnis des Gesetzes Gottes und durch das Wort der Gnade zur Erlösung und zum neuen Leben gebracht worden sind. Sie betreten die Halle des Tempels Gottes, nämlich seiner Gemeinde. Zahllose Multiplikationen dieser Zahlen begegnen uns im Tempelbezirk. 25 (5 mal 5), Erlösung im alten und neuen Bund vereinigt. 30 (6 mal 5), der erlöste (5) Mensch (6). 25.000 als das Gesamtmaß des Heiligtums: Erlösung im alten und neuen Bund in Verbindung mit vollständiger Heiligung. (5 mal 5 mal 1000). Man könnte endlos weitergehen, aber dieses kleine Beispiel möge genügen. Wir kommen nun zu einer weiteren Deutung der Vision des Tempels. Wie bereits zuvor betont, orientieren sich die nun folgenden Darlegungen in ihren Grundzügen an dem Werk von Gregory Beale.
Der Tempel in Hesekiel 40-48 und seine Beziehung zum Neuen Testament
Vier grundsätzliche Auslegungsrichtungen sind vorherrschend, teils auch in Kombination. Erstens: Die Vision ist die Prophezeiung eines buchstäblichen materiellen Tempels, der in Israel gebaut wird, nach dispensationalistischer Sicht im irdischen 1000-jährigen Reich. Zweitens: Die Vision beschreibt bildhaft einen idealen himmlischen Tempel, welcher dort existiert, und von dem Gott nie beabsichtigte, dass er auf der Erde gebaut werden sollte. Drittens: Die Beschreibung ist eine bildliche Vision eines rein ideellen Tempels, eines rein gedanklichen Phänomens in Gottes Gedanken, weder himmlisch noch irdisch existierend. Viertens: Es wird ein realer himmlischer Tempel beschrieben, der in der Endzeit vom Himmel herabkommen und auf der Erde aufgerichtet werden wird, jedoch nicht als ein buchstäbliches Gebäude.
Um die Gedanken Gottes besser erkennen zu können, möchten wir zunächst einige Verse aus dem Buch Hesekiel aneinanderreihen, welche in Verbindung mit unserer Vision stehen:
Hes 1,1+4: „Und es geschah im dreißigsten Jahr, am fünften Tag des vierten Monats, als ich unter den Weggeführten am Fluss Kebar war, da öffnete sich der Himmel, und ich sah Gesichte Gottes. (…) Und ich schaute, und siehe, ein Sturmwind kam von Norden her, eine große Wolke und loderndes Feuer, von einem Strahlenglanz umgeben; aus seiner Mitte aber glänzte es wie Goldschimmer, mitten aus dem Feuer.“
Hes 8,3-4: „Und er streckte etwas wie eine Hand aus und ergriff mich bei dem Haar meines Hauptes, und der Geist hob mich empor zwischen Himmel und Erde und brachte mich in Gesichten Gottes nach Jerusalem, an den Eingang des inneren Tores, das nach Norden schaut, wo ein Götzenbild der Eifersucht, das die Eifersucht [Gottes] erregt, seinen Standort hatte. Und siehe, dort war die Herrlichkeit des Gottes Israels, in derselben Gestalt, wie ich sie im Tal gesehen hatte.“
Hes 11,16: „Darum sollst du zu ihnen sagen: So spricht GOTT, der Herr: Ich habe sie wohl in die Ferne unter die Heidenvölker gebracht und in die Länder zerstreut; aber ich bin ihnen doch für eine kurze Zeit zum Heiligtum geworden in den Ländern, in die sie gekommen sind.“
Hes 11,24: „Mich aber nahm der Geist und führte mich im Gesicht, im Geist Gottes, wieder nach Chaldäa zu den Weggeführten; und die Erscheinung, die ich gesehen hatte, hob sich von mir hinweg.“
Hes 17,22-23: „So spricht GOTT, der Herr: Ich will auch [einen Schössling] vom Wipfel des hohen Zedernbaumes nehmen und will ihn einsetzen. Von dem obersten seiner Schösslinge will ich ein zartes Reis abbrechen und will es auf einem hohen und erhabenen Berg pflanzen; auf dem hohen Berg Israels will ich es pflanzen, damit es Zweige treibe und Früchte bringe und zu einem prächtigen Zedernbaum werde, dass allerlei Vögel und allerlei Geflügel unter ihm wohnen und unter dem Schatten seiner Äste bleiben können.“
Hes 20,40: „Denn auf meinem heiligen Berg, auf dem erhabenen Berg Israels, spricht GOTT, der Herr, dort wird mir das ganze Haus Israel dienen, sie alle, [die] im Land [sind]; dort will ich sie gnädig annehmen; und dort will ich eure Hebopfer fordern und eure Erstlingsgaben und alles, was ihr heiligt.“
Hes 37,26-28: „Ich will auch einen Bund des Friedens mit ihnen schließen; ein ewiger Bund soll mit ihnen bestehen, und ich will sie sesshaft machen und mehren; ich will mein Heiligtum auf ewig in ihre Mitte stellen. Meine Wohnung wird bei ihnen sein, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Und die Heidenvölker werden erkennen, dass ich der HERR bin, der Israel heiligt, wenn mein Heiligtum in Ewigkeit in ihrer Mitte sein wird.“
Hes 40,2: „In göttlichen Gesichten brachte er mich in das Land Israel, und er ließ mich nieder auf einem sehr hohen Berg; auf diesem war etwas wie der Bau einer Stadt, nach Süden hin.“
Hes 43,7+9: „Und er sprach zu mir: Menschensohn, dies ist der Ort für meinen Thron und die Stätte für meine Fußsohlen, wo ich inmitten der Kinder Israels ewiglich wohnen will! Und das Haus Israel wird künftig meinen heiligen Namen nicht mehr verunreinigen, weder sie noch ihre Könige, durch ihre Hurerei, durch die Leichname ihrer Könige und ihre Höhen, (…) Nun werden sie ihre Hurerei und die Leichname ihrer Könige von mir entfernen, und ich will ewiglich in ihrer Mitte wohnen.“
Hes 48,35: „Der ganze Umfang beträgt 18 000 [Ruten]. Und der Name der Stadt soll künftig lauten: »Der HERR ist hier!«“
In 40,2 wird zwar der Süden genannt, doch es fehlt ein geographischer Referenzpunkt, welcher die Lage des Berges angibt. Hesekiel sieht etwas wie eine Stadt, gelegen auf einem sehr hohen Berg, obwohl das irdische Jerusalem nicht auf einem sehr hohen Berg liegt, sondern auf etwa 800 m Meereshöhe.
Der Ausdruck eines sehr hohen Berges spricht in der biblischen Symbolik oft von einem geistlich erhabenen Ort, vom Ort des Heiligtums oder vom Ort der Gegenwart Gottes. Dies ist von Bedeutung für die schriftgemäße Auslegung. Die Stadt auf einem sehr hohen Berg erinnert in biblischer Sprache an etliche andere Verse aus der Schrift:
Jes 2,1-4: „Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem schaute: Ja, es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN fest gegründet stehen an der Spitze der Berge, und er wird erhaben sein über alle Höhen, und alle Heiden werden zu ihm strömen. Und viele Völker werden hingehen und sagen: »Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns belehre über seine Wege und wir auf seinen Pfaden wandeln!« Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des HERRN von Jerusalem. Und er wird Recht sprechen zwischen den Heiden und viele Völker zurechtweisen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden werden und ihre Speere zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.“
Hes 17,22-23: „So spricht GOTT, der Herr: Ich will auch [einen Schössling] vom Wipfel des hohen Zedernbaumes nehmen und will ihn einsetzen. Von dem obersten seiner Schösslinge will ich ein zartes Reis abbrechen und will es auf einem hohen und erhabenen Berg pflanzen; auf dem hohen Berg Israels will ich es pflanzen, damit es Zweige treibe und Früchte bringe und zu einem prächtigen Zedernbaum werde, dass allerlei Vögel und allerlei Geflügel unter ihm wohnen und unter dem Schatten seiner Äste bleiben können.“
Mi 4,1-4: „Doch es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN fest gegründet an der Spitze der Berge stehen und wird über alle Höhen erhaben sein, und Völker werden ihm zuströmen. Und viele Heidenvölker werden hingehen und sagen: »Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns über seine Wege belehre und wir auf seinen Pfaden wandeln!« Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des HERRN von Jerusalem. Und er wird das Urteil sprechen zwischen großen Völkern und starke Nationen zurechtweisen, die weit weg wohnen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere ein Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen; sondern jedermann wird unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, und niemand wird ihn aufschrecken; denn der Mund des HERRN der Heerscharen hat es geredet!“
Mt 5,14: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann eine Stadt, die auf einem Berg liegt, nicht verborgen bleiben.“
Mt 17,1: „Und nach sechs Tagen nahm Jesus den Petrus, den Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich und führte sie beiseite auf einen hohen Berg.“
Off 21,2: „Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabsteigen, zubereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut.“
Off 21,10: „Und er brachte mich im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, die von Gott aus dem Himmel herabkam, …“
Hes 40,1-4 zeigt auffällige Gemeinsamkeiten mit Hes 1,1-3 und Hes 8,1-3: Erstens eine einleitende Bemerkung über den Zeitpunkt der Vision. Zweitens: „Die Hand des Herrn kam über mich“. Drittens: Die Aussage, dass Hesekiel „Gesichte Gottes“ sah, also Visionen. Die Visionen ereigneten sich am Fluss Kebar (1,1+3; 10,15+22; 40,3). Die Herrlichkeit Gottes war ein Bestandteil verschiedener Visionen (1,28; 8,4; 10,4+18-19; 11,22-23; 43,2+5). Der Himmel öffnete sich, die Visionen kamen wiederholt von Norden, also vom angenommenen Wohnort Gottes im alten Israel. Die himmlische Dimension ist den Visionen gemeinsam, und das gilt auch für Hes 40-48. Man muss somit anhand der Symbolsprache des gesamten Buches Hesekiel davon ausgehen, dass der Prophet in den Kapiteln 40-48 keine materielle Realität auf der Erde gesehen hat. Eine buchstäbliche Deutung würde der gesamten Symbolsprache des Buches Hesekiel widersprechen. Der Tempel in Hes 40-48 ist somit ein visionärer himmlischer Tempel.
Was ist demnach die irdische Realität, die dem himmlischen Tempel von Hes 40-48 entspricht? Die Vision beschreibt einerseits den Tempel, der Gottes Wohnung inmitten seines Volkes in der jetzigen Zeit entspricht. Es ist also eine Darstellung der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes. Die Vision beschreibt andererseits auch die fortdauernde Existenz des jetzt noch himmlischen Tempels in der Zukunft, wenn er tatsächlich aus dem Himmel zur neuen Erde herabkommen wird. Gott wohnt seit der Auferstehung des Herrn Jesus Christus nicht mehr in einem von Menschenhand gemachten Tempel. Israels irdischer Tempel war nur ein Abbild der geistlichen Realität, welche durch Hesekiels Tempelvision dargestellt ist.
Somit ist die Tempelvision einerseits eine Darstellung des endzeitlichen („eschatologischen“) Heiligtums Gottes inmitten seines Volkes, und zwar besonders im Hinblick auf Hes 37,26-28 (siehe oben). In Vers 27 wird der Herr dort über ganz Israel sein, auch dies ist ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass es sich bei dem Tempel nicht um ein begrenztes Gebäude handelt, sondern um die Gegenwart Gottes. Hes 43,7 und 9 sagen zweimal dasselbe: Gott wird inmitten seines Volkes gegenwärtig sein. Diese beiden letzten Verse sind eine Weiterentwicklung von Kapitel 37: Dort wohnt der Herr über seinem Volk, hier auf ewig inmitten seines Volkes. Es besteht auch eine erfüllende Verbindung zu 3Mo 26,11-12.
Hes 11,16 beschreibt, dass Gott selbst auch nach dem Untergang des irdischen Bildes, also des Tempels in Jerusalem, für eine kurze Zeit das Heiligtum des treuen Überrestes während der Zeit der Verbannung sein würde (siehe oben). Die Tempelvision Hesekiels verdeutlichte also den Israeliten der damaligen Zeit, dass Gott vom Himmel aus mit ihnen sein würde, auch wenn der Tempel in Jerusalem zerstört sein würde. Dies ist eine weitere Bedeutung der Vision. Wie wir sehen, ist die Deutung sehr komplex und vielschichtig, denn sie muss im Kontext des gesamten Buches richtig eingeordnet werden.
Beschreibungen in Hesekiel, die auf einen nicht gebäudehaften Tempel hindeuten
Der Text der Vision selbst liefert Hinweise auf diesen Sachverhalt. 40,2 zeigt „etwas wie den Bau einer Stadt“. Hesekiel sah also entweder einen Tempel, der in etwa die Gestalt einer Stadt hatte, oder er sah eine Stadt, die in etwa die Gestalt eines Tempels hatte. Dann wird die gesamte Vision entwickelt. Als allerletzter Vers kommt schließlich 48,35: „Der Name der Stadt heißt von nun an: Der Herr ist hier!“ Die Verse 40,1-2 und 48,35 rahmen also die gesamte Vision ein. Was in 40,1-2 als „etwas wie eine Stadt“ bezeichnet wird und im weiteren Verlauf der Vision als ein Tempel dargestellt ist, wird im letzten Vers eindeutig als die Stadt bezeichnet, in welcher der Herr gegenwärtig ist. Mit anderen Worten: Der Tempel ist die Stadt Gottes und die Stadt ist der Tempel Gottes.
Jer 3,16-17 redet darüber, dass man keine Bundeslade mehr machen wird, und dass man Jerusalem den Thron des Herrn nennen wird, zu dem sich alle Heidenvölker versammeln werden zum Namen des Herrn, was eine deutliche Prophetie im Hinblick auf die Versammlung ist. Auffallend ist die Übereinstimmung mit Hes 43,7. Dieser Vers redet ebenfalls über den Thron Gottes und den Ort dieses Thrones. Der Vers befindet sich jedoch mitten in der Tempelvision und ist somit ein weiterer starker Hinweis darauf, dass der Tempel Hesekiels den Wohnort Gottes im neuen und ewigen Bund inmitten seines Volkes darstellt. Auch in Off 21,1 bis Off 22,5 sieht man den Thron als Wohnort Gottes, ebenso an weiteren Stellen der Offenbarung. Einen materiellen Tempel sieht man nicht, denn der Herr selbst und die Gemeinde sind der Tempel. Die Übereinstimmung mit Hes 48,35 ist beeindruckend.
Die Stadt ist vollkommen quadratisch (48,16). Die Gebiete der Stämme Israels sind aneinandergereiht entlang von schnurgeraden Grenzen unter völliger Missachtung jeglicher geographischer Gegebenheiten. Die Ausmaße von Stadt und Tempel werden sehr oft in Vielfachen von fünf (in der Bibel die Zahl der Erlösung) angegeben. All diese Dinge deuten klar auf eine Symbolik hin, und nicht auf eine materielle Realität. Das Wasser, das aus dem Tempel hervorkommt, breitet sich in der Vision über das ganze Land aus und heilt sogar das Tote Meer. Der Fluss schwillt ohne jeglichen Zufluss mächtig an, und er bleibt völlig rein, er wird nicht durch Vermischung mit Schmutz oder dem Wasser des Toten Meeres verdorben. Auch das ist Symbolsprache: Die Ausbreitung der Herrlichkeit Gottes über die ganze Erde; die Heilung des Toten Meeres, also der toten Nationen der Erde, durch das Evangelium in der Kraft des Heiligen Geistes. Man sieht auch die Lebensbäume entlang des Stromes zur Heilung der Nationen. Die Juden glaubten zu Recht, dass dieses Bild sich auf die ganze Erde beziehe. Das Land in der Vision steht somit als Bild für die ganze Erde. Hier ebenfalls die Übereinstimmung mit Off 21 und 22. Das verlorene Paradies Edens ist in verherrlichter Form wiedergewonnen und erfüllt in Off 22 die ganze Erde. Die Tempelvision ist somit auch eine Weiterentwicklung von Hes 28,13-16, wo ebenfalls von Eden die Rede ist.
Jes 4,5-6: „… dann wird der HERR über der ganzen Wohnung des Berges Zion und über seinen Versammlungen bei Tag eine Wolke und Rauch schaffen und den Glanz einer Feuerflamme bei Nacht, denn über der ganzen Herrlichkeit wird ein Schutzdach sein; und eine Laubhütte wird zum Schatten vor der Hitze bei Tag sein, und zur Zuflucht und zum Schirm vor Unwetter und Regen.“
Jes 8,14: „So wird er [euch] zum Heiligtum werden; aber zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchelns für die beiden Häuser Israels, zum Fallstrick und zur Schlinge für die Bewohner von Jerusalem, …“
Jes 57,15: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig wohnt und dessen Name »Der Heilige« ist: In der Höhe und im Heiligtum wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gedemütigten Geistes ist, damit ich den Geist der Gedemütigten belebe und das Herz der Zerschlagenen erquicke.“
Jes 66,1-2: „So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße! Was für ein Haus wollt ihr mir denn bauen? Oder wo ist der Ort, an dem ich ruhen soll? Denn dies alles hat meine Hand gemacht, und so ist dies alles geworden, spricht der HERR. Ich will aber den ansehen, der demütig und zerbrochenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort.“
Hes 17,1-10: „Und das Wort des HERRN erging an mich folgendermaßen: Menschensohn, gib dem Haus Israel ein Rätsel auf und lege ihm ein Gleichnis vor, und sage: So spricht GOTT, der Herr: Ein großer Adler mit großen Flügeln und langen Fittichen voll vielfarbiger Federn kam auf den Libanon und nahm den Wipfel der Zeder hinweg. Und er brach den obersten ihrer Zweige ab und brachte ihn in ein Händlerland und setzte ihn in eine Stadt von Kaufleuten. Er nahm auch von dem Samen des Landes und pflanzte ihn auf ein Saatfeld; er brachte ihn zu vielen Wassern und setzte ihn wie einen Weidenbaum. Da wuchs er und wurde ein wuchernder Weinstock von niedrigem Wuchs; seine Ranken bogen sich zu ihm, und seine Wurzeln waren unter ihm. So wurde ein Weinstock daraus, und er trieb Äste und streckte Schosse aus. Es war aber ein anderer großer Adler, der hatte große Flügel und viele Federn. Und siehe, dieser Weinstock bog seine Wurzeln von den Beeten, worin er gepflanzt war, zu ihm hin und streckte seine Ranken gegen ihn aus, damit er ihn tränke. [Dabei] war er [doch] auf einem guten Boden bei vielen Wassern gepflanzt und konnte Zweige treiben und Frucht tragen und ein prächtiger Weinstock werden! Sage: So spricht GOTT, der Herr: Wird er gedeihen? Wird man nicht seine Wurzeln ausreißen und seine Frucht abschneiden, damit er verdorrt? Alle seine grünen Triebe werden verdorren! Und es braucht dazu keinen großen Arm und nicht viel Volk, um ihn mit seinen Wurzeln herauszuheben. Und siehe, er ist zwar gepflanzt, sollte er aber gedeihen? Wird er nicht, sobald der Ostwind ihn berührt, gänzlich verdorren? Auf den Beeten, wo er aufgewachsen ist, wird er verdorren.“
Hes 19,10-14: „Deine Mutter war wie du ein Weinstock, an Wassern gepflanzt, der viele Früchte und Reben bekam vom vielen Wasser. Seine Äste wurden so stark, dass man Herrscherstäbe daraus machen konnte, und sein Wuchs erhob sich bis zu den Wolken, sodass er auffiel wegen seiner Höhe und wegen der Menge seiner Ranken. Aber er wurde im Zorn ausgerissen und zu Boden geworfen, und der Ostwind dörrte seine Frucht aus; seine starken Äste wurden abgerissen und dürr; Feuer verzehrte sie. Jetzt aber ist er in der Wüste gepflanzt, in einem dürren und trockenen Land. Und es ging Feuer aus von einem Zweig seiner Äste, das verzehrte seine Früchte, sodass ihm [nun] kein starker Ast mehr geblieben ist, der zu einem Herrscherstab tauglich wäre. – Das ist ein Klagelied und zum Klagegesang bestimmt.“
Sach 1 und 2: Bitte lesen Sie diesen Abschnitt in Ihrer eigenen Bibel.
Der Opferdienst
Wir kommen nun zu den Opfern in diesem Tempel. Das Problem der Opfer in Hesekiels Tempel kann dadurch gelöst werden, dass man darin die Selbstaufopferung zuerst des Herrn Jesus selbst und dann auch der Christen für Gott sieht. Off 11 beschreibt den irdischen Lebenslauf der Gemeinde mit den Opfern auf dem Altar des Vorhofs (also im Bereich der körperlichen Existenz der Christen in dieser Welt) nach dem Muster des irdischen Lebenslaufes des Herrn Jesus selbst, welcher seinen irdischen Leib ebenfalls auf dem Altar von Golgatha im Vorhof dieser Welt dargebracht hat. Die Opfer des Tempels Hesekiels werden mit dem Wort „kipper“ bezeichnet, welches genau der Begriff ist, welcher im Pentateuch jene Opfer beschreibt, welche sühnenden Charakter haben.
3Mo 6,23: „Dagegen soll man kein Sündopfer essen, von dessen Blut in die Stiftshütte hineingebracht wird, um Sühnung zu erwirken im Heiligtum; es soll mit Feuer verbrannt werden.“
3Mo 8,15: „Und er schächtete ihn, und Mose nahm das Blut und tat davon mit seinem Finger auf die Hörner des Altars ringsum und entsündigte den Altar; und er goss das [übrige] Blut an den Fuß des Altars und heiligte ihn, indem er für ihn Sühnung erwirkte.“
3Mo 16,6+11+24+30-34: „Und Aaron soll den Jungstier als Sündopfer für sich selbst herzubringen und Sühnung erwirken für sich und sein Haus. (…) Und Aaron bringe den Jungstier des Sündopfers herzu, das für ihn selbst bestimmt ist, und erwirke Sühnung für sich und sein Haus; und er schächte den Jungstier des Sündopfers, das für ihn selbst bestimmt ist. (…) und er soll sein Fleisch im Wasser baden an heiliger Stätte und seine eigenen Kleider anziehen und hinausgehen und sein Brandopfer und das Brandopfer des Volkes opfern und Sühnung erwirken für sich und das Volk. (…) Denn an diesem Tag wird für euch Sühnung erwirkt, um euch zu reinigen; von allen euren Sünden sollt ihr gereinigt werden vor dem HERRN. Darum soll es euch ein Sabbat der Ruhe sein, und ihr sollt eure Seelen demütigen; das soll eine ewige Ordnung sein. Und die Sühnung soll ein Priester vollziehen, den man gesalbt und dessen Hand man gefüllt hat, damit er anstelle seines Vaters als Priester dient; und er soll die leinenen Kleider anziehen, die heiligen Kleider, und er soll Sühnung erwirken für das Allerheiligste und die Stiftshütte, und für den Altar soll er Sühnung tun; auch für die Priester und für die ganze Volksgemeinde soll er Sühnung erwirken. Das soll euch eine ewige Ordnung sein, dass ihr für die Kinder Israels einmal im Jahr Sühnung erwirkt wegen aller ihrer Sünden! Und man machte es so, wie der HERR es Mose geboten hatte.“
4Mo 5,8: „Ist aber kein nächster Blutsverwandter da, dem man die Schuld erstatten kann, so fällt die dem HERRN zu erstattende Schuld dem Priester zu, zusätzlich zu dem Widder der Versöhnung, mit dem man für ihn Sühnung erwirkt.“
4Mo 15,28: „Und der Priester soll für diese Seele, die ohne Vorsatz, aus Versehen gesündigt hat, Sühnung erwirken vor dem HERRN; indem er für sie Sühnung erwirkt, wird ihr vergeben werden.“
4Mo 29,5: „… auch einen Ziegenbock als Sündopfer, um Sühnung für euch zu erwirken, …“
Die alttestamentlichen Opfer leisteten nur eine Bedeckung, was die Bedeutung von „kipper“ ist. Erst das Opfer des Herrn selbst brachte die völlige Sühnung hervor. Wenn also die Opfer des Tempels Hesekiels durch dieses Verb „kipper“ charakterisiert wurden, dann bedeutete dies aus der alttestamentlichen Sicht Hesekiels und seiner Zeitgenossen, dass die Vision in 40-48 im Zusammenhang mit den übrigen zahlreichen Stellen, welche wir bereits erwähnt haben, einen Zustand darstellt, in welchem das sühnende Opfer inmitten des Volkes, des Tempels und der Stadt auf ewig gegenwärtig sein wird. Das Opfer des Herrn Jesus selbst ist somit in geistlicher Hinsicht als die Erfüllung der Opfer anzusehen, welche im Tempel Hesekiels erwähnt sind. Dies stimmt genau mit den Aussagen des Neuen Testaments überein. Man kann die Opfer Hesekiels nicht als Gedenkopfer in einem zukünftigen Zustand definieren, ohne die Heilsgeschichte umzukehren, ohne das Opfer des Herrn Jesus ungültig zu machen, und ohne grundlegend gegen den Hebräerbrief zu verstoßen. Das Gedenkopfer im NT ist das Mahl des Herrn in 1Kor 10 und 11.
Hebr 9,12+26+28: „… auch nicht mit dem Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erlangt. (…) denn sonst hätte er ja oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an. Nun aber ist er einmal offenbar geworden in der Vollendung der Weltzeiten zur Aufhebung der Sünde durch das Opfer seiner selbst. (…) so wird der Christus, nachdem er sich einmal zum Opfer dargebracht hat, um die Sünden vieler auf sich zu nehmen, zum zweiten Mal denen erscheinen, die auf ihn warten, nicht wegen der Sünde, sondern zum Heil.“
Hebr 10,10-18: „Aufgrund dieses Willens sind wir geheiligt durch die Opferung des Leibes Jesu Christi, [und zwar] ein für alle Mal. Und jeder Priester steht da und verrichtet täglich den Gottesdienst und bringt oftmals dieselben Opfer dar, die doch niemals Sünden hinwegnehmen können; Er aber hat sich, nachdem er ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht hat, das für immer gilt, zur Rechten Gottes gesetzt, und er wartet hinfort, bis seine Feinde als Schemel für seine Füße hingelegt werden. Denn mit einem einzigen Opfer hat er die für immer vollendet, welche geheiligt werden. Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist; denn nachdem zuvor gesagt worden ist: »Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließen will nach diesen Tagen, spricht der Herr: Ich will meine Gesetze in ihre Herzen geben und sie in ihre Sinne schreiben«, sagt er auch: »An ihre Sünden und ihre Gesetzlosigkeiten will ich nicht mehr gedenken.« Wo aber Vergebung für diese ist, da gibt es kein Opfer mehr für Sünde.“
Die Scofield-Bibel, welche ja eigentlich das Lehrsystem des Dispensationalismus vertritt, bietet hierzu eine sehr überraschende Auslegung an. Im Kommentar zu Hes 43,19 heißt es: „Die Erwähnung der Opfer (in Hesekiel) ist nicht wörtlich zu verstehen, da ja diese Opfer abgetan sind, sondern sie sind so anzusehen, dass uns hier der Gottesdienst des erlösten Israel gezeigt wird in seinem eigenen Land und in dem Tempel des Tausendjährigen Reiches unter Benutzung der Ausdrücke, mit denen die Juden in den Tagen Hesekiels vertraut waren.“
Der Widerspruch in dieser Aussage ist etlichen Auslegern aufgefallen. Hoekema schreibt: „Diese Worte sind ein weitreichendes Zugeständnis der Dispensationalisten. Wenn die Opfer nicht buchstäblich verstanden werden sollen, warum soll dann der Tempel buchstäblich verstanden werden? Anscheinend wird hier das dispensationalistische Prinzip der wörtlichen Auslegung von AT-Prophetie verworfen und ein wesentlicher Grundstein aus dem Fundament des ganzen dispensationalistischen Systems gezogen!“ Ellison schreibt: „Erkläre die Opfer als symbolisch, und der ganze Tempel wird ebenfalls symbolisch.“
Nun kommt noch die Frage hinzu: Ist das Jerusalem in Hes 47 das geographische Zentrum der zukünftigen Welt? Die Bejahung dieser Frage würde gegen das Prinzip von Joh 4,21-23 verstoßen, wo der Herr vor fast 2000 Jahren sagte: „Es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet (…). Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden.“
In Joh 7,38 spielt der Herr Jesus auf das Wasser aus Hesekiels Tempel an und deutet es auf sich selbst und den Heiligen Geist in den Gläubigen. Dabei ist Joh 7,37-39 auch eine direkte Weiterentwicklung des Bildes vom lebendigen Wasser aus Joh 4,10-15. So wie Jerusalem in Hes 47 als Zentrum der Anbetung bildlich verstanden werden muss, und zwar aufgrund der Lehre des Herrn Jesus selbst (Joh 4,21-23), ebenso muss auch die gesamte Vision von Hes 40-48 bildlich verstanden werden.
Der Strom des Wassers deutet klar darauf hin, dass das Bild von Hes 40-48 zudem noch als Teil einer heilsgeschichtlichen Entwicklung innerhalb der ganzen Bibel anzusehen ist, nach welcher das Heiligtum des Gartentempels Gottes und seiner heiligen Stadt im Begriff steht, sich über die ganze jetzige Erde auszubreiten und in der Ewigkeit die gesamte Schöpfung des neuen Himmels und der neuen Erde einzunehmen. Der Strom fließt hinaus und heilt die ganze Erde. Die Tempelvision Hesekiels trägt somit den Charakter eines zwar inaugurierten (eingeweihten), aber letztlich noch nicht in voller Herrlichkeit geoffenbarten Zustandsbildes. Sie passt somit zu der grundlegenden biblischen Lehre von den zwei Zeitaltern.
Das jetzige böse Zeitalter dauert noch an bis zur Wiederkunft des Herrn. Das zukünftige Zeitalter hat zwar schon begonnen, es wurde bereits durch den Tod und die Auferstehung des Herrn feierlich eingeweiht, es wird jedoch erst bei der sichtbaren Ankunft des Herrn zur herrlichen Offenbarung der neuen und ewigen Welt vollendet sein und danach ewig fortdauern. Dieser Tatsache verleiht die Vision Hesekiels unter anderem dadurch Ausdruck, dass die Tempelvision nur einen Grundriss nahezu ohne irgendwelche Höhenmaße angibt, also einen in der heutigen Realität nicht in ein tatsächliches Gebäude umsetzbaren Bauplan, während die Offenbarung uns eine parallele Vision des gleichen Tempelheiligtums und Gartenheiligtums Gottes zeigt, in welcher die Stadt in Form eines Würfels dargestellt ist, also in vollständiger symbolisch zu verstehender Dreidimensionalität existiert. Das Bild der Offenbarung ist somit die Vollendung des Zwischenzustandes in Hesekiel. Hesekiel ist ein zweidimensionaler Schatten, Off 22 ist der dreidimensionale Körper, der den Schatten wirft.
Weitere Überlegungen über das Wesen von Hesekiels Tempelvision
Folgende Personen, Gegenstände und Zeremonien aus Israels altem Tempel fehlen in der Vision Hesekiels: Die Bundeslade im Allerheiligsten. Die Cherubim im Allerheiligsten. Der goldene Leuchter. Der Schaubrottisch. Der Räucheraltar im Heiligen. Der Trennvorhang zum Allerheiligsten. Der Hohepriester und sein Dienst. Das heilige Salböl. Das bronzene Meer. Das tägliche Abendopfer. Der große Versöhnungstag.
Verschiedene Ausleger haben angenommen, dass diese Dinge nicht wirklich abwesend sind, sondern dass der Prophet sie lediglich nicht erwähnt. Diese sogenannte „Argumentation aus dem Schweigen“ ist jedoch fragwürdig. Es handelt sich bei den betreffenden Gegenständen nämlich um die absoluten Herzstücke des Tempels. Ohne diese Dinge wäre es in einem materiellen Tempel völlig unmöglich, irgendeinen geordneten Opferdienst durchzuführen. Alle diese Dinge werden nur deshalb nicht erwähnt, weil sie nicht da sind. Sogar die Gegenwart der Herrlichkeit Gottes und der Hohepriester fehlen.
Die Beschreibung des Tempels Hesekiels ist mit ihrer Länge von neun Kapiteln ungleich ausführlicher als die Beschreibung des salomonischen Tempels. Es ist undenkbar, dass in dieser weitläufigen Beschreibung die wichtigsten Dinge für den täglichen Tempeldienst ausgelassen werden könnten, wenn sie noch da wären. Die Beschreibung der Stiftshütte in 2. Mose enthält ebenso zahlreiche Gegenstände, welche sehr wohl auch beim Tempelbau Salomos erwähnt werden. Gott lässt diese Dinge nicht unerwähnt, weil er bereits früher darüber geredet hat. Jer 3,16-17 sagt zudem, dass es in dem künftigen Tempel keine Bundeslade mehr geben wird, und dass Gottes Gegenwart sich über ganz Jerusalem erstrecken wird. Dass dies ein Bild auf das Gemeindezeitalter ist, wurde bereits ausführlich erklärt. Jeremias Aussage passt zum Tempel Hesekiels. Die Gegenstände sind nicht da.
Manche buchstäblichen Ausleger erkennen an, dass diese Dinge fehlen, weil Christus sie erfüllt hat (siehe zum Beispiel Schmitt und Laney: Messiahs Coming Temple, 1997, S. 141-152). Das Meer fehle, weil Christi Blut die Sünden abgewaschen hat. Der Schaubrottisch fehle, weil Christus das wahre Brot ist. Der Leuchter fehle, weil Christus als Licht in die Welt gekommen ist. Der Vorhang fehle, weil Christus selbst der Zugang in die Gegenwart Gottes ist. Die Bundeslade fehle, weil Christus selbst im Inneren Heiligtum auf dem Thron sitzt und herrscht. Und so weiter. Dies sind deutliche Zugeständnisse von Seiten der Literalisten (der buchstäblichen Ausleger).
Der Grund für das Fehlen scheint jedoch nicht nur in dem soeben Gesagten zu liegen (obwohl das schon genug wäre), sondern noch an einer anderen Stelle. Die fehlenden Gegenstände und Zeremonien bildeten das Herzstück des alten Tempels. Ihr Fehlen betrifft den Vorhof, das Heilige und das Allerheiligste. Diese drei Bereiche des Tempelbezirks symbolisieren die drei Bereiche des Kosmos: Die sichtbare Erde und das Meer (Vorhof), den sichtbaren Himmel (Heiliges) und die unsichtbaren himmlischen Bereiche mit dem Wohnort Gottes (Allerheiligstes). Bestimmte Teile des Kosmos werden also in Hesekiels Vision nicht mehr repräsentiert, was im Umkehrschluss auf eine grundlegende Umgestaltung des gesamten Kosmos hindeutet, in welchem dieses Heiligtum existiert oder existieren wird.
Das Fehlen aller wichtigen Dinge weist auf eine heute bereits inaugurierte (eingeführte) und in der Zukunft vollständig geoffenbarte Metamorphose (Verwandlung) des Tempels Gottes hin, welche auf eine ebensolche bereits heute inaugurierte und in der Zukunft vollständig geoffenbarte Metamorphose (Verwandlung) des gesamten Kosmos hinweist, welchen der Tempel repräsentiert. In der Tat ist es so, dass bereits das erste Kommen des Herrn Jesus Christus eine tiefgreifende Änderung der Gestalt und der Struktur des gesamten Kosmos eingeleitet hat. Sein Tod war nämlich das Ende der alten Schöpfung, seine Auferstehung der Anfang der neuen Schöpfung. Diese Auferstehung und Neuschöpfung beschreibt der Herr selbst in Joh 2,19-22 als den alten Tempel seines gestorbenen Leibes der Niedrigkeit und als den neuen Tempel seines verherrlichten Auferstehungsleibes.
Joh 2,19-22: „Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten! Da sprachen die Juden: In 46 Jahren ist dieser Tempel erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Als er nun aus den Toten auferstanden war, dachten seine Jünger daran, dass er ihnen dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.“
Eine tiefgreifende Änderung hat bereits begonnen (ist bereits inauguriert) und sie wird bei der Wiederkunft des Herrn in vollständiger Herrlichkeit geoffenbart werden. Daher hat auch dieselbe Änderung des Tempels bereits begonnen (ist bereits inauguriert) und sie wird bei der Wiederkunft des Herrn in vollständiger Herrlichkeit geoffenbart werden.
Die vorliegende Erklärung lässt sich schlüssig begründen durch das Prinzip der fortschreitenden Offenbarung der Schrift. Gott hat nach dem Verlust des Paradieses durch den Sündenfall gegenüber seinem Volk über Jahrtausende hinweg die Offenbarung seines Heiligtums und seiner persönlichen Gegenwart schrittweise immer weiter entwickelt. Zuerst die Felle für Adam und Eva, dann die Altäre Noahs, Hiobs und der Patriarchen, dann das Lamm für Israel, dann die Stiftshütte, schließlich den Steintempel des alten Israel, gefolgt von dem Tempel Hesekiels, in welchem der Blick weg vom Irdischen und hin zum Geistlichen wechselt.
Der Hesekieltempel weist symbolisch voraus auf die vollständige Offenbarung des Tempels des neuen Bundes, welcher Christus selbst (das wahre Lamm Gottes) und seine Gemeinde ist, welcher in dem Bild der leidenden Gemeinde als Tempel Gottes in dieser Welt in Off 11 gezeigt wird, und welcher in dem noch kommenden ewigen Zustand in Off 21 und 22 aus dem Himmel auf die neue Erde kommen und die gesamte Schöpfung erfüllen wird. Die Vision Hesekiels hat somit in dem fortschreitenden Plan der Offenbarungen Gottes noch immer einen vorläufigen Charakter. Die endgültige Vollendung kommt erst bei der Wiederkunft Christi.
So symbolisierte zum Beispiel der Leuchter den Baum des Lebens aus dem Garten Eden. Bei Hesekiel findet man in Kapitel 47 eine Vielzahl von Bäumen, von denen man isst. Dies deutet unter anderem auf die Christen im gegenwärtigen Zeitlauf hin, welche Christus in der Welt repräsentieren und sein rettendes Wort weitergeben. Der Leuchter im Heiligtum fehlt, weil Christus als wahrer Leuchter selbst im Heiligtum des Himmels ist, und weil an seiner Stelle die vielen Lichter der Gemeinde in der Welt leuchten sollen (Mt 5,14). In der Offenbarung sehen wir dann wieder einen einzigen riesigen Baum des Lebens, welcher den ganzen Tempel und die Stadt erfüllen wird. Dies bezeichnet natürlich die Allgegenwart des Herrn in der Herrlichkeit der neuen und ewigen Schöpfung. Der Herr selbst, das Lamm, ist dann auch die Lampe. Der Herr selbst ist dann auch der Tempel.
Die Gemeinde im heutigen Zustand ist somit in geistlicher Weise der inaugurierte (aber noch nicht ganz vollendete) Tempel der Ewigkeit. Die Gläubigen bilden nicht nur den Tempel, sondern sind auch geistliche Priester, die in diesem Tempel dienen. Die himmlischen Tempelvisionen der Offenbarung zeigen von wenigen Ausnahmen abgesehen keine Gegenstände des Tempels. Sie reden aber immer über den Thron oder über Throne, was in allen Fällen die Gegenwart Gottes oder der verherrlichten Gemeinde andeutet. Auch unter diesem Aspekt gesehen passt das Fehlen der Tempelgegenstände bei Hesekiel sehr gut zu einer himmlischen Vision.
Hesekiels Vision kann man somit bezeichnen als die himmlische Form des Tempels, mit dem der treue gläubige Überrest zur Zeit Hesekiels in der Gefangenschaft geistlich verbunden war (Hes 11,16). Es wird auch dieser Tempel sein (nämlich Christus selbst mit der Gemeinde aller Gläubigen), der am Ende der Tage auf die neue Erde herabkommen und in Ewigkeit bleiben wird. Es ist der himmlische Tempel der kommenden Ewigkeit, welcher in der jetzigen Endzeit schon inauguriert ist und sowohl geistlich als auch leiblich in der Gemeinde bereits damit begonnen hat, vom Himmel herabzukommen. Ebenso hat auch die Erfüllung der geistlichen Realitäten bereits begonnen, welche durch die fehlenden Gegenstände in Hesekiels Tempel symbolisiert werden.
Die Tempelvision aus Off 21: Die Erfüllung von Hesekiels Vision
Das Bild von Hes 40-48 kann als Weiterentwicklung der vorangehenden Visionen Hesekiels gesehen werden, wie wir bereits gesagt haben. Hesekiel beschreibt, was die Israeliten zu jener Zeit der Heilsgeschichte als idealen Plan oder vollkommenen Prototyp eines Tempels verstanden haben. Der Tempel wird zwar in konkreten Begriffen beschrieben, aber dennoch sind diese Begriffe nur Gefäße, welche die allgemeinen Prinzipien von Gottes Handeln enthalten. Die Vision repräsentiert, wofür Gott im Alten Testament stand, was er forderte und was somit in dem anbrechenden eschatologischen Zeitalter konkreter verwirklicht werden könnte:
- Gottes ewige Gegenwart bei seinem wiederhergestellten Volk.
- Den zentralen Stellenwert der Anbetung, dargestellt in den detaillierten Zeremonien.
- Die Bewahrung von Gottes Volk vor tödlicher Verunreinigung, was die zentrale Bedeutung des Vermessens des Heiligtums ist, und zwar sowohl bei Hesekiel als auch in Off 11 und Off 21-22.
- Die Segnung von Gottes Gegenwart, die sich über die ganze Erde erstrecken wird, um Leben zu spenden, dargestellt in dem Strom des Lebens.
Der Name „der Herr ist hier“ aus Hesekiel wird in Off 3,12 und 21,2 weiterentwickelt zu der Stadt Gottes und zum neuen Jerusalem. Die symbolische quadratische Struktur Hesekiels wird in Off 21-22 zu einer symbolischen würfelförmigen Struktur weiterentwickelt, und zwar im Hinblick auf die Würfelform des Allerheiligsten im alten Israel: Gottes neue Schöpfung wird vollkommen von seiner Heiligkeit durchdrungen sein, sie wird ein einziges Allerheiligstes sein, in welchem Gott inmitten seines Volkes wohnen und jeden Winkel persönlich erfüllen wird. Hesekiels Tempel steht symbolisch gesehen noch im Zentrum der Welt, denn der Strom des geistlichen Segens geht hinaus in die ganze Welt. In der Offenbarung ist die ganze neue Schöpfung identisch mit dem Tempel, so dass in dieser Vision überhaupt kein Tempel mehr zu sehen ist. Gott selbst ist der Tempel, ebenso das Lamm und der Garten, „damit Gott alles in allem sei“ (1Kor 15,28).
Hesekiel redet von Heiden im neuen Jerusalem (47,22-23), in Off 21 wird die Gemeinschaft von Juden und Heiden als das neue und wahre Israel geschildert, ebenso in Hebr 12,22-29. In Hesekiel werden die symbolischen Opfertiere gesehen, in Off 21-22 das vollkommene Lamm Gottes. Hesekiels Leser verstanden, dass Heiden zu Israel gehören konnten, wenn sie beschnitten wurden und dem Gesetz Moses mit dem Opferdienst gehorchten. Das NT und die Offenbarung erklären, dass Heiden wahre geistliche Israeliten werden, wenn sie an den Herrn Jesus Christus als das wahre Opfer glauben, sich mit ihm identifizieren und somit zu ihm als dem wahren Israel kommen (Jes 49,3; Hebr 12,22-29), in ihm beschnitten werden mit einer geistlichen Beschneidung (Kol 2,11), in ihm als dem wahren Tempel anbeten (1Pe 2,4-9) und durch ihn gereinigt werden.
In Hesekiels Tempel wird immer noch zwischen rein und unrein unterschieden, weil seine Vision von einer inaugurierten Eschatologie redet, nämlich von dem noch nicht vollendet geoffenbarten zukünftigen Zeitalter. Paulus fordert die Christen ebenfalls dazu auf, Unreines nicht zu berühren (2Kor 6,17) und sich von Verunreinigung des Fleisches und des Geistes zu reinigen (1Kor 6,18-19). Der Abschnitt Off 11,1-5 spielt auf den Zustand von Hesekiels Tempelvision an, indem er von dem Opfer der Gläubigen auf dem Altar des Vorhofs der Welt im jetzigen Zeitalter und vom Zeugnis der zwei Zeugen gegen den Widerstand der Welt sowie ihrer Absonderung vom Bösen redet. In Off 21-22 geht jedoch nichts Unreines mehr in die Stadt hinein, weil in der neuen Schöpfung nichts Unreines mehr existiert. Es ist die Vollendung: Das neue Eden, die neue Stadt, der neue Tempel, der neue Garten. Hesekiels Vision beschreibt symbolisch den unvollendeten heutigen Zustand aus der damaligen Sicht des alttestamentlichen Propheten und seiner Zeitgenossen.
Einige Parallelen zum weiteren Selbststudium für den interessierten Leser:
- Gottes Wohnen in Off 21,3 (3Mo 26,11-12; Hes 37,27; Hes 43,7).
- Prophetische Auftragsformel in Off 21,10 (Hes 2,2 und 3,12+14+24 und 11,1 und 40,2 und 43,5).
- Gottes Herrlichkeit in Off 21,11 (Hes 43,2ff.).
- Zwölf Tore nach Himmelsrichtung in Off 21,12-13 (Hes 42,15-19 und 48,31-34).
- Vermessung von Teilen der Tempelstadt: Verstreut in der ganzen Vision von Hes 40-48.
- Viereckige Form in Off 21,16 (Hes 40,5 und 41,21 und 45,1-5 und 48,8-13; Sach 2,6).
- Herrlichkeit Gottes in Off 21,23 (Hes 43,2+5; Jes 60,19).
- Wasser aus dem Tempel in Off 22,1-2 (Hes 47,1-9; 1Mo 2,10; Sach 13,1 und 14,8).
- Baum mit Früchten und Blättern in Off 22,2 (Hes 47,12).
Off 21-22 ist definitiv die Erfüllung der Vision Hesekiels. Die Gegenwart Gottes, welche die gesamte neue Schöpfung erfüllt, ist die tatsächliche Realität, auf welche die beiden steinernen Tempel Israels bildhaft hindeuteten. Diese beiden Steintempel waren von jeher nichts anderes als Abbildungen des wahren himmlischen Tempels. Das Gleiche gilt für die Stiftshütte, für das Bergheiligtum am Sinai (als irdisches Abbild des Heiligtums des wahren Berges Zion in Hebr 12,18-29) und für die Altäre der Patriarchen. Die Entwicklung geht von 1. Mose über Hesekiel bis zu Off 22 kontinuierlich voran. Hesekiels Tempel ist das Heiligtum Gottes, das bereits auf der Erde existiert, wenngleich nicht in materieller, sondern in geistlicher Form in der Gemeinde der erlösten Menschen. Es ist jedoch noch nicht zur Vollendung gelangt, sondern es schattet die Vollendung voraus, welche in Off 21-22 gezeigt wird.
Es ist wie bei einem Vater, der etwa im Jahr 1900 seinem kleinen Sohn verspricht, ihm bei seiner Hochzeit ein Pferd mit Wagen zu schenken. Der kleine Sohn stellt sich nach seinem Begriffsvermögen das Pferd und die Kutsche in allen Einzelheiten vor und freut sich darauf. Doch als er heiratet, bekommt er noch etwas viel Besseres. Inzwischen wurde nämlich das Automobil erfunden, und der Vater schenkt seinem Sohn eines der besten Automobile. Die Verheißung des Vaters wurde einerseits buchstäblich erfüllt, denn der Sohn bekommt ein komfortables und zeitgemäßes Fortbewegungsmittel geschenkt. Andererseits hat der Fortschritt der Technik die Erfüllung des Versprechens so weiterentwickelt, wie es sich der Sohn als Kind noch nicht vorstellen konnte. Das Versprechen ist in noch weit besserer Art als erwartet erfüllt worden. So verhält es sich auch mit den Tempeln des alten Israel im Vergleich mit der Vision Hesekiels und der in Herrlichkeit vollendeten Erfüllung in Off 21-22.
Mit den Opfern ist es ebenso. Der wesensmäßige Inhalt der von Hesekiel prophezeiten Opfer ist in Christus erfüllt, aber ihre Form wird in der Zukunft des neuen Bundes anders sein. Was in Hesekiel als Tieropfer beschrieben wurde, welche nur eine zeitweilige Bedeckung bieten konnten, findet seine weiterentwickelte Erfüllung im Opfer Christi. Wenn man also sagt, dass Christus Hesekiels Opfer erfüllt, weil er das Lamm ist, welches für Sünden geopfert wurde, dann ist das keine Verbildlichung oder Vergeistlichung alttestamentlicher Aussagen, sondern die eschatologische Erfüllung der Realität, welche durch die Tieropfer vorgeschattet wurde. Das Neue Testament ist die Realität, das Alte Testament ist das Schattenbild.
2Mo 12,46: „In einem Haus soll man es essen. Ihr sollt von dem Fleisch nichts vor das Haus hinaustragen, und kein Knochen soll ihm zerbrochen werden.“
4Mo 9,12: „… und sie sollen nichts davon übrig lassen bis zum Morgen, auch keinen Knochen an ihm zerbrechen; nach der ganzen Passahordnung sollen sie es halten.“
Joh 19,36: „Denn dies ist geschehen, damit die Schrift erfüllt würde: »Kein Knochen soll ihm zerbrochen werden«.“
Ergänzung: Der Strom in Hesekiel 47
Hes 47,1-12: „Und er führte mich zum Eingang des Hauses zurück, und siehe, da floss unter der Schwelle des Hauses Wasser heraus, nach Osten hin; denn die Vorderseite des Hauses lag gegen Osten. Und das Wasser floss hinab, unterhalb der südlichen Seite des Hauses, südlich vom Altar. Und er führte mich durch das nördliche Tor hinaus und brachte mich auf dem Weg außen herum zum äußeren Tor, das nach Osten gerichtet ist; und siehe, da floss von der rechten Seite [des Tores] das Wasser heraus! Während nun der Mann mit einer Messschnur in seiner Hand nach Osten hinausging, maß er 1 000 Ellen und führte mich durch das Wasser; und das Wasser ging mir bis an die Knöchel. Und er maß [noch] 1 000 Ellen und führte mich durch das Wasser; da ging mir das Wasser bis an die Knie. Und er maß [noch] 1 000 Ellen und führte mich hinüber, da ging mir das Wasser bis an die Lenden. Als er aber [noch] 1 000 Ellen maß, da war es ein Strom, den ich nicht durchschreiten konnte. Denn das Wasser war so tief, dass man darin schwimmen musste; ein Strom, der nicht zu durchschreiten war. Da sprach er zu mir: Hast du das gesehen, Menschensohn? Und er führte mich und brachte mich wieder an das Ufer des Stromes zurück. Als ich nun zurückkehrte, siehe, da standen auf dieser und jener Seite am Ufer des Stromes sehr viele Bäume. Und er sprach zu mir: Dieses Wasser fließt hinaus zum östlichen Kreis und ergießt sich über die Arava und mündet ins [Tote] Meer, und wenn es ins Meer geflossen ist, dann wird das Wasser [des Meeres] gesund. Und es wird geschehen: Alle lebendigen Wesen, alles, was sich dort tummelt, wohin diese fließenden Wasser kommen, das wird leben. Es wird auch sehr viele Fische geben, weil dieses Wasser dorthin kommt; und es wird alles gesund werden und leben, wohin dieser Strom kommt. Und es wird geschehen, dass Fischer an ihm stehen werden; von En-Gedi bis En-Eglaim wird es Plätze zum Ausbreiten der Netze geben. Seine Fische werden sehr zahlreich sein, gleich den Fischen im großen Meer, nach ihrer Art. Seine Sümpfe aber und seine Lachen werden nicht gesund; sie bleiben dem Salz überlassen. Aber an diesem Strom, auf beiden Seiten seines Ufers, werden allerlei Bäume wachsen, von denen man isst, deren Blätter nicht verwelken und deren Früchte nicht aufhören werden. Alle Monate werden sie neue Früchte bringen; denn ihr Wasser fließt aus dem Heiligtum. Ihre Früchte werden als Speise dienen und ihre Blätter als Heilmittel.“
Die Stelle ist ein Teil der gewaltigen Tempelvision Hesekiels. An unserer Textstelle finden wir den Strom aus dem Heiligtum. Wir sehen wie er unter dem Osttor des Heiligtums herausfließt und dann nach rechts, also nach Süden geht. Er fließt in das Tote Meer, um es zu beleben. Auf seinem Weg schwillt der anfänglich kleine Wasserlauf auf einer Strecke von 4000 Ellen, also etwa 2000 Metern, ohne erkennbare Zuflüsse zu einem mächtigen Strom an, welcher den Propheten mit sich fortträgt und ihn schwimmen lässt. Obwohl der Strom durch das ganze Land fließt, bleibt er so sauber, dass er das Tote Meer klärt und belebt. Er nimmt keinerlei Verschmutzungen auf. Diese Beschreibung widerspricht jeder natürlichen Realität.
Dazu kommen noch die lebendigen Fruchtbäume an beiden Ufern des Stromes, welche alle Monate, also zwölfmal im Jahresumlauf (das ist in geistlicher Deutung immerzu) Früchte zur Nahrung und Blätter zur Heilung bringen. Der Grund dafür ist, dass ihr Wasser aus dem Heiligtum entspringt. Bereits bei oberflächlichem Lesen wird dem aufmerksamen Beobachter auffallen, dass es sich hier um eine Symbolik handeln muss, um ein Bild, welches geistlich gedeutet werden muss. Um die Vision zu deuten, müssen wir daher gemäß dem Gesetz der Schriftauslegung: „Sola Scriptura - Die Schrift erklärt die Schrift“ nach anderen Schriftstellen suchen, welche ähnliche Dinge aussagen. Die erste ist in Ps 1,3:
„Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und alles, was er tut, gerät wohl.“
Klar und deutlich wird hier „der Gerechte“, der Herr Jesus Christus selbst, über welchen sowohl Ps 1 als auch Ps 2 reden, mit einem Baum an Wasserbächen verglichen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blätter nicht verwelken. Man kann die Übereinstimmung mit Hes 47,12-13 nicht übersehen. Die einfacher zu deutende Passage in unserem Psalm gibt uns unter Beachtung des Gesetzes der Analogie der Schriften die richtige Deutung der schwierigeren Stelle in Hes 47,12-13. Hes 47,12-13 redet über viele Bäume, von welchen jeder die gleichen Kennzeichen trägt wie der eine Baum aus Ps 1.
Die Auslegung bei Hesekiel ist somit die folgende: Die Gläubigen sind in der Neugeburt zum ewigen Leben eins gemacht mit dem Herrn Jesus Christus. So wie der Herr selbst der Gerechte ist, so sind alle wahren Gläubigen in Jesus Christus in die Stellung von Gerechten versetzt worden. Das ist die Rechtfertigung gemäß der biblischen Heilslehre. Alle diese gerecht Gesprochenen, die vielen Fruchtbäume aus Hes 47,12-13, stehen am Ufer des Stromes Gottes und nähren sich von seinem lebendigen Wasser. Somit haben wir in Hes 47,12-13 ein klares alttestamentliches Bild der Gemeinschaft aller Erlösten im Reich Gottes.
Jeder Gläubige ist Teilhaber der geistlichen Segnungen des Heils, er trinkt in geistlicher Hinsicht vom Wasser des Wortes, die Ströme des lebendigen Wassers fließen durch ihn hindurch. Er ist ein Baum Gottes, welcher auch selbst Blätter und Früchte bringt, indem er geistlich wächst und indem er das Heil durch die Verkündigung seines christlichen Lebens und des Wortes Gottes an andere Menschen weitergibt. Die Gläubigen in ihrer Gesamtheit sind der geistliche Paradiesgarten Gottes auf dieser Erde, der Ackerbau Gottes. Dieser geistliche Garten wird durch den Dienst des letzten Adam, des Herrn Jesus, welcher selbst der Geist ist, über die ganze Erde ausgeweitet. Was der erste Adam nicht schaffte, vollbringt der letzte Adam. Das Wasser des Stromes Gottes fließt durch den Dienst des Heiligen Geistes mit der Hilfe des Wortes Gottes und der Gläubigen zu allen Menschen der Erde und belebt das Tote Meer der Völkerwelt.
Eine weitere Bedeutung für den einzelnen Gläubigen wird ebenfalls erkennbar: Jedem Gläubigen sollte es im Verlauf seines Lebens so gehen wie Hesekiel es in diesem Bild erfährt. Jeder Gläubige sollte in seinem Leben unter dem ständigen Einfluss des Wortes Gottes stehen und sich ständig vom Heiligen Geist leiten lassen. Er sollte geistlich gesprochen genau wie Hesekiel durch den Fluss wandern. Wenn er dies tut, dann wird Gott ihm die gleiche Erfahrung schenken wie dem Propheten.
Nach 1000 Ellen reicht ihm das Wasser bis zu den Knöcheln. Die 1000 Ellen symbolisieren einen vollständigen Abschnitt der Heiligung auf dem Glaubensweg (tausend als die Zahl der dreifachen Vollständigkeit und Heiligkeit). Die Knöchel symbolisieren die Standfestigkeit und den Wandel des Gläubigen. Nach 1000 Ellen ist der Gläubige hier geistlich gesprochen zu einem festeren Stand im Glauben und zu einem Wandel befähigt, welcher Gott ehrt. Die Elle ist ja auch ein Maß, welches vom menschlichen Körper abgeleitet ist, sie hat somit geistlich gesprochen einen deutlichen Bezug zum Weg und zum Handeln des Menschen, denn mit dem Arm führt der Mensch seine Handlungen aus. Nach weiteren 1000 Ellen reicht das Wasser bis zu den Knien. Die Knie symbolisieren die demütige Haltung des Gläubigen vor Gott und die Haltung des Gebets. Nach diesen 1000 Ellen haben der Geist und das Wort den Gläubigen in diese Haltung der Demut und des Gebets hineingeführt. Nach weiteren 1000 Ellen reicht das Wasser bis zu den Lenden oder Hüften, welche in der Schrift den Sitz der Kraft andeuten. Hier vermag der Gläubige ganz in der Kraft Gottes zu wandeln, und zwar durch den Geist, durch das Wort und durch das Gebet. Er wandelt nicht mehr in seiner eigenen Kraft und kann nun damit beginnen, Siege für den Herrn zu erringen.
Nach den letzten 1000 Ellen wird er von dem tiefen und mächtigen Strom getragen. Der Gläubige wird am Ende seines Weges feststellen, dass alles von Gott war, dass er getragen wurde und getragen wird, dass Gott ihn sicher nach Hause bringt. Auch in unserem Bild ist es so, denn Gott bringt den Propheten danach an das rettende Ufer zurück in die Sicherheit. Er schenkt ihm nun auch einen Blick auf den weiteren Verlauf des Flusses und auf die anderen Bäume, welche die Gemeinschaft der Gläubigen darstellen. Der gereifte Gläubige bekommt von Gott einen Blick auf die Gemeinde, auf die ganze Welt und auf den Heilsplan Gottes mit dieser Welt, den Gott durch die Gemeinde ausführen wird. Die geistlichen Zusammenhänge werden durch das Neue Testament untermauert.
Joh 19,34: „… sondern einer der Kriegsknechte stach mit einem Speer in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“
Dies ist unsere zweite Stelle: Eine weitere Deutung von Hesekiel 47 geht auf das Werk des Herrn am Kreuz. Nach dem Tod des Herrn ging ein römischer Soldat mit einer Lanze zum Kreuz und durchbohrte den bereits gestorbenen Leib des Herrn an dessen Seite. Es floss ein Strom von Blut und Wasser heraus. Dieser Strom wurde für jeden, der daran glaubt, ein Strom der Rettung und des Heils. Das Wort vom Kreuz ist den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit. Uns aber die wir errettet werden, ist es eine Kraft Gottes zum Heil.
Joh 7,38-39: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus seinem Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, welche an ihn glauben; denn der Heilige Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“
Unsere dritte Stelle: Wir befinden uns hier beim Laubhüttenfest Israels. Am letzten Tag dieses Festes fand im Tempel Jerusalems die Zeremonie der Ausgießung des Wassers statt. (Auf unserer Website finden Sie einen ausführlichen Text über die Feste des Herrn in Israel mit ihrer messianischen Bedeutung im Hinblick auf Christus und seine Gemeinde. Bitte lesen Sie dort den Abschnitt über das Laubhüttenfest.) An unserer Schriftstelle sehen wir in eindrucksvoller Weise, wie der geistliche Strom des göttlichen Heils aus dem Mund des Herrn hervorkommt. Ganz Israel wird Zeuge dieser Tatsache. Der Herr erklärt seinem Volk, dass er selbst und die Gemeinde seiner Gläubigen die geistlichen und ewigen Realitäten sind, welche hinter der Symbolik des irdischen Laubhüttenfestes Israels stehen. Die Wirklichkeit des Gottes Israels steht nun in Person vor ihnen.
Der Herr weist darauf hin, dass der Strom lebendigen Wassers aus den Leibern aller Gläubigen fließen wird, und zwar durch das Werk des Heiligen Geistes. Der Strom wird in Vers 39 unmissverständlich mit dem Heiligen Geist identifiziert, an dessen Ankunft auf der Erde der Segen geknüpft ist. Diese Ankunft geschah am Pfingsttag in Apg 2. Jeder Gläubige besitzt seit jenem Tag den Heiligen Geist innewohnend in seinem Herzen. Wenn er den Herrn durch sein Leben ehrt und das Wort der Rettung an andere weitergibt, dann werden auch aus seinem eigenen Leib Ströme von lebendigem Wasser hervorkommen, welche zu anderen Menschen fließen. Der Gläubige wird somit zu einem der vielen Fruchtbäume am Strom, welcher Blätter und Früchte für andere hervorbringt.
Off 22,1-2: „Und er zeigte mir einen reinen Strom vom Wasser des Lebens, glänzend wie Kristall, der ausging vom Thron Gottes und des Lammes. In der Mitte zwischen ihrer Straße und dem Strom, von dieser und von jener Seite aus, [war] der Baum des Lebens, der zwölfmal Früchte trägt und jeden Monat seine Frucht gibt, jeweils eine; und die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker.“
Unsere letzte Stelle. Hier sehen wir einen Blick in die Ewigkeit der neuen Erde. Das Bild zeigt uns noch immer den kristallklaren Strom, welcher aus dem Heiligtum Gottes und aus seinem Thron hervorkommt, um den Garten zu bewässern. Es ist ein deutlicher Rückblick auf 1Mo 2,10. Jedoch zeigt es uns nur noch einen Baum. Die Vision schließt so eng an Hesekiel 47,1-13 an, dass man die Textpassagen quasi nebeneinander legen kann. Die dortige Auslegung wurde ja bereits gegeben, es handelt sich bei Hesekiel um die Gemeinde der Christen, welche den Segen aus Gottes Strom als Fruchtbäume an andere Menschen weitergeben. Es geht bei Hesekiel im Wesentlichen um das geistliche Wachstum des einzelnen Gläubigen und um die Ausbreitung des Wortes der Rettung in unserem Zeitalter. Dieses Zeitalter wird jedoch auch einmal enden, nämlich am Tag der Wiederkunft des Herrn zum Gericht über die Welt und zur Rettung aller Gläubigen. Dann werden aus dem Feuergericht über unseren heutigen Himmel und unsere heutige Erde der neue Himmel und die neue ewige Erde hervorgehen, in welchen Gerechtigkeit wohnt.
Natürlich müssen wir uns als gläubige Leser der Heiligen Schrift davor hüten, diese Prophetie in ihrer Gesamtheit allzu sehr zu vergeistlichen, damit wir nicht in ungesunde Extreme verfallen. Wir wissen ja aus 2Pe 3 und aus Off 21, dass es einen tatsächlichen neuen Himmel und eine neue Erde geben wird. Diese werden gewissermaßen eine gestorbene und wiederauferstandene Schöpfung mit gestorbenen und wiederauferstandenen Bewohnern sein. Alles wird durch die Reinigung des Feuers hindurch völlig neugestaltet sein. Es wird eine neue Menschheit, eine neue Tierwelt und Pflanzenwelt geben. Die ganze Erde wird ein verherrlichter Ackerbau und Garten Gottes als Lebensraum für seine Kinder sein.
Der Herr selbst hat den Menschen in Israel während seines irdischen Dienstes durch seine Wunder einen Vorgeschmack der Kräfte des zukünftigen Zeitalters gegeben. Die Jünger durften den Herrn auf dem Berg der Verklärung umgestaltet in der Herrlichkeit seines ewigen Reiches erblicken. Sie durften den Herrn nach seiner Auferstehung mehrmals in seinem geistlichen Auferstehungsleib sehen, in welchem der Herr nicht mehr den physikalischen Gesetzen der heutigen Schöpfung unterworfen ist. Auch in unserem eigenen Auferstehungsleib werden wir ja alle als die Personen zu erkennen sein, welche wir heute schon sind, nur ohne die Sünde und ohne die Kräfte des alten Fleisches. Es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistlicher Leib. Es gibt einen natürlichen Leib, und es gibt einen geistlichen Leib (1Kor 15,44).
Es ist daher für unseren Glauben sehr wohl vorstellbar, dass der neue Himmel und die neue Erde ebenso in verherrlichter Form noch erkennbare Wesenszüge der alten Erde wiederspiegeln können. Es ist sehr wohl möglich, dass auch die Geographie der neuen Erde noch Anklänge an die alte Erde zeigen wird, nur eben in verherrlichter und verewigter Gestalt. So ist es ohne weiteres möglich, dass es ein verherrlichtes Land Israel als Wohnort für das neue Jerusalem, also für die Gemeinde Gottes geben wird. Das würde zum Beispiel sehr gut dazu passen, dass Hesekiel in seiner Beschreibung des ewigen Zustands geographische Begriffe verwendet, die aus dem heutigen Israel bekannt sind. Auch andere Propheten wie etwa Jesaja und Jeremia reden ja über ein ewiges Leben in einem verherrlichten Land. In dieser Sichtweise wäre es auch keinesfalls ein Widerspruch, wenn die verschiedenen Propheten in ihren Weissagungen über das ewige Land Begriffe und Namen verwenden, welche wir schon heute kennen. Solche Namensnennungen sind keinesfalls zwangsläufig an die Existenz eines tausendjährigen Reiches auf der jetzigen Erde gebunden.
Dieser ewige Zustand, in welchem Gott zum Ziel aller seiner Ratschlüsse gekommen ist, wird uns in der Vision in Off 22 gezeigt. Gott wird alles in allem sein (1Kor 15,28). In allen Gläubigen wird nur noch eine Person gesehen werden: Der Herr Jesus Christus, der große Lebensbaum, welcher schon in dem stilisierten Mandelbaum der Menora am Berg Sinai dargestellt war. Die Menora, der siebenarmige Leuchter, stand danach im Heiligtum der Stiftshütte und des Tempels Israels während der alten Heilszeit. Der erste Tempel Israels wurde bereits mehr als 500 Jahre v.Chr. zerstört, die Menora ging damals verloren. Am Laubhüttenfest Israels wurden jedoch bis zur Zerstörung des zweiten Tempels im ersten Jahrhundert n.Chr. alljährlich gewaltige Leuchter im Tempelbezirk aufgestellt, welche die ganze Stadt während der Nacht hell erleuchteten. In unserem Bild in Off 22 ist es deshalb nur ein einziger Baum, der den ganzen Strom, das Heiligtum und die Stadt einnimmt. Der Baum des Lebens ist der Leuchter, der Leuchter (die Lampe) ist das Lamm, das Lamm Gottes auf dem Thron ist der Herr Jesus Christus. Er lebt ewig mit allen Erlösten und in ihnen. Gott wird alles in allem sein. Wir schließen unsere Betrachtungen ab mit:
Off 22,16-17: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch diese Dinge für die Gemeinden zu bezeugen. Ich bin die Wurzel und der Spross Davids, der leuchtende Morgenstern. Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen da dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst!“
Literaturverzeichnis
- Die im Text zitierten Bibelstellen entstammen der Bibelübersetzung Schlachter 2000.
- The New International Commentary on the Old Testament (NICOT). The Book of Ezekiel by Daniel E. Block. William B. Eerdmans Publishing Company, Grand Rapids/Cambridge. 1998.
- Michael W. Hoggard: By Divine Order. Scripture Numerics And Bible Prophecy. Prophetic Research Ministries, 1233 American Legion Drive, Festus MO, 63028. Copyright 2010.
- E. W. Bullinger: Number in Scripture. Philologos Religious Online Books. Philologos.org.
- Gregory K. Beale: Der Tempel aller Zeiten. Betanien Verlag 2011. ISBN: 978-3-935558-95-2.