Der Christ hat in seiner Bekehrung klar und vollständig dem alten Leben abgesagt und ist in das neue Leben in der Nachfolge Christi eingetreten. Dies wollen wir uns etwas näher anschauen.
Warum sündigen Christen noch nach ihrer Errettung? Warum muss Johannes sogar sagen, dass wir uns als Christen selbst betrügen, wenn wir behaupten, dass wir keine Sünde mehr haben? Hier kommt die Frage nach dem alten und dem neuen Menschen in den Blick. Sehr viele Christen lehren dieses: Das Christenleben sei ein beständiger Kampf zwischen dem alten Menschen und dem neuen Menschen, welche als zwei nebeneinander existierende Personen in dem Christen vorhanden sind. Bei der Bekehrung sei zu dem alten Menschen der neue Mensch hinzugetreten. Der alte Mensch sei jedoch noch immer vorhanden und kämpft gegen den neuen. Man redet auch von der alten Natur und der neuen Natur, welche beide in dem Gläubigen gegeneinander streiten würden. Was sagt die Bibel hierzu?
Rö 6,6: „… wir wissen ja dieses, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde außer Wirksamkeit gesetzt sei, sodass wir der Sünde nicht mehr dienen;“
John Murray sagt in „Principles of Conduct“ (S. 218-219):
„Einen Gläubigen sowohl als alten als auch als neuen Menschen zu bezeichnen ist genauso falsch wie zu behaupten, dass er zu gleicher Zeit wiedergeboren und nicht wiedergeboren sei. (…) Der alte Mensch ist die Bezeichnung für die gesamte Person, welche vollständig durch das Fleisch und die Sünde beherrscht ist (…) Da der Gläubige nach der eindeutigen Lehre des Neuen Testamentes den alten Menschen ausgezogen und den neuen Menschen angezogen hat, müssen wir ihn als einen neuen Menschen ansehen – wenngleich noch nicht als einen vollkommen gemachten neuen Menschen, sondern vielmehr als einen solchen neuen Menschen, welcher weiterhin ununterbrochen fortwährender Erneuerung unterliegt. Diese fortlaufende Erneuerung ist jedoch nicht so zu betrachten, als würde dieser Mensch ständig damit beschäftigt sein, seinen alten Menschen immer mehr abzulegen und den neuen Menschen immer mehr anzuziehen.“
Herman Ridderbos sagt in „Paul“ (S. 63-64) sinngemäß:
„Wenn Paulus über den alten und den neuen Menschen redet, dann geht es ihm nicht in erster Linie um die fortwährende Veränderung, welche im Leben eines Gläubigen nach seiner Bekehrung stattfindet, sondern vielmehr um das was ein für alle Mal in Christus, mit Christus und durch Christus geschehen ist. Alle Gläubigen sind in völlige Einheit mit Christus gebracht (ausgenommen seine Gottheit natürlich, Anmerkung). Was mit Christus geschehen ist, das ist auch mit den Gläubigen geschehen. Im Tod Christi wurde die alte sündige Lebensweise des Menschen, also der alte Mensch, ein für alle Mal abgetan. In der Auferstehung Christi wurde das neue Leben im Geist, der neue Mensch, ein für alle Mal ins Leben gerufen. Das gilt für jeden Gläubigen.“
Der alte Mensch hat in Christus auf Golgatha ein für alle Mal den Tod gefunden. Das gilt für jeden Gläubigen, denn jeder Gläubige ist in Christus. Daraus folgt, dass der Gläubige in der Auferstehung Christi ein neuer Mensch ist, der den Geist Gottes in der Wiedergeburt erhalten hat und der nicht mehr hilflos der Sünde und dem Fleisch ausgeliefert ist. Der neue Mensch ist jedoch nicht zu dem alten Menschen hinzugetreten, sondern der alte Mensch ist ganz verschwunden und ist ganz durch den neuen Menschen ersetzt worden. Es hat ein kompletter Austausch stattgefunden. Der Christ hat somit in seiner Bekehrung klar und vollständig dem alten Leben abgesagt und ist in das neue Leben in der Nachfolge Christi eingetreten. In diesem neuen Leben wird er im Denken und im Wandel fortwährend weiter geheiligt.
Eph 4,22-24: „… dass ihr, was den früheren Wandel betrifft, den alten Menschen abgelegt habt, der sich wegen der betrügerischen Begierden verderbte, dagegen erneuert werdet im Geist eurer Gesinnung und den neuen Menschen angezogen habt, der Gott entsprechend geschaffen ist in wahrhafter Gerechtigkeit und Heiligkeit.“
Kol 3,9-10: „Lügt einander nicht an, da ihr ja den alten Menschen ausgezogen habt mit seinen Handlungen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis, nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat;“
Rö 6,11: „Also auch ihr: Haltet euch selbst dafür, dass ihr für die Sünde tot seid, aber für Gott lebt in Christus Jesus, unserem Herrn!“
1 Joh 1,8: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“
Der neue Mensch ist also nicht mehr in sich selbst total verloren, wie es im radikalen Calvinismus behauptet wird, sondern er ist auf ewig errettet. Er muss aber weiterhin Schritt für Schritt in das Bild Christi umgestaltet werden, was auf dem Weg der praktischen Heiligung geschieht. Hier finden wir den Kampf des Christen gegen seine alten Gewohnheiten. Der neue Mensch muss die praktischen Handlungen des alten Lebens ohne Gott immer mehr ablegen. Erst in der Wiederkunft Christi wird die Herrlichkeit aller Gläubigen in endgültiger und sündloser Vollkommenheit geoffenbart werden.