Fast alle eschatologischen Lehrsysteme sehen den Antichristen als eine Person angesehen, die die Weltherrschaft an sich reißen wird und in einer Zeit der „großen Drangsal“ die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzen wird. Was ist nun dran an dieser Lehre, wenn man sie mit den Aussagen der Bibel vergleicht?
Wir haben es hier mit einem komplizierteren Thema zu tun, als es zunächst den Anschein haben mag. Bereits während der frühen Kirchengeschichte haben Ausleger wie Barnabas, Justinus Martyr, Irenaeus, Hippolyt, Origenes und Augustinus damit gerungen. In späteren Epochen war es nicht anders. Die mittelalterlichen Ausleger wie Adso, Albertus Magnus, Thomas von Aquin und andere hatten ebenfalls Mühe damit. Auch unter den Reformatoren, unter den Puritanern und unter den neuzeitlichen Auslegern verschiedenster christlicher Denominationen existieren große Meinungsunterschiede. Alle genannten Gruppen hatten Schwierigkeiten, die grundlegenden Aussagen der Schrift zu dem Thema in die richtige Beziehung sowohl zueinander als auch zu den Weltereignissen ihrer jeweiligen Zeitepochen zu bringen.
Die Schwierigkeiten gründeten hauptsächlich darin, dass die in unserer Überschrift genannten Begriffe nicht voneinander getrennt betrachtet werden können, sondern dass sie in einem schriftgemäßen Zusammenhang ausgelegt werden müssen, um zu richtigen Erkenntnissen zu gelangen, welche einer biblischen Prüfung standhalten und für welche wir uns am Tag des Herrn nicht werden schämen müssen. Hinzu kommt, dass sich die Auslegung nicht auf das Neue Testament beschränken darf, sondern dass wir auch im Alten Testament verfügbare Zeugnisse sammeln und in unseren Gedankengang miteinbeziehen müssen. Wir möchten daher unter den Augen des Herrn und unter der Leitung seines Wortes den Versuch unternehmen, ein für den Leser / die Leserin möglichst verständliches und nachvollziehbares Bild zu entwerfen. Dabei werden wir uns nicht an den Lehren menschlicher Autoritäten orientieren, sondern möglichst konsequent darum bemüht sein, den Linien des Wortes Gottes zu folgen.
Der Antichrist
Viele eschatologische Lehrsysteme in der heutigen Christenheit sehen den Antichristen als eine Person an, welche die Weltherrschaft an sich reißen, einen siebenjährigen Vertrag mit den Juden in Israel schließen und in einer Zeit der „großen Drangsal“, welche für dreieinhalb oder vielleicht auch sieben Jahre anhalten wird, die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzen wird. Diese letzten sieben Jahre werden aus der Weissagung Daniels in Kapitel 9,24-27 abgeleitet, welche nach Meinung besagter Ausleger, insbesondere der Dispensationalisten, der noch zukünftigen siebzigsten Jahrwoche Daniels entsprechen. Das ganze Geschehen liegt also nach dieser Sichtweise noch in der Zukunft. Um den Begriff näher einzugrenzen, möchten wir zunächst einmal sehen wo er in der Bibel überhaupt vorkommt. Es gibt nur einen Autor, welcher den Antichristen namentlich erwähnt, nämlich den Apostel Johannes. Es sind insgesamt so wenige Verse, dass wir sie hier alle zitieren können:
1Joh 2,18: „Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind nun viele Antichristen geworden; daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist.“
1Joh 2,22: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, welcher leugnet, dass Jesus der Christus sei? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet!“
1Joh 4,3: „Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von welchem ihr gehört habt, dass er kommt; und jetzt schon ist er in der Welt.“
2Joh 7: „Denn viele Irrlehrer sind hinausgegangen in die Welt, die nicht bekennen, dass Jesus der im Fleisch gekommene Christus ist; das ist der Irrlehrer und der Antichrist.“
Johannes sagt uns, dass die Christenheit sich bereits zu seiner Zeit in der letzten Stunde befand. Bereits damals waren viele menschliche Antichristen in die Welt ausgegangen, um die Christen zu verführen. Diese Antichristen waren einzelne Personen. Auch in unserer Zeit gibt es zahlreiche Personen, welche man als Antichristen bezeichnen könnte. Alle diese Personen repräsentierten während des gesamten Evangeliumszeitalters ein bestimmtes geistliches Prinzip, eine ganz spezielle Irrlehre. Den Geist hinter dieser Irrlehre bezeichnet Johannes als den Antichristen.
Der Antichrist ist somit zunächst einmal keine Person, sondern ein Geist, welcher sich zahlreicher Personen in der Geschichte bedient hat und noch bedienen wird. Letztlich ist es der Geist der Selbstvergöttlichung des Geschöpfes, der die Gottheit Christi leugnet, also der Geist des Teufels oder des Drachen. In der letzten Zeit vor dem Kommen des Herrn Jesus Christus wird er die ganze Welt beherrschen wie noch niemals zuvor. Was ist nun das Charakteristikum dieses Geistes? Er ist ein Lügner, ein Verleugner, ein Täuscher und ein Verführer. Er leugnet den Vater und den Sohn. Er bekennt nicht, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Er belügt die Menschen sowohl hinsichtlich der Person als auch hinsichtlich des Werkes des Herrn Jesus Christus. Alle Menschen, die sich in seinen Dienst gestellt haben und noch stellen werden, bezeichnet die Bibel als Antichristen. Auch diese Menschen sind dann Täuscher, Lügner, Verleugner und Verführer.
Der Antichrist ist somit zunächst ein Bedränger, welcher von innen heraus die Gemeinde Christi verderben will. Er manifestiert sich immer wieder innerhalb der Gemeinschaften der Gläubigen weltweit in Gestalt von Irrlehrern und falschen Propheten, welche die Gemeinde ganz bewusst spalten, irreleiten und zerstören möchten. Johannes erkannte das Problem bereits zu seiner eigenen Lebenszeit und musste die Gemeinden des ersten Jahrhunderts davor warnen.
Die Bedrohung bleibt jedoch nicht auf das Innenleben der Gemeinde Christi begrenzt. Sie wird in dem Augenblick auch zu einer äußeren Bedrohung, in welchem sie sich weltlicher Machtstrukturen und menschlicher Herrscher bedient, um die Gemeinde Christi zu schädigen. Der Satan (der Teufel, der Drache, die alte Schlange, der Leviathan im Meer) möchte nämlich in der Welt selbst die Position Gottes einnehmen und wie Gott selbst angebetet werden. Außerdem möchte er die Gemeinde Gottes in der Welt nicht nur von innen heraus verderben, sondern er möchte sie durch äußere Macht vernichten. So wie er einerseits durch Verführung arbeitet, so hat er es andererseits im Verlauf der Geschichte auch immer wieder mit Gewalt versucht. Er ist nicht nur der Engel des Lichts nach 2Kor 11,13-14, sondern auch der brüllende Löwe nach 1Pe 5,8.
Die Gemeinde Christi sieht sich somit bis zum Kommen des Herrn einer zweifachen Bedrohung durch den Antichristen gegenüber. Zum einen bedroht er sie geistlich von innen heraus, indem er immer wieder einzelne menschliche Antichristen als falsche biblische Lehrer oder falsche Propheten benutzt. Zum anderen bedroht er sie leiblich von außen, indem er immer wieder staatlich gelenkte Christenverfolgungen in der Welt herbeiführt. Die antichristlichen Gewalten und Reiche der Weltgeschichte bezeichnet die Bibel an verschiedenen Stellen als Tiere. Das führt uns zu unseren weiteren Begriffen.
Das Tier, die Zahl des Tieres, das Malzeichen des Tieres
Unsere Erläuterung dieser Begriffe muss im Alten Testament beginnen. Der Prophet Daniel gibt uns grundlegende Informationen, welche das Neue Testament weiterentwickelt und erklärt. In Daniel 2 finden wir den Traum Nebukadnezars. Der König sieht die Abfolge der heidnischen Mächte in Form einer gewaltigen Statue. Auf dem Höhepunkt der heidnischen Weltmacht wird die Statue des Heidentums von einem einfachen Stein getroffen. Das Bild stürzt ein, es wird zu Staub der Sommertennen und kann nicht mehr gefunden oder gar wiederhergestellt werden. Der Stein nimmt die ganze Erde ein. So ist es geschehen. Der einfache Stein steht im Gegensatz zu den kostbaren Materialien der Statue und ist doch mächtiger als die gesamte Statue. Von der Herrlichkeit der alten Weltreiche redet heute kaum noch jemand, aber das Reich Gottes ist weltweit verbreitet. Die Statue repräsentiert nicht alleine das römische Weltreich sondern sie ist weit mehr als Rom. Sie wurde zwar historisch betrachtet in den Tagen Roms vom Stein des Christentums getroffen, als Ganzes repräsentiert sie jedoch die Gesamtheit der heidnischen Weltsysteme.
In Daniel 3 sehen wir den Versuch Nebukadnezars, in seinem Hochmut die Statue zu erbauen, von der er geträumt hat. Er will die Anbetung seiner eigenen Person im Bild der Statue erzwingen. Hier erkennen wir bereits deutlich das allgemeine biblische Prinzip. Der Teufel macht Nebukadnezar zum Repräsentanten des antigöttlichen Geistes in alttestamentlicher Zeit. Nicht der Gott Israels soll Gott sein, sondern der Mensch Nebukadnezar. Das Bildnis und der König führen uns zu der Zahl 666. Das Bildnis ist 6 Ellen breit und 60 Ellen hoch. Es repräsentiert eine zweifache 6 oder eine 66. Nebukadnezar selbst ist die dritte 6 in dieser Konstellation, denn die Zahl 6 ist in der Bibel die Zahl des Menschen und seiner Erschaffung am sechsten Tag. In der Gesamtbetrachtung haben wir an dieser Stelle zum zweiten Mal in der Bibel die Zahl 666. Zum ersten Mal finden wir sie bei Salomo in 1Kö 10,14, wo er 666 Talente Gold pro Jahr einnimmt. So wie Nebukadnezar sich der Selbstvergötterung widmete, so gab Salomo sich völlig den Reichtümern dieser Welt hin. Salomo führte auch das ägyptische Hexagramm, die graphische Repräsentation der Zahl 666, in den Götzendienst Israels ein. Es ist bis heute das „Siegel Salomos“. Mit David hat es nichts zu tun.
Der Geist des Antichristen (der Satan) gibt seine Macht dem mächtigen Menschen, welcher das Reich Satans (des Teufels, des Drachen) in der sichtbaren Welt aufbaut. Die Zahl dieses Menschen ist die 666, und sie bezeichnet gewissermaßen die „vollkommene Unvollkommenheit“ dieses Menschen. Der menschliche Herrscher im Dienst Satans strebt wieder und wieder und wieder (6 und 6 und 6) nach göttlicher Macht und Verehrung, ohne sie jemals erreichen zu können. Anstatt zu der Vollkommenheit Gottes zu gelangen, welche in der Bibel durch die Zahl 7 dargestellt ist, bleibt er trotz all seiner Bemühungen immer wieder auf der menschlichen Ebene der Zahl 6 stecken. Egal was er auch tun mag, er bleibt doch immer ein Mensch und sein Reich bleibt menschlich und vergänglich. Er versucht vergeblich eine Grenze zu überschreiten, welche ihm verschlossen bleibt. Das Reich des Steines aus Daniel 2, das Reich Gottes, steht über dem Reich des Menschen Nebukadnezar. So ist es auch heute, und so wird es ewig bleiben. Obwohl die Christen in dieser Welt in das Feuer der Versuchung geraten können und auch geraten sind, bleiben sie doch in Ewigkeit siegreich, und sei es auch durch den Tod hindurch.
Alle menschlichen Weltreiche unter der Führung einzelner Despoten zeigen bis in unsere Zeit hinein immer wieder dieses gleiche Prinzip. In Ägypten war Pharao der Gott des Reiches, und seine Aussprüche wurden als göttliche Worte angesehen. Sein Wille wurde widerstandslos ausgeführt. In Assyrien war es der jeweilige Herrscher. In Babylon waren es Nebukadnezar und seine Nachfolger. In Persien, Griechenland und Rom waren es die Könige und Kaiser. Sie alle forderten von ihren Untertanen teilweise unter Androhung der Todesstrafe bestimmte mündliche Bekenntnisse und/oder kultische Handlungen zur gottgleichen Verehrung ihrer eigenen Person. In unserer Zeit ist das gleiche Prinzip erkennbar bei Leuten wie etwa Hitler, Stalin oder Mao.
In Daniel 7 findet sich schließlich eine Vision, welche unser alttestamentliches Bild vervollständigt. Gott zeigt Daniel die menschlichen Weltreiche in ihrer geistlichen Qualität als Tiere, von denen das letzte das schlimmste ist. Nach der Herrschaft der Tiere kommt der Sohn des Menschen, der hier zu den Tieren im gleichen Gegensatz steht wie der Stein in Nebukadnezars Traum zu den Materialien der großen Statue in Daniel 2. Es wird einmal so sein, dass die irdischen und zeitlichen Reiche der Nationen durch ein ewiges und himmlisches Reich ersetzt werden, welches im Himmel von Gott in die Hand des Sohnes des Menschen gegeben wird.
Abschließend können wir festhalten: Die menschlichen Weltreiche sind Tiere, welchen ihre Zeit festgesetzt ist. Diese Reiche werden gelenkt von Herrschern, welche in ihren unaufhörlichen Versuchen der Selbstvergöttlichung die Zahl 666 repräsentieren. Die Zahl dieser Tiere ist auch die Zahl der menschlichen Herrscher. Das Reich Gottes ist hingegen nicht ein Tier, sondern das ewige Reich des Sohnes des Menschen, des Sohnes Gottes, des Herrn Jesus Christus. Dieser Herr ist zu gleicher Zeit wahrhaftig Mensch und wahrhaftig der ewige Gott. Er trägt die Zahl 7, wie wir es an unzähligen Schriftstellen erkennen können, an welchen diese Zahl immer wieder mit Gott verbunden ist.
Wir kommen nun zum Neuen Testament. Das Buch der Offenbarung erklärt uns die Visionen Daniels weiter und bringt uns zu einem besseren Verständnis der noch zukünftigen Dinge. In Off 12 und Off 20 finden wir den Sturz Satans, des Teufels, des Drachen, der alten Schlange, aus dem Himmel auf die Erde, sowie seine geistliche Bindung im Angesicht der Gemeinde Christi auf der Erde, welche er nicht überwältigen kann. Nicht einmal die winzige Keimzelle der Gemeinde in Jerusalem konnte er vernichten, geschweige denn die heutige weltweite Gemeinde der Christen in der Welt. Er hat laut Off 12,12 einen großen Zorn. Er weiß, dass er am Kreuz von Golgatha von dem Herrn Jesus Christus besiegt und zum Tode verurteilt worden ist. Er weiß, dass seine Zeit nur noch kurz bemessen ist.
In Off 13 erkennen wir dann, auf welche Weise der Satan in der Welt wirkt. Er tut es durch zwei Tiere, welchen er seine Macht gibt. Das erste Tier repräsentiert politische, wirtschaftliche und militärische Macht, das zweite Tier religiöse und geistliche Macht. Diese Mächte arbeiten zusammen, und sie konzentrieren ihre äußere Erscheinung in einem Menschen. Letztlich sind die beiden Tiere ein einziges Tier, und sie werden äußerlich in der Welt durch einen Menschen repräsentiert. Die Zahl des Tieres ist die Zahl eines Menschen, und es ist auch hier wieder die Zahl 666 (Off 13,18). In heutiger Sprache handelt es sich hier um die staatlich verordnete und erzwungene gottgleiche Verehrung eines einzelnen menschlichen Herrschers, welche von den säkularen und von den religiösen Mächten des betreffenden Reiches herbeigeführt und aufrechterhalten wird. Während es bei den Tieren im Buch Daniel noch um einzelne historische Weltreiche ging, haben wir es hier mit einem Tier zu tun, welches in sich selbst die Kennzeichen der Tiere Daniels vereinigt, nämlich den Panther, den Bären und den Löwen. Mit anderen Worten: Das Tier beziehungsweise die beiden Tiere in Off 13 repräsentiert/repräsentieren nicht ein bestimmtes historisches Weltreich der Vergangenheit, sondern die Gesamtheit aller menschlichen Reiche der Geschichte mit ihren Verfolgungen des Volkes Gottes und der Selbstvergöttlichung ihrer jeweiligen Herrscher.
Der Apostel Johannes konnte zu seiner Zeit dieses Prinzip in der Verehrung der römischen Kaiser erkennen. Er dachte mit Sicherheit zurück an den Kaiser Nero, dessen Name in der Gematrie sogar die Zahl 666 ergibt. Nero hatte die Apostel Petrus und Paulus hingerichtet und war inzwischen bereits selbst tot. Die Christenverfolgung bestand jedoch unter Neros Nachfolgern weiter und Johannes befand sich zum Zeitpunkt der Abfassung der Offenbarung als eines ihrer Opfer in der Verbannung auf Patmos. Die Weltmenschen, denen das Leben auf dieser Erde wichtiger war als das ewige Leben im Reich Gottes, nahmen in ihrem Verhalten geistlich gesprochen das Malzeichen des Tieres an, indem sie sich der Verehrung des römischen Reiches und seines Kaisers hingaben. Sie brachten dem Kaiser Räucherwerk dar und bekannten dadurch öffentlich, „dass der Kaiser Gott ist“ und nicht der Herr Jesus Christus. Die Christen taten dies nicht. Bereits zur Zeit des Johannes war es vielen Christen im römischen Reich unmöglich, am normalen Wirtschaftsleben teilzunehmen, denn ohne die öffentliche Anbetung des Kaisers waren sie davon ausgeschlossen. Das Tier machte, dass niemand kaufen oder verkaufen konnte, wenn er nicht das Malzeichen besaß (vgl. Off 13,17). Das Wort aus Off 13 darf somit nicht nur auf die Zukunft bezogen werden, sondern es war bereits zur Zeit des Apostels Johannes gelebte Realität für die verfolgten Christen.
Auch während der weiteren Geschichte der Gemeinde Christi trugen die Weltmenschen zu allen Zeiten das Malzeichen des Tieres an ihrer Stirn (in ihrem Denken) und an ihrer rechten Hand (in ihrem praktischen Handeln). Sie orientierten sich infolge dieses geistlichen Malzeichens nicht an den Geboten Gottes, sondern am Gebot der jeweiligen Umstände ihrer Zeit sowie an dem mündlichen Gebot jeweiliger weltlicher Herrscher. Sie führten gehorsam die Handlungen aus, welche die Welt und die Herrscher von ihnen forderten, und zwar bis hin zur gottgleichen Anbetung dieser Herrscher. Sie wollten gut und ungestört leben können. Den römischen Kaisern wurde geräuchert und Anbetung dargebracht. Den Diktatoren späterer Jahrhunderte wurde in verschiedenster Form gehuldigt. Leute wie Stalin, Mao oder Hitler genossen nicht nur den Jubel der Massen, sondern auch die Anbetung ihrer eigenen Person als Erlöser und Retter. Für sie wurden Lobeshymnen geschrieben und Verehrungsrituale von gottesdienstartigem Charakter durchgeführt. Widerspruch oder gar Zuwiderhandeln war tödlich.
Bei den Christen war und ist es anders. Sie trugen das geistliche Malzeichen des Tieres weder in ihrem Denken (Stirn) noch in ihrem Handeln (rechte Hand). Sie orientierten sich an den Geboten Gottes und taten die Werke welche Gott von ihnen erwartete. Wenn weltliche Machtsysteme oder menschliche Herrscher Dinge von ihnen forderten, welche dem Wort Gottes widersprachen, dann gehorchten die Christen diesen Geboten nicht. Vor allen Dingen beteten sie einzig und allein Gott den Vater und den Herrn Jesus Christus an. Niemals brachten sie einem menschlichen Gewaltherrscher gottähnliche Verehrung dar. Weder räucherten sie für den römischen Kaiser noch brachten sie den Despoten späterer Jahrhunderte solche Verehrung dar. Das bedeutete für viele von ihnen damals wie heute Armut, Ausgrenzung, Verfolgung und Tod.
Wenn ein eventuell noch kommender antichristlicher Weltherrscher eine äußere rituelle Handlung, ein mündliches oder schriftliches Bekenntnis beziehungsweise eine äußere Kennzeichnung als Beweis der persönlichen Loyalität zu ihm selbst sowie als Zeichen der gottähnlichen Verehrung seiner Person einfordern wird, dann werden die Christen dieses äußere Zeichen ebenso ablehnen wie ihre Glaubensgeschwister vergangener Zeiten. Die Christen werden auch in der Zukunft weder das geistliche noch das äußerliche Malzeichen des Tieres annehmen, weil sie bereits das geistliche Malzeichen des Herrn Jesus Christus angenommen haben. Sie sind versiegelt mit dem Siegel Gottes, nämlich mit dem Heiligen Geist, der das Unterpfand der ewigen Errettung der Gläubigen ist. Sie werden in Off 14,1 als solche gesehen, welche das Zeichen des Lammes an ihren Stirnen tragen und mit ihm auf dem himmlischen Berg Zion stehen. Das Zeichen des Lammes ist in der Symbolsprache der Offenbarung ein überaus deutlicher Antitypus (Gegenbild) zu dem Malzeichen des Tieres. Seine alttestamentliche Wurzel finden wir in Hes 9,4. Diese Gläubigen haben die Welt, den Teufel und sein Malzeichen überwunden, und sei es auch durch den Tod hindurch. Wir kommen nun zu unseren drei letzten Begriffen.
Der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der falsche Prophet
Am Ende unseres Exkurses bleibt noch die Beantwortung der Frage, ob es nach den Aussagen der Bibel tatsächlich einen einzigen menschlichen Weltherrscher geben wird, welcher die Christen wie niemals zuvor in der Geschichte weltweit verfolgen wird. Ich halte es zwar für möglich, jedoch nicht unbedingt für wahrscheinlich. Am Ende des Textes kommen wir mit einem alternativen Szenario noch einmal auf diesen Gedanken zurück. Zunächst möchten wir uns aber mit der von zahlreichen Auslegungssystemen gelehrten Möglichkeit beschäftigen, dass tatsächlich ein persönlicher Antichrist erscheinen wird. Paulus würde dann diesen jetzt noch zukünftigen Menschen als den "Menschen der Sünde" bezeichnen, den "Sohn des Verderbens" (2Thess 2,1-12). Johannes würde ihn in Off 20,10 als den "falschen Propheten" bezeichnen. Gleichzeitig bestünde auch eine Verbindung zu dem Tier und dem letzten König in Offenbarung 17. Wir möchten das nun näher betrachten, indem wir die Annahme eines persönlichen Antichristen zunächst einmal voraussetzen und das entsprechende Szenario schildern.
Zunächst zu Offenbarung 17. Hier sehen wir das Tier mit seinen sieben Köpfen und seinen zehn Hörnern. Johannes redet über sieben Köpfe, welche sieben Berge und sieben Könige sind. Fünf sind gefallen, einer ist und einer muss noch kommen für eine sehr kurze Zeit. Im ersten Jahrhundert konnten die Leser der Offenbarung hierbei zunächst an sieben konkrete Weltreiche denken, welche der Apostel sah: Ägypten, Assyrien, Babylon, Medopersien, Griechenland, Rom und schließlich das noch zukünftige letzte Reich. Alle vergangenen Reiche hatten das Volk Gottes schwer misshandelt, und auch das letzte Reich würde das Gleiche wieder tun. Wir sehen außerdem Babylon die Große, welche mit allen Königreichen der Erde verbunden ist, und welche bis zum Ende besteht. Babylon die Große symbolisiert in der Offenbarung die Gesamtheit der Verführung des gottlosen Weltsystems, welches die Gläubigen zu allen Zeiten vom Herrn ablenken will. Babylon die Große repräsentiert alles, was im Alten Testament durch die beiden Städte Babylon und Tyrus vorgeschattet ist.
Bei der schriftgemäßen Auslegung dieses Kapitels geht es jedoch nicht nur um die Berechnung von Zahlen, sondern auch um die Betrachtung der Zahlensymbolik im Buch der Offenbarung. Die Zahl der sieben Köpfe, sieben Berge und sieben Könige weist nicht nur auf eine rein historische Abfolge hin. Das wäre zu kurz gegriffen, denn die Offenbarung wurde nicht nur für die Christen des ersten Jahrhunderts geschrieben, sondern für alle Christen bis zur Wiederkunft des Herrn. Die Zahl sieben repräsentiert hier die Vollkommenheit der Pläne und Wege Gottes mit allen Weltreichen der Geschichte. Denken wir hierbei auch an Psalm 2. Alle Reiche dieser Welt werden kommen und gehen bis zum Ende, und zwar genauso wie Gott es geplant hat. Zwar wird keines von ihnen fehlen, aber auch keines von ihnen wird ewig bestehen. Die Zahl der zehn Hörner (Hörner als Symbol für Herrscher und Herrscherhäuser in der Bibel) weist darauf hin, dass Gott in der gesamten Weltgeschichte seine völlige Kontrolle über alle menschlichen Herrscher der Weltreiche ausübt, obwohl diese Herrscher von dem Drachen ihre Macht erhalten haben. Das ist das Erste.
Das Zweite ist, dass die Anwesenheit der soeben dargestellten Konstellation aus Tier, Köpfen, Königen und Hörnern bis zum Ende bestehen wird, denn alle genannten Mächte werden nach Off 17,14 gegen das Lamm (den Herrn Jesus Christus) kämpfen und von ihm endgültig besiegt werden. Hier wird nun auch die geistliche Verbindung zu 2Thess 2,1-12 erkennbar. Paulus sieht die Person des Menschen der Sünde, des Sohnes des Verderbens, welchen der Herr Jesus Christus vernichten wird durch den Hauch seines Mundes bei seiner Ankunft. Dieser eine Mann könnte als offizieller Repräsentant der hinter ihm stehenden teuflischen Macht an der Spitze des letzten menschlichen Weltreiches am Ende des christlichen Zeitalters stehen. Er würde dann die Gemeinde Christi weltweit in noch nie zuvor dagewesener Art und Weise innerlich verführen und äußerlich verfolgen. Er wäre der letzte und größte falsche Christus der Geschichte, der letzte und größte von allen Antichristen der Weltgeschichte. Er wäre der letzte große Irrlehrer, welcher in Zeichen und Wundern der Lüge auftreten und die Gemeinde Christi von innen heraus verderben würde. Wenn er kommt, dann wird er sich geistlich gesprochen in den neutestamentlichen Tempel Gottes setzen, welcher nach Joh 2,19-21, Off 11, 1Kor 3,16 und 2Kor 6,16 die Gemeinde Christi ist. Dieser Mann wird in Off 20,10 der falsche Prophet genannt. Es gab zwar in der Geschichte viele falsche Propheten, aber dieser Mann wird der letzte und größte von ihnen sein, der falsche Prophet schlechthin.
Sein allumfassendes letztes Weltreich wird das Tier schlechthin sein, nämlich das letzte und größte, das zusammenfassende von allen Tieren (gottlosen Weltreichen) der Geschichte. Die Gemeinde Christi wird unmittelbar vor dem Kommen des Herrn zum ersten und letzten Mal in der Geschichte einer buchstäblich weltumspannenden Staatsdiktatur gegenüberstehen, welche ebenso weltweit die gottgleiche Verehrung des einen Mannes an ihrer Spitze erzwingen wird. Der falsche Prophet wird auftreten wie etwa Ludwig XIV von Frankreich es in der Geschichte getan hat. Dieser König hatte gesagt: „Ich bin der Staat!“ (L`état, c`est moi!). So wird es auch der falsche Prophet tun. Er wird nicht nur das Weltreich lenken, sondern er wird sagen: „Ich bin dieses Reich! Ich bin das Tier!“ In diesem Sinne wird der falsche Prophet zu dem Tier selbst werden. In Off 17 verschwimmen diese einzelnen Begriffe mehr und mehr, sie sind am Ende nicht mehr klar voneinander zu trennen.
In der Geschichte waren die Reiche Satans trotz ihrer Schrecklichkeit doch immer nur regional begrenzt. Am Ende wird das eine Reich des Teufels die ganze Erde umfassen. Die Weltmenschen werden das Reich und seinen Herrscher bewundern, denn sie werden nicht fassen können, dass in unserer fortschrittlichen Zeit noch einmal ein derartiges Reich entstehen konnte, und dass noch einmal ein einzelner Mann zu einer solchen Machtfülle gelangen konnte. Sie werden dem Tier (dem Mann Satans und den Ordnungen seines Weltreiches) hinterherlaufen, welches sich nach vielen Jahrhunderten von seiner Todeswunde erholt haben wird.
Ein weiterer Gedanke ist hier ebenfalls von Bedeutung, wenn wir weiter über die Todeswunde des Tieres nachdenken. Wir lesen in Judas 9, dass der Satan nach dem Tod Moses mit dem Engel Michael einen Streit um den Leib Moses hatte. Gott hatte seinen großen Diener selbst begraben (5Mo 34,5-6), damit kein Mensch auf der Erde den Ort wissen konnte, an welchem der Leib lag. Kein Mensch konnte den Leib Moses finden, um ihn für irgendwelche bösen Zwecke in Besitz nehmen zu können. Der Satan wusste jedoch den Ort, denn er hatte in der unsichtbaren Welt beobachten können, wo Gott ihn begraben hatte. Er wollte nun selbst den Leib Moses in Besitz nehmen. Der Grund könnte evtl. gewesen sein, dass der Satan eine Reliquien-Verehrung des Leichnams Moses im Volk hervorrufen wollte. Einige gehen sogar so weit zu behaupten, dass der Satan den Leib Moses wiederbeleben wollte, um als falscher Mittler des Volkes in der leiblichen Gestalt Moses zum Volk zurückzukehren und es ins Verderben zu führen. Ob dies tatsächlich möglich gewesen wäre, sei dahingestellt. Der Engel Michael verhinderte jedenfalls dieses Vorhaben Satans.
In der Zukunft könnte es geschehen, dass der Satan als Geist tatsächlich in den Leib seines letzten Weltherrschers hineinkommen und ihn in Besitz nehmen wird. Wie wäre das möglich? Es könnte evtl. so sein, dass der falsche Prophet zur ersten Zeit seiner Herrschaft in einen todesähnlichen Zustand oder in einen Scheintodzustand kommen könnte, sei es durch eine schwere Verletzung, durch einen Unfall oder auch durch ein Attentat. Die Nachricht würde sich sehr schnell weltweit verbreiten und alle Menschen würden glauben dass er tot ist. Der Satan würde sich aber des Leibes bemächtigen und somit vor den Augen aller Welt eine gefälschte Auferstehung inszenieren. Die Welt würde diesem scheinbar vom Tod auferstandenen Mann nun bedingungslos folgen. Satan selbst würde in leiblicher Gestalt des falschen Propheten weiter vorangehen und zum Angriff auf alle noch lebenden Christen der Erde schreiten.
Die letzte Christenverfolgung wird alles je Dagewesene übertreffen. Der Satan wird jetzt nach Off 20,7-8 aus seinem Gefängnis losgelassen sein und alle Nationen der Welt, den Gog und den Magog von den vier Enden der Erde, gegen die Gemeinde Christi aufbieten. Wir finden in der Offenbarung eine feste Ordnung von drei Zeiten, welche in Harmonie mit dieser Deutung ist. Erstens das lange Zeitalter des Evangeliums, die 42 Monate oder tausend Jahre, die Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit, die 1260 Tage (Off 11,2-3; 12,6+14; 13,5; 20,2-5). Zweitens eine sehr kurze Zeit von symbolischen dreieinhalb Tagen, in welcher das Evangelium zum Schweigen gebracht ist und die zwei Zeugen tot auf der Straße liegen (Off 11,7-9; 13,7; 20,7-10). Drittens den Tag des Gerichts mit dem zweiten Kommen des Herrn (Off 11,11,12+16ff; 14,14ff; 20,11ff). Der Geist des Antichristen, der Satan, wird ganz am Ende durch die Hand des falschen Propheten global herrschen und die Christen mächtig unter Druck setzen. Während der ganz kurzen dreieinhalb Tage nach dem Ende der dreieinhalb Jahre wird er die Heiligen durch die Hand des letzten Weltherrschers töten und das Zeugnis des Evangeliums für kurze Zeit weltweit zum Schweigen bringen (Off 11,7).
Als Christen müssen wir uns umso mehr mit dem Gedanken einer unter Umständen auch uns selbst betreffenden harten Verfolgung auseinandersetzen, je näher das Kommen des Herrn heranrückt. Sacharja 14 beschreibt einen harten Angriff der Nationen auf das Jerusalem Gottes (die Gemeinde Christi) zur Zeit des Endes. Dieser Angriff wird auf allen Ebenen unseres Lebens erfolgen. Der Satan wird am Ende losgelassen werden und unter der Zulassung Gottes unsere Fluchtwege versperren. Es wird andererseits nach Lk 17,26-30 auch so sein wie in den Tagen Noahs und Lots. Das bedeutet, dass die Welt (abgesehen von der Verfolgung der Christen, die man in den Medien ausblenden und im Bewusstsein der unbekehrten Menschen totschweigen wird) ihre ganz offen gottlose Betriebsamkeit nicht nur weiterführen, sondern noch erheblich steigern wird. Könnte es sein, liebe Geschwister, dass wir bereits in unserer Zeit die ersten Vorstufen dieser schrecklichen letzten Dinge erleben müssen? Weltweit sterben so viele Christen wie niemals zuvor, und zahllose werden vertrieben. Die Medien berichten über alles Mögliche, nur nicht darüber. Es scheint den Weltmächten mehr und mehr gleichgültig zu sein, wie viele Christen in allen Teilen der Welt unter Ausschluss der Öffentlichkeit ermordet werden.
Bei der Ankunft des Herrn wird das alles zu seinem endgültigen Ende kommen. Der Satan (der Drache mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern, der Teufel, die alte Schlange, der Leviathan im Meer), das Tier (das letzte weltumspannende Reich des Drachen, oder anders gesagt alle menschlichen und teuflischen Machtstrukturen dieser Welt) und der falsche Prophet (der menschliche Herrscher dieses letzten Reiches, der letzte und größte aller menschlichen Antichristen, der letzte und größte aller falschen Propheten der Geschichte) werden in den Feuersee geworfen in Off 20,10.
Wir kommen nun zur alternativen Deutung des Antichristen. Im ersten Teil des Textes haben wir betont, dass der Antichrist nach den Aussagen der Schrift zunächst einmal ein Geist ist, welcher sich in der Welt durch zahlreiche menschliche „Antichristen“ manifestiert. Diese Menschen verbreiten seine Gedanken und verwirklichen seine Ziele. In Anbetracht dieser Tatsache soll nun der personengebundenen Deutung eine mehr geistliche Deutung hinzugefügt werden. Diese geistliche Deutung ist ebenso gut möglich wie die personengebundene Deutung. Möglicherweise kommt nämlich die von Menschen geplante Einsetzung eines persönlichen Antichristen (und seines Machtsystems in der Welt) gar nicht zustande. Der Herr Jesus Christus hat gemäß Psalm 2 jederzeit die Macht, die satanischen Aktivitäten in der Welt zuzulassen oder zu beenden. Anstelle der satanischen Aktivitäten könnten dann ganz andere Pläne zur Ausführung kommen.
Bereits zur Zeit des Apostels Johannes war der antichristliche Geist in der Welt und in den Gemeinden wirksam. Durch die apostolische Autorität wurde er bald aus den Gemeinden der ersten Zeit verbannt. Nach dem Tod der Apostel drang er jedoch umso stärker wieder in die Gemeinden ein. Im Verlauf der Jahrhunderte kam es an verschiedenen Orten zu einem geistlichen Kreislauf aus Degeneration, Verfall, Abfall, Gericht und schließlich Wiederherstellung in Erweckungen. Dieser geistliche Kreislauf ist ein Prinzip des neutestamentlichen Gemeindezeitalters, welches bis zum Kommen des Herrn in Macht und Herrlichkeit gelten wird. Im Verlauf der Kirchengeschichte gelang es dem Antichristen immer wieder, sich in der Gemeinde Gottes breitzumachen und große Zerstörungen anzurichten. Und immer wieder brachte der Herr daraufhin Züchtigung über die Gemeinde, verbunden mit Gerichten über die menschlichen Antichristen und über die gottlose Welt.
Die Merkmale des Antichristen waren immer dieselben: Lügen über die Menschheit und Gottheit des Herrn Jesus Christus, über sein Kommen im Fleisch, über sein Werk am Kreuz, über seine Auferstehung und Verherrlichung. Lügen über das Reich Gottes, über die Errettung, die notwendige Heiligung und endgültige Verherrlichung der Gläubigen. In der Neuzeit schließlich Erhöhung des geschaffenen Menschen über Gott (zum Beispiel in der Renaissance und im Humanismus: der Mensch ist das Maß aller Dinge): Selbstwert, Selbstbewusstsein, Selbstvergöttlichung, fehlende Gottesfurcht, Zerstörung der Ordnung der Geschlechter, ungezügeltes Sexualleben, gottlose Philosophien, Ideologien und religiöse Systeme. Hass, Ausgrenzung und Verfolgung der Kinder Gottes. Am Ende dann politische Ideologien (Nationalsozialismus, Marxismus, Kommunismus, Neomarxismus, Anarchie) und sogar totale Verleugnung Gottes (Atheismus).
Gemäß dieser Sichtweise könnte es kurz vor dem Ende der heutigen Welt dazu kommen, dass der Geist des Antichristen in nie dagewesener Weise die gesamte Erde einnehmen wird. So wie die Christen in Christus zu einem neuen Menschen gemacht worden sind (Eph 2,15), ebenso könnte dann die gesamte gottlose Menschheit zu einem „Menschen der Sünde“ (2Thess 2,4) vereint werden. Dieser "Mensch der Sünde" würde auf der ganzen Erde seine Sündhaftigkeit und Verdorbenheit in schrecklicher Weise zur Schau stellen. Denken wir hierbei besonders an Rö 1,18-32 und 2Tim 3,1-9.
Auch in die Christenheit des Endes würde dieser „Mensch der Sünde“ ungehemmt eindringen und sie verderben. Der Geist des Antichristen würde durch seine Agenten (die menschlichen Antichristen innerhalb der Gemeinde) die weltweit sichtbare Gemeinde geistlich und praktisch übernehmen. Er würde sich in die Gemeinde, welche ja der Tempel Gottes im neuen Bund ist (1Kor 3,16; 2Kor 6,16), hineinsetzen und sich selbst als Gott verehren lassen. In der Praxis würde das bedeuten, dass alle vorgenannten Eigenschaften des Antichristen in der Gemeinde nicht nur Fuß fassen, sondern sogar das Geschehen weltweit beherrschen würden. Das Jerusalem Gottes, nämlich die Gemeinschaft der wirklichen Gläubigen, wäre in einer solchen Christenheit von allen Seiten umstellt und nicht mehr handlungsfähig. Das Heerlager der Heiligen in der Welt könnte dann einzig und allein auf die Hand des Herrn hoffen und vertrauen. Die fast vollständig christuslos (und letztlich auch gottlos) gewordene Namenschristenheit des Endes würde dem endgültigen Gericht bei der Wiederkunft des Herrn entgegentaumeln, welches am letzten Tag völlig unerwartet käme.
In dieser Betrachtungsweise wäre nicht zwingend ein letzter Weltkrieg vonnöten, ebenso keine weltweite Schreckensherrschaft eines einzelnen Menschen. Die Zahl 666 würde weiterhin das menschliche Streben nach Selbstvergöttlichung repräsentieren. Die 666 wäre außerdem die Repräsentation der ganzen gottlosen Menschheit in ihrem Streben nach Göttlichkeit, verbunden mit ihrer gottlosen Gesinnung (Malzeichen an der Stirn) und ihrem gottlosen Handeln (Malzeichen an der rechten Hand). In dieser Deutung würde das erste Tier die Gesamtheit der menschlichen Ideologien und Denksysteme mit den daraus resultierenden politischen Herrschaftsformen repräsentieren. Das zweite Tier würde die Gesamtheit der Systeme der religiösen Unterdrückung der Menschheit im Dienst der politischen Systeme repräsentieren. Der falsche Prophet wäre die Gesamtheit der religiösen Verführungen des antichristlichen Geistes.
In unserer Zeit treten die soeben genannten Dinge in der Tat weltweit zutage, und zwar in nie dagewesener Stärke. Die sichtbare Christenheit unserer Tage ist überwiegend vom Geist des Antichristen kontrolliert und verdient den Namen nicht mehr, welchen sie noch immer trägt. Die unerrettete Welt steigert ihre Gottlosigkeiten immer weiter. Die Zuchtrute der Neuen Weltordnung (NWO) schwebt heute über dem abtrünnigen Volk Gottes, ebenso wie die Macht des Assyrers oder des Babyloniers zu alttestamentlicher Zeit. Die abgefallene Christenheit geht (ebenso wie das Volk Gottes im AT) einer Züchtigung entgegen. Die gottlose Welt hingegen geht (ebenso wie die alten Weltmächte) einem Gericht entgegen.
Niemand vermag zu sagen, in welcher Art und Weise der Herr mit seiner Herde und mit der gottlosen Welt handeln wird. Wird es ein schrecklicher Weltkrieg sein? Wird es ein wirtschaftlicher Zusammenbruch sein, Revolutionen, Anarchie, Umsturz von Regierungsstrukturen, ein moralischer Umschwung, ein gewaltiges geistliches Umdenken auf der ganzen Erde, oder eine Kombination aus den genannten Dingen? Werden die bevorstehenden Veränderungen die letzten in der Weltgeschichte sein und das Kommen des Herrn zum Weltgericht unmittelbar einläuten, oder wird es danach noch einmal eine Zeit der Gnade mit einer gewaltigen Frucht für das Evangelium unter den Juden und den anderen Nationen der Erde geben? Kein Mensch kann es wissen.
Als Christen sollen wir daher den Glauben und die Hoffnung standhaft festhalten, und zwar durch die auch uns eventuell bevorstehenden Drangsale hindurch. Wir werden geprüft werden, das ist wohl klar. Wie diese Prüfung allerdings aussehen wird und zu welchem Ausgang sie am Ende führen wird, das dürfen wir getrost dem Herrn Jesus Christus überlassen. Wir sollen ausharren im Gebet für die Bewahrung und Heiligung der Gläubigen, aber auch für die Rettung der Verlorenen auf der ganzen Erde, und zwar aus den irdischen Juden und Nichtjuden. Wir sind Gottes Kinder, und der Vater gibt seinen Kindern, wenn sie ihn bitten. – Amen.